Präjudizien als selbstreferenzielle Geltungsressource des Bundesverfassungsgerichts
In: Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 205-234
Abstract
Der Autor knüpft bei seiner Analyse einer spezifischen verfassungsrichterlichen Argumentationspraxis an theoretische Überlegungen Hans Vorländers an, die sich mit der Geltungsbehauptung des Interpreten einerseits und dem Geltungsglauben der Adressaten andererseits auseinandersetzen. Nach Vorländer bezieht eine Verfassung ihre Bindungswirkung nicht allein aus ihrer normativen Kraft und ihre Geltung kann sich nicht dauerhaft auf die Mittel der staatlichen Zwangsgewalt verlassen. Eine Akzeptanz unter den Adressaten erreicht eine Verfassung nur dann, wenn sie in der Lage ist, die gemeinsamen Ordnungsvorstellungen einer politischen Gemeinschaft symbolisch zum Ausdruck zu bringen. Für die Verfassungsrechtsprechung bedeutet dies über den konkret zu entscheidenden Einzelfall hinaus, durch das Medium der verschriftlichten Entscheidungsbegründung einen Anschluss an die die Verfassung tragenden Leitideen der politischen Gemeinschaft herzustellen. Der Autor stellt vor diesem Hintergrund einige empirische Beobachtungen zur verfassungsrichterlichen Argumentation mit Präjudizien vor. Anhand einer quantitativen Inhaltsanalyse wurden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus den 1970er und 1990er Jahren mit dem Ziel ausgewertet, einerseits den Umgang des Bundesverfassungsgerichts mit dem rechtstechnischen Mittel "Präjudiz" zu untersuchen. Zum anderen wurde die Hypothese überprüft, inwieweit der Verweis auf eigene Entscheidungen selbst ein argumentatives Mittel darstellt, das die Autorität der Entscheidung und damit die Akzeptanz unter den Adressaten erhöhen kann. (ICI2)
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