Kriegs- und Zivilisationsverbrechen der Kolonialmächte - ein gerechtfertigter Anspruch auf Wiedergutmachung?: oder: 'Was ist interkulturell konsensfähig?'
In: Dem Frieden dienen: zum Gedenken an Dieter S. Lutz, S. 408-421
Abstract
Nach der Niederschlagung des Boxeraufstands 1900 durften in China - wie es auf Emailleschildern hieß - "Chinesen und Hunde" den gepflegten britischen Rasen nicht betreten - und nur 80 Jahre später ermahnen die Politiker aus dem Westen bei Besuchen in Peking die dortige Regierung, die Menschenrechte gegenüber den Tibetern und anderen einzuhalten. Der Beitrag fragt nach der moralischen Legitimität und Richtigkeit dieser "Abmahnungen", nun vorgebracht von Leuten, die wegen der Untaten ihrer Vorväter als wenig legitimiert und glaubwürdig eingestuft werden. Die Anti-Rassismus-Konferenz in Durban hat festgestellt, dass der Kolonialismus zu den Faktoren zählt, "die heute zu sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichten in vielen Teilen der Welt beitragen". Die ehemaligen Kolonialvölker wurden daher aufgefordert, "Mittel und Wege zu finden, um die 'Würde der Opfer' wiederherzustellen" - wie, blieb unerörtert. Politische Beobachter aus dem Westen vermuteten, dass es den Afrikanern bei dieser "strategischen Geschichtsbetrachtung" vor allem um die Anmeldung von Kompensationszahlungen geht. Derartige kritische Kommentare gehen für den Autor am Kern der Sache vorbei: Es geht um das kollektive Gefühl einer ganzen Generation in zahlreichen Staaten, durch Kolonialismus und Rassismus gedemütigt worden zu sein - nicht nur physisch gequält und ausgebeutet, sondern auch kulturell - und im Falle der muslimischen Gesellschaften auch religiös durch Frevel der "weißen Barbaren" verletzt worden zu sein. (ICA2)
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