Den Eröffnungsvortrag zur Pädagogischen Woche 2003 hielt der ehemalige Niedersächsische Kultusminister Rolf Wernstedt. Er nimmt in seinen Ausführungen das Motto der Woche 'alle lernen anders' auf und fragt nach Lernvorgängen und Entscheidungsprozeduren im politischen Raum. Seine Antwort auf die im Thema gestellte Frage 'Wie lernt die Bildungspolitik?' ist alles andere als optimistisch: 'Leider nie allein durch Argumente und manchmal auch ohne solche. Aber das bekommt ihr schlecht'. Was bedeutet das aber nun für die im Zuge der Umsetzung der Bologna-Erklärung, die eindeutig eine bildungspolitische Erklärung ist, geforderte Umstellung auch der Lehrerausbildung auf konsekutive Studiengänge mit den international üblichen Bachelor- und Master-Abschlüssen? Planungen als Antwort auf die Bologna-Erklärung haben in Oldenburg zwar begonnen. Aber haben sie überhaupt eine realistische Chance - angesichts der politischen Vorgaben -, die weiterhin als reformbedürftig angesehene Lehrerausbildung positiv zu beeinflussen?
In: Bildungspolitik in Föderalstaaten und der Europäischen Union: Does federalism matter? Tagungsband zum Jahrbuch-Autorenworkshop in Tübingen vom 13. bis 15. Oktober 2011., S. 140-152
Finnland war bekanntlich mehrfach "PISA-Sieger", was zu einer kaum mehr überschaubaren Flut von wissenschaftlichen Veröffentlichungen geführt hat und Heerscharen von Bildungspolitikern aus der ganzen Welt in das kleine Land im Norden Europas pilgern ließ. Wenn auch Finnland bekanntlich kein Föderalstaat ist, so ist es trotzdem die territorial ausgerichtete Kompetenzverteilung in der Bildungspolitik, die nach allgemeiner Überzeugung die schulpolitischen Erfolge erklärt, wie der Autor in seinem Beitrag zeigt: Auf zentralstaatlicher Ebene existiert eine verantwortliche Behörde, die die Grundlagen der Schul- und Bildungspolitik bestimmt, auf der lokalen Ebene können die Schulbehörden jedoch über die Lehrpläne und die Organisation autonom entscheiden. Die in Finnland tief verwurzelte kommunale Selbstverwaltung schlägt sich auch in der Bildungs- und Schulpolitik nieder. Das Erfolgsgeheimnis der finnischen Bildungspolitik liege, so der Autor, in dieser Autonomie; darüber hinaus nennt er den in Finnland stark ausgeprägten Zusammenhang zwischen Bildungspolitik und Wohlfahrtsstaat, das hohe Ansehen, das Lehrerinnen und Lehrer als Bedienstete der Kommune in der finnischen Gesellschaft genießen, das pädagogische Modell der Einheitsschule, ein spezifisches Fördermodell und die Verknüpfung von regionaler Entwicklungspolitik mit Bildungsfragen; eine Besonderheit des finnischen Bildungssystems ist laut Autor auch der geringe Migrantenanteil (ca. 2 Prozent). Eine - vor allem aus föderalistischer Perspektive - Besonderheit stellen die Aland-Inseln und ihre vollständige bildungspolitische Autonomie dar. (DIPF/Orig.).
Neuere Veröffentlichungen zur Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland werden kritisch diskutiert. Exemplarisch zeigt eine Publikation der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, dass eine neue Bildungspolitik darauf abzielt, einen Habitus zu erzeugen, in welchem das Subjekt vollkommen verwertet werden kann und diese Verwertbarkeit zu seiner eigenen Angelegenheit macht. Die Reaktionen auf die PISA-Studien zeigen ein vielfältiges Bild, bei dem allerdings der zentrale Befund zur starken sozialen Selektivität des deutschen Bildungsystems zu kurz kommt. Die Studien haben gezeigt, dass für ein Drittel der in Deutschland lebenden jungen Menschen Migration und ethnische Differenz eine entscheidende Erfahrung darstellen. Es wird die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass sich der Staat in einem Prozeß der Deregulierung aus der Verantwortung für die soziale und kulturelle Integration der Gesellshaftsmitglieder zurückziehen und zu massiven Ausgrenzungsprozessen beitragen könnte. (GB)
Ziel dieses Artikels ist es, die wesentlichen bildungspolitischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in Frankreich darzustellen und im Hinblick auf die bildungspolitische Debatte in Deutschland zu bewerten. Die allgemeinen Ziele der Bildungspolitik, z. B. die Anhebung des Bildungsniveaus, die Verwirklichung sozialer Chancengleichheit, die Anpassung an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel sowie ein großer Teil der Herausforderungen an das französische Bildungssystem - etwa die Bildungsexpansion, die Heterogenität der Schüler- und Studentenbevölkerung, die hohe Arbeitslosigkeit sowie steigende Kosten - gelten zum Teil auch für Deutschland. Somit zeigen die in Frankreich ergriffenen Maßnahmen alternative Wege, auf ähnliche Herausforderungen zu reagieren.
Neuere Veröffentlichungen zur Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland werden kritisch diskutiert. Exemplarisch zeigt eine Publikation der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, dass eine neue Bildungspolitik darauf abzielt, einen Habitus zu erzeugen, in welchem das Subjekt vollkommen verwertet werden kann und diese Verwertbarkeit zu seiner eigenen Angelegenheit macht. Die Reaktionen auf die PISA-Studien zeigen ein vielfältiges Bild, bei dem allerdings der zentrale Befund zur starken sozialen Selektivität des deutschen Bildungsystems zu kurz kommt. Die Studien haben gezeigt, dass für ein Drittel der in Deutschland lebenden jungen Menschen Migration und ethnische Differenz eine entscheidende Erfahrung darstellen. Es wird die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass sich der Staat in einem Prozeß der Deregulierung aus der Verantwortung für die soziale und kulturelle Integration der Gesellshaftsmitglieder zurückziehen und zu massiven Ausgrenzungsprozessen beitragen könnte. (GB).
Ziel dieses Artikels ist es, die wesentlichen bildungspolitischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in Frankreich darzustellen und im Hinblick auf die bildungspolitische Debatte in Deutschland zu bewerten. Die allgemeinen Ziele der Bildungspolitik - wie z.B. die Anhebung des Bildungsniveaus, die Verwirklichung sozialer Chancengleichheit, die Anpassung an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel - sowie ein großer Teil der Herausforderungen an das französische Bildungssystem - wie z.B. die Bildungsexpansion, die Heterogenität der Schüler- und Studentenbevölkerung, die hohe Arbeitslosigkeit sowie steigende Kosten - gelten zum Teil auch für Deutschland. Somit zeigen die in Frankreich ergriffenen Maßnahmen alternative Wege, auf ähnliche Herausforderungen zu reagieren. ; The aim of this paper is to present the French experience with respect to education policy in the past few decades and to assess it in the light of the educational debate in Germany. The general objectives of the French education policy, such as the raise of the education level in the population, the reduction of social inequalities, the response to economic and social changes, are largely similar to those prevailing in Germany. The difficulties faced by the education system - such as the educational expansion, the increasing heterogeneity of students, a high unemployment rate and rising costs ? are largely common to both countries as well. Therefore, the policy measures taken by France with respect to educational policy show alternative ways to respond to similar problems.
Der Autor versteht den Begriff "planen" in einem allgemeinen Sinne: die Wirklichkeit gestalten durch Pläne, die eine Reihe von Zielen in eine Zeitfolge einordnen, so dass Fortschritte kalkulierbar und kontrollierbar werden. Der Bildungspolitiker kann demnach durchaus planen, aber erfolgreich offenbar nur in Zeiten einer allgemeinen Expansion, die über den Bildungsbereich hinaus reicht. Dies bestätigen auch die persönlichen Erfahrungen des Autors aus den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen die größte Bildungsexpansion in jüngster Zeit stattgefunden hat. Der Autor stellt zunächst kurz dar, wie die bildungspolitische Landschaft der sechziger und siebziger Jahre aussah und welche Pläne für das Bildungswesen damals entworfen wurden. Danach geht er der Frage nach, welche Erfahrungen man bei der Konkretisierung dieser Pläne - ihrem Gelingen, ihrer halben oder ganzen Realisierung - gemacht hat und was daraus für die Zukunft zu lernen ist. Er thematisiert dabei auch das komplexe Verhältnis von Politik, Verwaltung und Dritter Gewalt (insbesondere Verfassungsgerichtsbarkeit) in der Bundesrepublik Deutschland. (ICI2).
Vor dem Hintergrund des Globalisierungsprozesses auf wirtschaftlicher, politischer und kultureller Ebene wird in Deutschland auch die Bildungspolitik - in Kontinentaleuropa traditionell eine genuin staatliche Aufgabe - verstärkt im internationalen Zusammenhang diskutiert. Welche Inhalte Schülerinnen und Schüler in welcher Zeit und mit welchen didaktischen Methoden lernen, wie die universitäre Bildung strukturiert werden soll oder welche akademischen Abschlüsse in welcher Zeit und mit welchem Grad an internationaler Anerkennung erworben werden können, wird auf politischer Ebene zunehmend im Vergleich zu anderen führenden Industrienationen festgelegt. Weiterhin werden die Dauer der schulischen Ausbildung und das Angebot an möglichen Abschlüssen international angeglichen. Entsprechend kommt es in vielen Bereichen zur Abschaffung nationaler Spezifika und zur länderübergreifenden Angleichung von Bildungsangeboten. Diesen Prozess mit seinen Herausforderungen, Chancen und Problemen sowie die mit ihm einhergehenden bildungspolitischen Maßnahmen werden im vorliegenden Beitrag beschrieben und kommentiert. (ICA2).
Der Autor versteht den Begriff "planen" in einem allgemeinen Sinne: die Wirklichkeit gestalten durch Pläne, die eine Reihe von Zielen in eine Zeitfolge einordnen, so dass Fortschritte kalkulierbar und kontrollierbar werden. Der Bildungspolitiker kann demnach durchaus planen, aber erfolgreich offenbar nur in Zeiten einer allgemeinen Expansion, die über den Bildungsbereich hinaus reicht. Dies bestätigen auch die persönlichen Erfahrungen des Autors aus den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen die größte Bildungsexpansion in jüngster Zeit stattgefunden hat. Der Autor stellt zunächst kurz dar, wie die bildungspolitische Landschaft der sechziger und siebziger Jahre aussah und welche Pläne für das Bildungswesen damals entworfen wurden. Danach geht er der Frage nach, welche Erfahrungen man bei der Konkretisierung dieser Pläne - ihrem Gelingen, ihrer halben oder ganzen Realisierung - gemacht hat und was daraus für die Zukunft zu lernen ist. Er thematisiert dabei auch das komplexe Verhältnis von Politik, Verwaltung und Dritter Gewalt (insbesondere Verfassungsgerichtsbarkeit) in der Bundesrepublik Deutschland. (ICI2)
In: Bildungspolitik in Föderalstaaten und der Europäischen Union: does federalism matter? ; Tagungsband zum Jahrbuch-Autorenworkshop in Tübingen vom 13. bis 15. Oktober 2011, S. 63-77
Die Schweiz ist ein gutes Beispiel für eine stark ausgeprägte Föderalismuskultur und den komplexen Zusammenhang von Föderalismus und Referendumsdemokratie. Sowohl der Bund als auch die Wahlbevölkerung in den Kantonen sind zentrale politische Akteure, die die gesamtstaatliche wie die kantonale Bildungspolitik bestimmen. Die Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 sparte den Bereich Bildung bewusst aus. Erst die Reform von 2006 brachte wichtige Neuerungen in der föderalen Arbeitsteilung zwischen Bund und Kantonen. Vor dem Hintergrund der deutschen Debatte um das sogenannte Kooperationsverbot ist der Bildungsartikel 61a der Schweizerischen Bundesverfassung von besonderem Interesse. Hier wird eine Kooperationspflicht zwischen Bund und Kantonen festgeschrieben. Die Besonderheit ist nicht die allgemeine Verpflichtung zur Zusammenarbeit, sondern die Bestimmung, dass diese Kooperation durch gemeinsame Organe geleistet werden soll. Die Verfasserin zeichnet die Entwicklung vom seit den 1950er Jahren ablaufenden Harmonisierungsprozess bis zur Bildungsreform 2006 nach. Abschließend werden aktueller Zustand und Perspektiven im Grundschulwesen und an den Hochschulen des Landes skizziert. (ICE2)
In: Bildungspolitik in Föderalstaaten und der Europäischen Union: Does federalism matter? Tagungsband zum Jahrbuch-Autorenworkshop in Tübingen vom 13. bis 15. Oktober 2011., S. 63-77
Der Blick der Autorin auf die schweizerische Bildungspolitik zeigt, dass dieses Politikfeld "zutiefst föderalistisch" ist bzw. dass bildungspolitische Fragen föderalistisch aufgeladen werden können. Die Schweiz ist ein gutes Beispiel für eine stark ausgeprägte Föderalismuskultur und zudem ein Exempel für den komplexen Zusammenhang von Föderalismus und Referendumsdemokratie. Sowohl der Bund als auch die Wahlbevölkerung in den Kantonen sind zentrale politische Akteure, die die gesamtstaatliche wie die kantonale Bildungspolitik bestimmen. Die Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 sparte den Bereich Bildung bewusst aus; erst die Reform von 2006 brachte wichtige Neuerungen in der föderalen Arbeitsteilung zwischen Bund und Kantonen. Vor dem Hintergrund der deutschen Debatte um das sogenannte Kooperationsverbot ist der Bildungsartikel 61 a der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) von besonderem Interesse: Hier wird eine Kooperationspflicht zwischen Bund und Kantonen festgeschrieben. Die Besonderheit und, wie die Autorin betont, in seinen langfristigen Auswirkungen noch gar nicht abzusehen, ist nicht die allgemeine Verpflichtung der Zusammenarbeit, sondern die Bestimmung, dass diese Kooperation durch "gemeinsame Organe" geleistet werden soll; eine solche Festschreibung in der Verfassung ist neu und existiert in dieser ausdrücklichen Form bislang nur in der Bildungspolitik. Dass Föderalstaaten zu innovativen Lösungen fähig sind, die auf den ersten Blick wenig föderalistisch anmuten, zeigt ein anderer, neu gefasster Verfassungsartikel - der Art. 62 Abs. 4 BV. Hier wird dem Bund in bildungspolitischen Angelegenheiten eine "bedingte Gesetzgebungskompetenz" zugewiesen. Die konditionierte Bundeskompetenz kommt dann zum Tragen, wenn auf dem Wege der Koordination keine Einigung oder Harmonisierung bei den Themen Schuleintrittsalter, Schulpflicht, Dauer und Ziele der Bildungsstufen sowie Anerkennung von Abschlüssen möglich ist; dann tritt Bern auf den Plan und erlässt, wie es im entsprechenden Verfassungsartikel heißt, die "notwendigen Vorschriften". Dadurch erhöht sich der Druck auf die "harmonisierungsunwilligen Kantone" (Autorin); die Verhandlungen werden gewissermaßen im "Schatten der Hierarchie" (Scharpf) geführt. Was auf den ersten Blick wie ein Ausweg aus der Scharpf'schen "Politikverflechtungs-Falle" aussieht, wirft jedoch, wie die Autorin zeigt, eine Reihe von politischen und rechtlichen Problemen auf. Auch im Bereich der Hochschulpolitik ist in der Schweiz in den vergangenen Jahren durch die Bildungsreform von 2006 einiges in Bewegung geraten. Bund und Kantone übernehmen auf dem Feld der Koordination und Qualitätssicherung in Schweizer Hochschulen gemeinsam die politische Verantwortung. Auch hier gilt, dass Bern eingreifen kann, wenn die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen zu keinen Ergebnissen führt. Diese weit reichenden Möglichkeiten der Bundesebene, in entsprechenden Fällen hierarchisch einzugreifen, werden Beobachter der deutschen Hochschulpolitik und Befürworter der Abschaffung des Kooperationsverbots mit Interesse zur Kenntnis nehmen. (DIPF/Orig.).
Obwohl die gesellschaftliche Relevanz der Bildungspolitik unbestritten ist, steht sie als klassische Länderaufgabe im Schatten bundespolitischer Themen. Angesichts der Tatsache, dass im Kompetenzstreit mit dem Bund sich die Länder immer wieder auf das Grundgesetz berufen, werden die relevanten Verfassungsänderungen analysiert. Die Schulpolitik der Länder mit ihren gesetzlichen Grundlagen sowie die Aufgaben der Ständigen Konferenz der Kulturminister werden dargestellt. Ähnlich wie im Bereich der Schulpolitik verfügte der Bund über keine Kompetenzen bezüglich des Hochschulwesens. Erst durch die Verfassungsreform von 1969 hat er das Recht zur Rahmengesetzgebung im Hochschulbereich sowie ein Mitwirkungsrecht bei den Gemeinschaftsaufgaben im Hochschulbau, der Bildungsplanung und der überregionalen Forschungsförderung erhalten. In diesem Kontext werden die einzelnen Kompetenzverschiebungen sowohl zu Gunsten des Bundes als auch der Länder herausgearbeitet und die Auswirkungen der europäischen Integration untersucht. (ICG2). Die Untersuchung enthält quantitative Daten.