Nation, kulturelle Differenz und Liminalität
In: Sprache - Denken - Nation: Kultur- und Geistesgeschichte von Locke bis zur Moderne, S. 243-253
Abstract
Die Tatsache, dass der nationale Einheitsdiskurs auf der Verleugnung bzw. Reinterpretation der gesellschaftlichen Unterschiede beruht, macht seine Möglichkeit von Bedingungen abhängig, die zugleich (im Sinne Derridas) Bedingungen seiner Unmöglichkeit sind, die also verhindern, dass sich die anvisierte Einheit einstellt. Einen postkolonialen Erklärungsversuch dieses notwendigen Scheiterns des nationalen Diskurses hat Homi Bhabha in seinem Aufsatz "DissemiNation: Time, Narrative and the Margins of the Modern Nation" entwickelt. Nach Bhabhas These scheitert der Versuch, eine nationale Einheit zu konstruieren, an zwei sich widersprechenden Arten der diskursiven Repräsentation des Nationalen, welche er aber dennoch benutzen muss. Bhabha nennt diese hinsichtlich der Darstellungsformen "pädagogisch" und "performativ", wobei jede eine besondere Zeitkonzeption beinhaltet, die miteinander unvereinbar sind. Durch diese beiden Momente des Pädagogischen und Performativen ist die diskursive Konstruktion nationaler Identität gespalten. Bhabha ist es nach Einschätzung des Autors gelungen, aus einer (post-) kolonialen Analyse heraus Begriffe zu formulieren, die auch für die Kulturtheorie relevant sind, da sie eine Kritik totalisierender Darstellungsformen des Fremden und des Eigenen erlauben. Die Nützlichkeit des Begriffs des "dritten" oder "liminalen" Raums für die Kulturtheorie liegt gerade darin, dass sich mit seiner Hilfe jede Form des reaktionären, konservativen oder progressiven Einspruchs verstehen lässt. (ICI2)
Problem melden