Die neue IAO-Agenda für eine weltweit menschenwürdige Arbeit hat allerdings weitreichende Implikationen konzeptioneller und institutioneller Art in allen vier strategischen Zielbereichen, die noch längst nicht ausgelotet oder programmatisch umgesetzt worden sind. Im Folgenden geht es um die Skizzierung eben dieser Implikationen und Herausforderungen. Dabei zeigt sich, wie stark diese vier Zielbereiche ineinander greifen. ; 139
Der Beitrag basiert auf einem Festvortrag, mit dem die Konferenz zu Ehren Ute Gerhards eröffnet wurde, und befasst sich mit der Breite des Werks von Ute Gerhard, seinen vielfältigen Facetten und disziplinären Anschlussmöglichkeiten. Die Autorin würdigt das wissenschaftliche Werk von Ute Gerhard und knüpft an zwei ihrer Hauptanliegen an, die Beschäftigung mit Menschenrechten und mit Care (Fürsorge). Dabei wird vor allem heraus gearbeitet, wie unverzichtbar die Anerkennung der Menschenrechte als Frauenrechte für das Gelingen von Demokratie und Freiheit war und ist. Erweitert durch die Frage, wie das Zusammenleben von Menschen in einer durch schwerwiegende Diskrepanzen und vielfältige Konflikte gekennzeichneten, zerklüfteten Welt gestaltet werden kann, stellt der Beitrag Konzeptionen für eine gesellschaftliche Entwicklung vor, in denen Kategorien wie Befähigung, Anerkennung und Anteilnahme bzw. Care zugrunde gelegt sind. Mit Ute Gerhard wird abschließend betont, wie grundlegend und fruchtbar eine feministische Perspektive ist, da sie politischen Gemeinwesen neue Maßstäbe und Denkmöglichkeiten eröffnet und nicht nur eine Beendigung von Abhängigkeit, sondern auch Freiheiten für die Gestaltung des Zusammenlebens zwischen Menschen anstrebt. (ICH2)
Auf dem Weltsozialgipfel von 1995 in Kopenhagen wurden konkrete Verabredungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Welt getroffen, die insbesondere von der "Internationalen Arbeitsorganisation" (ILO) aufgegriffen wurden. An der Universität Bremen fand im Herbst 2004 ein Fachgespräch zwischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus Soziologie, Rechts-, Politik- und Arbeitswissenschaft sowie Praxisexperten der bundesdeutschen politischen Administration und von Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite statt, die an den politischen Prozessen der ILO unmittelbar beteiligt waren oder sind. In diesem fachspezifischen Rundgespräch ging es um die Frage, wie es angesichts neuer globaler Strukturen gelingen kann, politische Gestaltungsräume zu öffnen oder auszufüllen, die sowohl der ökonomischen als auch der menschlichen und sozialen Dimension von Entwicklung dienen. Im vorliegenden Beitrag werden die neuen Herausforderungen für die ILO skizziert und die zentralen Diskussionspunkte zu den Beiträgen des Rundgesprächs referiert. Die Ausführungen zeigen, dass eine ausschließliche Verankerung von Standards in wirtschaftlichen Interdependenzzusammenhängen unzureichend ist, um je vor Ort ein politisches Bewusstsein für die Unabdingbarkeit und Nichtverwirkbarkeit von fundamentalen (Menschen-)Rechten bei der Arbeit zu entwickeln. Die ILO steht demnach vor Herausforderungen grundsätzlicher Art, die keineswegs nur eine alt gewordene internationale Organisation im Arbeits- und Sozialbereich betreffen. Neu zu begründen sind die Fundamente für das Zusammenleben in der einen Welt. (ICA2)
With regard to the debate surrounding current global economic trends and their impact on cross-border economic activities much is heard of the World Trade Organization (WTO), that relatively young organization entrusted with the expansion and regulation of international free trade. It is in this arena that the struggle for the introduction of so-called compulsory social standards takes place. Much less seldom is attention drawn to that other international organi-zation whose mandate and primary task encompasses the establishment of minimum interna-tional standards in the spheres of labour and social policies, the International Labour Organization (ILO). However, it is this organization that actually assumes the crucial role with regard to the emergence of global rules in the area of labour and social policy (global governance). This all the more so since, although international, it is not purely intergovernmental. ; 113
Seit ihrer Gründung im Jahre 1919 ist es der Auftrag der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), besser bekannt unter ihren englischen Initialen ILO, die Arbeits- und Sozialpolitik international zu gestalten. Die IAO entstand im Zusammenhang mit den Friedensverhandlungen am Ende des Ersten Weltkriegs auf der Basis einer Koalition von sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaften und der britischen Regierung. Die Mitglieder der IAO sind Staaten, die in der Organisation sowohl von Vertretern der Regierungen als auch von den im Lande tätigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen repräsentiert werden. Die IAO nimmt ihren Auftrag in drei Aktivitätsformen wahr. Die historisch wichtigste ist die Kodifizierung internationaler Arbeitsstandards, zum einen in Gestalt von zu ratifizierenden Übereinkommen, zum anderen in Gestalt von Empfehlungen an die Mitgliedsländer. Die zweite Aktivitätsform der IAO besteht in technischer Hilfe und Zusammenarbeit, die dritte richtet sich auf Forschung und Aufklärung. Der vorliegende Beitrag beschreibt und erläutert den Stand der Verrechtlichung in der IAO in Bezug auf die Rechtsetzung, die Rechtsprechung sowie die Rechtsdurchsetzung. Abschließend wird diskutiert, inwieweit die IAO ihre Aufgaben mit der verstärkt genutzten Strategie der Befähigung und Hilfestellung durch Strategien der Verrechtlichung verbessern kann. (ICA2)
In der Debatte über aktuelle globale Wirtschaftstrends mit ihrem Bezug auf grenzüberschreitende Wirtschaftsaktivitäten wird häufig auf die relativ junge internationale Organisation, die Welthandelsorganisation (WTO), in der die Freiheit des Welthandels ausgeweitet und reguliert wird, verwiesen. Hier spielte sich auch der Kampf um die Einführung sogenannter obligatorischer Sozialstandards ab. Sehr viel seltener kommt jene internationale Organisation ins Gesichtsfeld, deren Mandat und Primäraufgabe ausdrücklich in der Errichtung von international gültigen Mindeststandards im Arbeits- und Sozialbereich besteht, der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO). Bei der Herausbildung von globalen Regelungen (global governance) in diesem Politikbereich kommt der Internationalen Arbeitsorganisation jedoch eine zentrale Rolle zu, zumal sie zwar zwischenstaatlich, aber nicht rein intergouvernemental ist. ; 106
Die Gründung der UNO und ihrer Sonderorganisationen war noch von den Gedanken getragen, dass dem internationalen und transnationalen Wirtschaftsaustausch Institutionen an die Seite zu stellen seien, in denen die Solidarität mit den vom Austausch Benachteiligten geför-dert werden sollte. Dies war auch die Geschäftsgrundlage für die IAO, sowohl bei ihrer Gründung nach dem Ersten Weltkrieg als auch in der Zeit ihrer Neukonstitution am Ende des Zweiten Weltkriegs, als sie in der Erklärung von Philadelphia Grundprinzipien ihrer Gründungsverfassung bestätigte. ; 103
Wer sich besonders den Menschen in der Arbeitswelt verpflichtet sieht, muss diese Engführung im Blick haben und zugleich jene umfassenden Veränderungen in der Gesellschaft beachten, durch welche die individuellen Ansprüche auf Unabhängigkeit, Risikoabsicherung, Mitgliedschaft und Selbstbestätigung in der Welt der Erwerbsarbeit berührt werden. Im folgenden Abschnitt 2 sollen daher zunächst aktuelle Gesellschaftsprobleme beschrieben werden, die in die Arbeitswelt reichen. Darauf folgend werden im Abschnitt 3 Entwicklungstrends in der Welt der Erwerbsarbeit dargelegt. Im 4. Abschnitt geht es um neuere Anforderungen, die an die Einzelnen in der veränderten Arbeitswelt gestellt sind. Am Ende stehen einige resümierende Überlegungen. ; 88
Der Beitrag versucht, die friedensrelevanten Akteursgruppen und Handlungsfelder zu identifizieren, wobei neben Staaten und innergesellschaftlichen Gruppierungen auch internationale Organisationen zu nennen sind. Dazu zählen sowohl internationale Institutionen als auch die so genannten INGOs. Zunächst wird eine Überblick über die Entwicklung internationaler Organisationen im 20. und 21. Jahrhundert gegeben, bevor ein Blick in die einzelnen Politikfelder geworfen wird, in denen Versuche zur friedenspolitisch relevanten Gestaltung wechselseitig wahrgenommener Abhängigkeiten von Seiten internationaler Institutionen und transnationaler Akteure unternommen werden. Dabei geht es um Sicherheit, Wohlfahrt, Herrschaft und Kultur. Was das Verständnis internationaler Organisationen als Friedensakteure angeht, so zeigt das skizzierte Bild, dass die dynamische Entwicklung der internationalen Organisationen in den Politikfeldern, in denen sie tätig sind, einen Unterschied macht. Die schon jetzt beachtliche Dichte von Transaktionen, Netzwerken, Interaktion und Regulierungen wird sich weiter verstärken und das friedenspolitisch relevante Handeln in der Welt beeinflussen. Dadurch wird die Bedeutung von Staaten als Territorien für politische Gemeinschaften weiter relativiert und stellt die Bürger vor die Aufgabe, politische Institutionen zu ersinnen, zu erproben und weiterzuentwickeln, in denen demokratische Legitimität, Rechenschaftspflicht und Repräsentativität in allen Politikfeldern neu geklärt werden. (ICH)
Die Autorin betrachtet den Strukturwandel der Erwerbsarbeit und die gegenwärtigen Umbrüche in der Arbeitswelt aus feministischer Perspektive. In Anlehnung an Hannah Arendts Theorie des politischen Handelns und unter Rückgriff auf die herausragende Bedeutung, die im Feminismus der Erwerbsarbeit als Quelle von Frauenemanzipation zugesprochen wird, diskutiert sie die gegenwärtigen Visionen und Konzepte der entstehenden Tätigkeitsgesellschaft und fragt nach ihren Implikationen für das Geschlechterverhältnis. Sie beschreibt die Phänomene postfordistischer Entstandardisierung und der Grenzverwischungen zwischen der Erwerbsarbeit und der Alltagswelt außerhalb des Arbeitslebens. Sie diskutiert die Konzeptionen zur gesellschaftlichen Neubewertung von Tätigkeiten sowie die Bedeutung von Erwerbsarbeit im feministischen Projekt. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass nur wenige der vorliegenden Ansätze Fragen fürsorglichen Handelns als bürgerschaftliches Engagement einbeziehen, wie von Feministinnen gesellschaftspolitisch gefordert wird. (ICI)
Zu den großen Veränderungen am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehört der Strukturwandel der Erwerbsarbeit. Grundzüge des ökonomisch-sozialen Entwicklungspfads reifer Industriegesellschaften, das von der französischen Regulations-Schule nach dem Autobauer Henry Ford als Fordismus bezeichnet worden ist, sind im Wandel begriffen. Dieser Wandel wird in der öffentlichen Debatte sowohl analytisch als auch konstruktiv politisch aus verschiedenen Perspektiven thematisiert. Für das feministische Denken stellt der Wandel Fragen seiner politischen Beurteilung, denn lange Zeit richtete sich die Kritik gegen die im Fordismus eingeschriebene Geschlechterhierarchie. Angesichts des fundamentalen Wandels der industriegesellschaftlichen in eine postindustriegesellschaftliche Konfiguration muß sich feministisches Denken in den Debatten über die Ablösung der Arbeitsgesellschaft durch eine Tätigkeitsgesellschaft verorten, also eine Gesellschaft, die – über Erwerbsarbeit hinaus - das gesamte Spektrum menschlicher Tätigkeiten zu würdigen weiß. Dabei ist es unausweichlich, dass sich feministisches Denken noch einmal mit dem Stellenwert auseinandersetzt, den sie der Erwerbsarbeit im feministischen Projekt zugesprochen hat. Die folgenden Überlegungen sollen zu dieser notwendigen Auseinandersetzung beitragen. ; 79
Auf der Grundlage von Befunden aus kommunikativ-qualitativ ausgerichteten Studien wird die Berechtigung der sozialwissenschaftlichen Kritik an posttayloristischen Managementkonzepten (Widerspruch einer verordneten Selbstbestimmung, ökonomische Verwertung der Subjektivität) diskutiert. Erlebnisweisen von Beschäftigten in tayloristischen und posttayloristischen Strukturen werden dargestellt. Zunächst werden die Missachtung der leibgebundenen Existenz, der geistigen Kompetenzen und der personalen Qualitäten unter traditionellen Managementkonzepten sowie die daraus resultierenden Bewältigungsformen seitens der Beschäftigten beschrieben. Anschließend werden neue Erlebnisperspektiven im Rahmen der posttayloristischen Konzeption der Gruppenarbeit (Verantwortung, Anerkennung geistiger Kompetenz, Gruppendynamik, Kooperation) aufgezeigt. Es wird betont, dass die Kritik an neuen Managementkonzepten berechtigt ist, wenn sie Widersprüche zum Ausdruck bringt (etwa Einforderung von Verantwortlichkeit bei Mangel an Handlungsspielraum), dass sie aber falsch ist, wenn sie sich gegen die Einbeziehung personaler Qualitäten im Arbeitsprozess wendet.
Im folgenden Beitrag geht es darum, institutionsstrukturelle Gründe für die Robustheit der IAO und des von ihr getragenen und immer weiter ausgebildeten Systems positiver Regelungen zu erkunden sowie aufzuzeigen, wie die Politik der IAO die gegenwärtige globale Lage und Interessenkonstellation einschätzt und beantwortet. ; 61