Der Beitrag bezieht sich auf die im Gefolge von Korruption fließenden Zahlungsströme und ihr steuerliches Schicksal. Dabei konzentriert sich die Betrachtung materiell-rechtlich auf die Einkommenssteuer und die steuerliche Behandlung von korruptionsbedingten Zahlungen auf Empfänger- und Geberseite. Darüber hinaus wird den verfahrensrechtlichen Problemen der Korruptionsaufdeckung im Bereich des Steuerrechts sowie den finanzstrafrechtlichen Problemen nachgegangen. Im einzelnen werden folgende Fragen analysiert: (1) Wie beurteilt das Steuerrecht Zahlungen, die im Gefolge von Korruption geleistet und empfangen werden, also aus der Sicht des Empfängers und Gebers? (2) Sind die einschlägigen steuerlichen Bestimmungen dazu angetan, zumindest tendenziell Korruption zu fördern oder zu hemmen? (3) Gibt die Rechtsordnung genügend Handhaben, um die im Gefolge korrupter Verhaltensweisen fließenden Zahlungsströme steuerlich zu erfassen, und ist es umgekehrt möglich, steuerlich aufgedeckte Korruptionsfälle weiter zu verfolgen? Auf der Grundlage dieser Analyse werden abschließend rechtspolitische Vorschläge diskutiert. (RW2)
In: Korruption und Governance aus interdisziplinärer Sicht: Ergebnisse eines Workshops des Zentralinstituts für Regionalforschung vom Mai 2001, S. 149-172
"Ilja Srubar führt eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Stadien von Korruption ein - zufällige, spontan regulierte, organisierte Korruption und Systemkorruption - und skizziert auf der Folie dieses idealtypischen Modells die Genese der systeminduzierten Korruption im realen Sozialismus und in seiner post-sozialistischen Transformation. System-induzierte Korruption in der sozialistischen Phase entwickelte sich weitgehend als Folge des Machtmonopols der herrschenden kommunistischen Partei und der durch die von der Planwirtschaft hervorgerufenen Mangelwirtschaft, welche zur spontanen Herausbildung eines gesellschaftlichen Integrationsmechanismus in Gestalt von kompensatorischen, auf der Basis von Korruption operierenden Umverteilungsnetzwerken Anlass gaben. Die einmal etablierten Korruptionskulturen sind jedoch durch den Regimewechsel nicht verschwunden, sondern haben ihre handlungsorientierende Wirkung weiter erhalten. Während sich die Formen ändern, bleibt das Phänomen selbst bestehen und prägt die drei wesentlichen Bestandteile der postsozialistischen Reformen: die Privatisierung der Wirtschaft, die Deregulierung (Entstaatlichung) der Gesellschaft und die Pluralisierung der Herrschaft. So kam es zu einer Genese neuer Korruptionsformen: die Schaffung von Wahlklientelen (Stimmenkauf) und die Verbreitung illegaler und semi-illegaler Parteienfinanzierung, den Einschluss der Administration in diese Netzwerke und den Aufbau von "Schutzorganisationen" infolge der um sich greifenden Rechtsunsicherheit. Die Systemkorruption hat sich in der Transformation in gewandelter oder vielmehr fortentwickelter Form erhalten." (Autorenreferat)
In dem Beitrag wird von den Untersuchungen der Thematik Korruption in der vor allem in den USA vertretenen empirisch-analytischen Richtung der Politikwissenschaft ausgegangen. Dabei werden vor allem die Fragestellungen zugrundegelegt, die im Bereich der comparativ politics durch die politische Systemtheorie entwickelt wurden. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf den Bedingungsdimensionen der Korruption: politische Kultur; politische Institutionen und politische Aufgabe. Diese Ausführungen werden mit einem Systemvergleich abgeschlossen. In einem anschließenden Exkurs wird auf die Funktionalität der Korruption eingegangen. In den beiden letzten Abschnitten wird Österreich im Systemvergleich betrachtet und Möglichkeiten einer Reform diskutiert. (RW)
Die Verfasser zeigen, welche Folgen Korruption für das Wachstum einer Volkswirtschaft haben kann. Sie stellen den Korruptionsindex von Transparancy International als Messverfahren für Korruption vor und problematisieren Schäden von Korruption auf der Basis des Prinzipal-Agenten-Ansatzes, sowohl für den Bereich der administrativen Korruption wie für die politische Korruption. Empirisch fundiert werden die Auswirkungen der Korruption auf die Produktivität einer Volkswirtschaft und die Nettokapitalimporte eines Landes herausgearbeitet. Es zeigt sich, dass Korruption mit einer geringeren Produktivität einhergeht und dass sie als Wachstumshemmnis wirkt. (ICE2)
Die politische Korruption erreichte im Dritten Reich ein besonderes Ausmaß und stellt damit auch ein besonderes Strukturproblem nationalsozialistischer Herrschaft dar. Ihre Ursachen und Erscheinungsformen werden in Form von Thesen beleuchtet. Als besonders korruptionsfördernd erwies sich die fehlende Machtkontrolle aufgrund der nicht vorhandenen innerparteilichen Demokratie in der NSDAP. Die politische Korruption wurde in ihrem Sinne regelrecht politisch funktionalisiert. Für die Ausbreitung der Korruption sorgte die Beseitigung fast aller potentiellen Kontrollinstanzen, wie die Gleichschaltung der Presse und die Abschaffung der Parlamente. Neben das traditionelle Verwaltungsgefüge des bürokratischen Normenstaates traten zunehmend Sonderdienststellen und Sonderbeauftragte. "Mit ihnen zogen Kameraderie und Cliquenbildung in den Staatsapparat ein, die einem am Allgemeinwohl orientierten Amtsverständnis widersprachen." Die Korruption breitete sich besonders in den von den Nationalsozialisten geschaffenen Großinstitutionen, wie z.B. der Deutschen Arbeitsfront, aus. Die systematische Enteignung und Entrechtung der Juden schuf zahlreiche Möglichkeiten zur Bereicherung. Ein besonders hohes Ausmaß erreichte die Korruption in den besetzten Ostgebieten und in den Konzentrationslagern. Das NS-Regime reagierte nur selten auf die Kritik der Bevölkerung an der Korruption ihrer Amtsträger. (prd)
Dieser Beitrag setzt sich mit dem Verhältnis von Schattenwirtschaft und Korruption auseinander. Es wird insbesondere die Frage untersucht, welche Rolle die Schattenwirtschaft in korrupten Ökonomien spielt. Die Schattenwirtschaft begrenzt letztendlich die Macht korrupter Institutionen, indem sie Unternehmen eine Ausweichmöglichkeit schafft, und ermöglicht so eine Ausdehnung produktiver Tätigkeiten, die gesamtwirtschaftlich vorteilhaft ist. Der Beitrag untersucht auch, wie sich institutionelle Rahmenbedingungen und Politikmaßnahmen auf Korruption und Schattenwirtschaft auswirken.
In Anbetracht der Vorfälle der vergangenen Jahre geht der Beitrag der Frage nach, inwiefern man von Korruption in der Kommission sprechen kann. Gibt es diese Korruption im klassischen Sinne tatsächlich, oder kann man lediglich von Günstlingswirtschaft und mangelndem Verantwortungsgefühl sprechen? Des Weiteren wird geprüft, ob es eine korruptionsfreie Europäische Kommission überhaupt jemals geben kann bzw. geben wird. Dabei werden auch die jeweiligen Voraussetzungen für Korruption und jene Kriterien, die für eine korruptionsfreie Europäische Kommission wichtig wären, herausgearbeitet. Die Ausführungen zeigen, dass es innerhalb der EU einen eindeutigen Nord-Süd Verlauf beim Korruptionsindex gibt. In Ländern wie Italien, Griechenland und in fast allen der neu beigetretenen Länder scheint Korruption an der Tagesordnung zu stehen. Das Gewissen und die Moralvorstellungen sind einfach andere als in Finnland oder Österreich. Was für einen Finnen als Betrug oder korrupt gilt, ist für einen Italiener oder Polen ganz selbstverständlich. So gesehen wird es wohl nicht ausreichen, nur Kontrollinstrumente wie die OLAF einzurichten und diese effizienter zu gestalten. Es muss langfristig eine soziale Angleichung hin zu einem gemeinsamen Werteverständnis bzw. Gewissen geben. Nur so scheint eine korruptionsfreie Kommission zumindest eher möglich zu sein als heute. (ICA2)
In kompetitiven Mehrparteiensystemen ist die Parteienfinanzierung ein äußerst sensibler Bereich. Über den Weg der Parteifinanzierung können ökonomische Interessen in politisches Handeln umgesetzt werden. In dem Beitrag werden zunächst die Modelle der Parteienfinanzierung vorgestellt. Die vorgestellten Finanzierungsmodelle werden anschließend auf ihre Korruptionsanfälligkeit geprüft. Abschließend werden Möglichkeiten der Begrenzung von Korruption auf dem Weg der Parteienfinanzierung diskutiert. (RW)
Der Autor problematisiert die Erscheinungsformen der Korruption im deutschen Gesundheitswesen, die durch die Intransparenz des Gesundheitswesens sowie die Interessen- und Akteursvielfalt begünstigt werden. Das stärkste Ausmaß an Korruption findet seiner Meinung nach dort statt, wo die Akteure des freien Marktes in Beziehung zu anderen Akteuren des Gesundheitswesens treten. Er skizziert dies am Beispiel der Beziehungen zwischen Industrie und medizinischer Wissenschaft sowie der Werbestrategien von Unternehmen. Er weist ferner auf die Beeinflussung von wissenschaftlichen Sachverständigengutachten hin, die für Unternehmen notwendig sind, um z.B. in Zulassungsverfahren oder Schadensersatzfällen die Wirksamkeit bzw. Unbedenklichkeit eines Arzneimittels belegen zu können. Am Beispiel der komplexen Zulassungsverfahren wird ferner deutlich, inwiefern auch staatliche Behörden Teil dieser korruptiven Beziehungen sind. Der Autor skizziert vor diesem Hintergrund einige notwendige politische Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene. (ICI2)
"Der Autor bearbeitet den Nexus zwischen Korruption und Entwicklungsforschung, indem er besonderes Augenmerk auf systemische und historisch-regionale Kontexte der jeweiligen Staaten legt. Er bestätigt, dass die Modernisierungs- und die Dependenztheorie bei weitem nicht genug Erklärkraft aufweisen, um die Phänomene der Korruption zu bewerten und zu bekämpfen. Vielmehr erscheint die Verlagerung auf Aspekte der Staatlichkeit, Good Governance und die Arbeit mit politischen Konditionalitäten sowie dem Konzept der Pfadabhängigkeit angemessener und wirkungsvoller. Er belegt dies durch die dargelegte Typisierung der Staaten nach konkreten Kontexten politischer Systeme. Etablierte Entwicklungs- und Governance-Indikatoren weisen signifikante Unterschiede auf nach Region - Afrika, Asien, Lateinamerika, Naher Osten - und Systemtyp - traditionale Monarchie, neo-patrimonial, Polyarchie, prätorianisch, sozialistisch. Während traditionale Monarchien relativ geringe Korruptivität aufweisen, sind neo-patrimoniale bzw. prätorianische Systeme sehr von Korruption betroffen. Aber auch neue Demokratien bzw. Polyarchien sind nicht gefeit gegen Korruption." (Autorenreferat)
Wie bei kaum einem anderen Delikt wird in Fällen von Korruption allein schon durch die Benennung des Sachverhaltes das moralische Urteil gleich mit ausgesprochen. Anders als ein trickreicher Kaufhauserpresser etwa kann ein der Korruption Verdächtigter in der Öffentlichkeit kaum auf wohlwollende Anteilnahme hoffen; der Täter gilt schlicht als gierig und charakterlos, und ist er erst einmal überführt, hat er seinen Ruf und seine Karriere ruiniert. Um so erstaunlicher scheint es, dass gerade Politiker und Wirtschaftsbosse, Personen also, deren Karrieremöglichkeiten in besonderem Maße von ihrem Ansehen oder ihrem Bild in der Öffentlichkeit abhängen, das Risiko der Korruption eingehen. Man weiß, dass es zur Durchführung korrupter Handlungen in großem Stil eines relativ hohen Aufwandes an Planung, konspirativer Kontaktaufnahme und riskanter finanzieller Transaktionen bedarf. "Corruption is a crime of calculation, not passion." Dieser beträchtliche Investitionsbedarf, der zudem auch meistens mit der Notwendigkeit des Innehabens von verantwortlichen Positionen in Organisationen einhergeht, sowie die permanente Gefahr einer Entdeckung und ihrer ruinösen Folgen passen nicht so recht zum Täterbild des habgierigen und skrupellosen Verbrechers. Es besteht also nicht nur ein Widerspruch zwischen dem hohen Risiko von Korruptionsdelinquenz und der gefestigten gesellschaftlichen Stellung der Täter, sondern auch einer zwischen dem Grad an klandestiner Kalkulation und der öffentlichen Darstellung korrupter Personen als kurzfristig profitorientierte Betrüger. Schon diese Widersprüche lassen erahnen, dass in Fällen von Korruption möglicherweise eine andere Art der Rationalität exekutiert wird, als allein diejenige des temporären Nutzenkalküls. Es soll in dieser Arbeit darum gehen, diese Form der Rationalität zu klären. Bei Korruption handelt es sich um ein besonders unangenehmes Kapitel der Kriminalität, denn sie ist eine Form des Verbrechens, "die die Bürger in Umfang und Stil schädigen kann, wie es kein Bankraub, kein Einbruch oder manch andere Straftat vermag". Korruption "erschüttert das Vertrauen in die Integrität der öffentlichen Verwaltung, führt zur Aushöhlung des Rechtsstaates und zu einem Verfall ethisch-moralischer Werte. (...) Sie untergräbt die staatliche Einnahmeerhebung. Preisabsprachen treiben die Kosten der Privatwirtschaft in die Höhe und führen zur Verschwendung von Steuergeldern." Dadurch, dass Korruption sich nicht gegen einzelne Opferpersonen richtet, sondern gegen die Allgemeinheit, dass sie auch immaterielle Schäden nach sich zieht, zum Beispiel die Untergrabung der "Geschäftsmoral", fühlt man sich anscheinend in besonderem Maße angegriffen. Émile Durkheims Feststellung von 1895, wonach das Verbrechen in einer Handlung besteht, die "gewisse Kollektivgefühle verletzt" bzw. sie "beleidigt", ist also auch im Fall von Korruption offensichtlich zutreffend. Es werden hierbei anscheinend Normen übertreten, deren Geltung außerordentlich hohe Bedeutung zukommt: "Mit der Korruption wird eine gewaltige kulturelle Eroberung rückgängig gemacht, nämlich die Versachlichung der Beziehungen zwischen Amtsinhabern, Kollegen und Klienten.". In dieser besonders ausgeprägten negativen moralischen Konnotation von Korruption liegt vielleicht mit ein Grund für die im wissenschaftlichen Bereich vorherrschende Dominanz von individuums- und handlungszentrierten Erklärungsansätzen. Wenn Korruptionsfälle analysiert werden, kommen zumeist Motive, Rechtfertigungen und Einstellungen der Täter und Tätergruppen zur Sprache, es wird nach situativen Gelegenheitsstrukturen gefragt, nach Mustern strafrechtlicher Reaktionen oder nach Präventions- und Bekämpfungsstrategien, bestenfalls werden ökonomische oder politische Rahmenbedingungen verglichen. Verursacher der korruptiven moralischen Verfehlung und Adressat einer bessernden Intervention kann, so die offensichtlich vorherrschende Auffassung, nur das selbstverantwortliche Individuum sein. Selten jedoch kommt es zu einer systematischen Analyse des jeweiligen gesellschaftsstrukturellen Kontextes. Um dies im Hinblick auf Korruption leisten zu können, wäre die Soziologie gefragt, bisher hat sich jedoch kaum ein Korruptionsforscher ihrer Instrumente, Methoden oder Theorien bedient. So äußerte der Soziologe Mc Mullan diesbezüglich schon 1961: "Corruption still awaits its Kinsey report" und Smelser konstatierte gegen Ende der 1960er Jahre: "In den letzten zehn oder zwanzig Jahren haben sich Soziologen überhaupt nicht mit Korruption befasst." Dies ist bis heute weitgehend so geblieben, und nach wie vor besitzt die Feststellung von Christian Höffling Gültigkeit, wonach sich die bisherige Korruptionsforschung als "Domäne einer nahezu konkurrenzlos agierenden täterzentrierten und anwendungsorientierten Kriminologie" darstellt. Auch Britta Bannenberg, die 2002 die Ergebnisse einer erstmalig bundesweit durchgeführten empirischen Analyse von Korruptionsfällen veröffentlichte, stellt sich in diese Tradition. Sie wendet sich explizit gegen "rein soziologische Erklärungen" korrupten Verhaltens, weil diese als "unrealistisch" zu gelten hätten und plädiert für einen multifaktoriellen Ansatz. Man habe vom "Wechselspiel der Täterpersönlichkeit mit Gelegenheitsstrukturen" auszugehen, möchte man Korruption adäquat erklären. Sie dementiert sich auf diese Weise zum Teil selbst, denn eines ihrer Forschungsergebnisse besteht in der Erkenntnis, dass der typische Korruptionstäter "auffällig unauffällig" ist, sozial integriert und mit konventionellen Wertvorstellungen ausgestattet, die Täterpersönlichkeit also eher kaum Erklärungskraft für Korruption besitzt. Zwar werden Wirtschaftsstraftäter in der kriminologischen Forschung als überdurchschnittlich stark karriere- und erfolgsorientierte Persönlichkeiten beschrieben. Aber gerade weil Manager zwangsläufig kreativ und flexibel zu agieren haben, sind diese Eigenschaften nicht per se kriminogen, sondern auch für "normale", in legalen Geschäften engagierte Entscheidungsträger üblich. In dieser Arbeit soll daher Korruption weitgehend unter Absehung vom konkreten Täter, seiner Motive und Einstellungen analysiert werden. Der Fokus wird demgegenüber auf Tatumstände und strukturelle Bedingungen für Korruption gerichtet. Die Soziologie, die sich dieses Themas bisher "nur sporadisch" angenommen hat, soll zu ihrem Recht kommen. Mit Hilfe der von ihr zur Verfügung gestellten Begrifflichkeit soll an einem konkreten Korruptionsfall versucht werden, soziale Bedingungen, transpersonale Muster oder auch systemische Eigenrationalitäten von Korruption zu identifizieren, denn vieles spricht dafür, dass es sich bei Korruption nicht immer um abweichendes Verhalten handelt, sondern um eine rationale Anpassungsreaktion unter ganz bestimmten sozialstrukturellen Bedingungen. Um es mit Merton auszudrücken: "Socially deviant behaviour (is) as much a product of social structure as conformist behaviour.". Eine solche These versucht auf keinen Fall, um dies vorab eindeutig zu klären, die Existenz von Korruption in irgendeiner Weise billigend zu rechtfertigen oder die Korruptionstäter von der Verantwortung für ihr Handeln zu entlasten. Es soll hier keine Verharmlosung oder Entschuldigung von Korruption betrieben werden, vielmehr ist von einer Unterscheidung zwischen gesellschaftlicher Verursachung und Schuld auszugehen. Korruptionstäter sind keineswegs fremdgesteuerte 'Reaktionsdeppen', die quasi bewusstlos- strukturdeterminiert irgendwelchen Sachzwängen folgen, sondern sie verletzen gezielt geltendes Recht, sie begehen ihre Taten absichtlich und berechnend und sind deshalb auch zur Verantwortung zu ziehen. Dennoch wird an dieser Stelle davon ausgegangen, dass erst eine Rekonstruktion korruptiven Verhaltens aus seinen politischen und ökonomischen Bedingungen heraus kollektive Zwangslagen und Interessenkonflikte verstehbar machen sowie abweichendes Verhalten und die für den Täter riskante sanktionsbedrohte Normverletzung erklären kann. Gang der Untersuchung: Da Korruption zumeist im sogenannten "Korruptionsdreieck" von Wirtschaft, Verwaltung und Politik auftritt, liegt es nahe, diese Gebiete näher zu betrachten. Unter soziologischen Gesichtspunkten ist also zunächst danach zu fragen, wie diese Bereiche normalerweise funktionieren und was 'schief läuft', wenn es zur Korruption kommt: "Corruption is a symptom that something has gone wrong in the management of the state." Mit der soziologischen Systemtheorie Niklas Luhmanns liegt derzeit ein Theorieangebot vor, das versucht, diese Gebiete von Politik und Wirtschaft systematisch im Kontext einer Gesellschaftstheorie zu analysieren. Sie soll daher zur Anwendung kommen, um darzustellen, welche Strukturen das ausmachen, was gemeinhin unter Wirtschaft und Politik verstanden wird und welche gesellschaftlichen Funktionen diese Bereiche normalerweise erfüllen (Kapitel 2). Erst wenn dies geklärt ist, kann auch Korruption unter strukturell-gesellschaftstheoretischen Aspekten bestimmt werden (Kapitel 2.3). Da die Systemtheorie Politik und Wirtschaft als autonome gesellschaftliche Subsysteme begreift, die einer je eigenen systemischen Logik folgen, soll die Korruption vor allem im Kontext dieser systemischen Rationalitäten betrachtet werden. Es wird danach gefragt, inwieweit die Korruption der Rationalität sozialer Systeme entspricht. Zunächst wird jedoch der Gegenstand der Korruption in der Forschung verortet (Kapitel 1), das heißt, es wird dargestellt, was gemeinhin unter Korruption verstanden wird bzw. wie sie definiert wird (Kapitel 1.1), und welche empirischen Erkenntnisse über Korruption in Deutschland vorhanden sind (Kapitel 1.2). Sodann soll die Frage beantwortet werden, welche kriminologischen Erklärungsansätze zur Korruptionsanalyse in Frage kommen (Kapitel 1.3). Es wird sich dabei zeigen, dass diese theoretischen Ansätze nur sehr bedingt dazu im Stande sind, die strukturellen Aspekte von Korruption zu erfassen. Um die in den ersten beiden Kapiteln erarbeiteten theoretischen Grundlagen anzuwenden, wird schließlich im dritten Kapitel ein konkreter Korruptionsfall aus der jüngsten bundesrepublikanischen Geschichte aufgerollt. Der sogenannte Müllskandal, der Anfang 2002 beträchtliches öffentliches Interesse gefunden hat, bietet sich hierfür an, weil er im Nachhinein durch eine relativ detaillierte journalistische Aufarbeitung gewürdigt wurde. Es steht also, entgegen der üblichen Informationslage bei bekannt gewordenen Korruptionsfällen,20 einiges an Informationsmaterial zur Verfügung, um die Vorgeschichte beziehungsweise den ökonomischen (Kapitel 3.1) und politischen Kontext (Kapitel 3.2) des Skandals aufzurollen. Mit Hilfe einer kurzen Rekonstruktion der korruptiven Ereignisse selbst (Kapitel 3.3) sollen schließlich Selbstverständnisse, Alltagsplausibilitäten sowie die Handlungsmuster der am Müllskandal beteiligten Akteure verdeutlicht werden. Hierdurch wird sich vielleicht zeigen, in welchem Ausmaß oder in welcher Form die Korruption bestimmten Systemrationalitäten entspricht oder ihnen zuwiderläuft. Um es salopp zu formulieren: Gefragt wird also in dieser Arbeit danach, was im Kölner Müllskandal schiefgelaufen ist und dies unter soziologischen, gesellschaftstheoretischen Aspekten. Korruption nicht allein als individuelles Fehlverhalten, sondern auch als Problem der Gesellschaft begreifbar zu machen, darum soll es gehen.
Dieser Beitrag setzt sich mit dem Verhältnis von Schattenwirtschaft und Korruptionauseinander. Es wird insbesondere die Frage untersucht, welche Rolle die Schattenwirtschaftin korrupten Ökonomien spielt. Die Schattenwirtschaft begrenzt letztendlich dieMacht korrupter Institutionen, indem sie Unternehmen eine Ausweichmöglichkeitschafft, und ermöglicht so eine Ausdehnung produktiver Tätigkeiten, die gesamtwirtschaftlichvorteilhaft ist. Der Beitrag untersucht auch, wie sich institutionelle Rahmenbedingungenund Politikmaßnahmen auf Korruption und Schattenwirtschaft auswirken.
Der Verfasser stellt eine Diskrepanz zwischen der aktuellen Häufigkeit von Korruptionsfällen und ihrer sozialwissenschaftlichen Behandlung fest. Die Erklärung dafür sieht er in der Tatsache, dass in einer immer kargeren Welt jenseits der Grenzen des Wachstums der Drang nach immer knapperen Gütern zunehmend zu Handlungen jenseits von Recht und medialer Öffentlichkeit verleitet, die allerdings außerhalb der Reichweite der konventionellen Soziologie bleiben. Eines der zwei besonders korruptionsanfälligen Gesellschaftsfelder ist der staatliche - und kommunale - Bereich von Behörden und Unternehmen sowie von größeren Privatunternehmen. Bezeichnend sind/können sein: im Inneren Verantwortungslosigkeit gegenüber anonymen Eigentümern, straffe Hierarchien und Formalisierung, gepaart mit Chaotik und mangelnden Kontrollen, oft große Dispositionsmacht mit Chancen der Macht- und Einflussmehrung sowie der Bereicherung. Nach Innen und nach Außen wirkende Günstlings- und Privilegienwirtschaft. Bei Regime- oder Systemwechsel von innen wie von außen: radikale, selbstherrliche Umverteilung von Kapital und Besitztum, bis zur Zersetzung und zur Auflösung des Unternehmens oder gar des Staates. Das immense Feld der Korruption zeigt nämlich die gegenwärtige Welt aus der Perspektive eines Zerrspiegels. Und wie eine Untersuchung mit der Welt im Blick eine globale Sicht hat, so sollte auch die Soziologie jedenfalls mit Blick auf die Zerrspiegel-Welt der Korruption mit einer Reihe von Wissenschaften kooperieren. (ICF2)
"Sicherheits- und Verteidigungspolitik gehören zu den korruptionsanfälligsten Sektoren überhaupt. Die in diesem Bereich omnipräsente Korruption ist eine beständige Geißel von Entwicklung und Demokratisierung. Sie verschwendet knappe Ressourcen und reduziert das öffentliche Vertrauen, welches die Bürger der Regierung, den Streitkräften sowie der Polizei entgegenbringen. Nachhaltige Verbesserungen sind nur dann zu erwarten, wenn mehr Staaten und internationale Organisationen robuste Anti-Korruptionsmechanismen einführen und umsetzen, die Rüstungsindustrie sich in internen Compliance-Programmen klar und deutlich zu korruptionsfreien Geschäftsgebaren und -strategien bekennt und die Zivilgesellschaft in weitaus größerem Maße als im Moment die Möglichkeit erhält, mittels erhöhter Transparenz ihrer demokratischen Kontrollfunktion gerecht zu werden." (Autorenreferat)