Über die Staatswissenschaft
In: Theorie als Kampf?: zur politischen Soziologie Pierre Bourdieus, S. 255-267
Abstract
Die Autoren entwerfen im vorliegenden Beitrag das Projekt einer "Staatswissenschaft" im Sinne einer "interdisziplinären und interkulturell vergleichenden Geschichte der Genese und Organisation von Staaten". Mit diesem Projekt verbinden sie eine entschiedene Absage an die dominante Tradition der Staatstheorie und politischen Philosophie, die in der Entwicklung des europäischen Staates einen linearen Prozess fortschreitender "Modernisierung" und "Rationalisierung" sieht. In einer kulturvergleichenden Perspektive, die neben den kanonischen staatlichen Rechtfertigungstheorien auch die "praktische" Wissensproduktion der Administratoren und bürokratischen Akteure in den Blick nimmt, erscheinen Staat und Bürokratie nicht als geschlossene Kollektive oder Quasi-Subjekte, sondern als umkämpfte Felder, in denen Akteure mit höchst divergenten Interessen, Ressourcen und Einsätzen ihre jeweilige Definition der "öffentlichen Sache" durchzusetzen versuchen. Die vorliegende komparatistische und interdisziplinäre Perspektive bedeutet ebenfalls eine Absage an die traditionelle Staatsgeschichte, die die "verheerende" Aufteilung in Ideengeschichte und Sozialgeschichte kritiklos akzeptiert. (ICA2)
Problem melden