In: Perspektiven der Unionsgrundordnung: gewidmet Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dimitris Th. Tsatsos zu seinem 75. Geburtstag ; Erträge des Symposiums des Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften an der FernUniversität in Hagen am 4. Mai 2008, S. 107-123
Der Vortrag ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Identitätsbegriff, soweit dieser als kategoriales Raster zur Beurteilung der Verarbeitungsprozesse sozialer Realität bei Jugendlichen benutzt wird. Den Ausgangspunkt bildet eine kurze Kritik des Identitätsbildungskonzepts von Erikson, das aufgrund seiner Ausrichtung an Anpassungsprozessen als affirmativ dargestellt wird. Eriksons Bestimmung der Technologie als übergreifende sinnstiftende Ideologie wird insofern als anachronistisch und destruktiv abqualifiziert, als diese gerade die Bruchlinie von Identitätsbildungsprozessen zum Anknüpfungspunkt der zentralen Aufgabe bei der Herausbildung von Ich-Identität der Jugendlichen (Synthetisierung gesellschaftlicher Widersprüche) erklärt. Identitätskonzepte - auch in ihrer negativen Variante (Identitätskrise) - werden insgesamt als problematisch erachtet, da davon ausgegangen wird, daß der 'bewegte' Teil der Jugendlichen aufgrund einer Chaotisierung der Subjektivität im Zuge widersprüchlicher Anforderungsstrukturen eher versucht, seine Zerrissenheit und Vielfalt zu leben, als eine einheitliche Verarbeitungsform, die wiederum Anpassungsdruck erzeugen würde, zu suchen. (MB)
Der Beitrag expliziert die Bedeutungskomponenten des Begriffs "nationales Identitätsbewußtsein" analytisch und in einigen historischen Bezügen. Kennzeichnend ist, dass die nationale Identität nicht teilbar ist. Der Begriff ist gleichzeitig ein Konstrukt, ohne jedoch eine Fiktion zu sein. Bei der Konstitution einer nationalen Identität werden gewisse Elemente hervorgehoben, die Kohärenz garantieren; andere werden ausgegrenzt und verdrängt. Das Identitätskonstrukt auf nationaler Ebene dient insgesamt dazu, sich von anderen nationalen Großverbänden zu unterscheiden, aber nur soweit, dass Interaktionen mit anderen Völkern weiter möglich bleiben. Für das deutsche Geschichts- und Selbstverständnis sind die späte nationale Einigung (These von der "verspäteten Nation") und die starken Brüche seit 1870 kennzeichnend. Das Deutsche Reich von 1870 bedeutete das Ende Preußens, die Weimarer Republik das Ende des Reiches, das Dritte Reich die Negation der Republik. Dies alles hat das Konzept der Nation für die Deutschen mehr oder weniger diskreditiert. (ICA)
In dem Beitrag wird der Versuch unternommen, die Konzepte "Identität", "Identitätsbewußtsein", "Selbstkonzept" und "Selbstwertgefühl" zu spezifizieren und einen allgemeinen Ansatz zu einer Erklärung des Wandels von Identität zu formulieren. Der Autor geht auf soziologische und sozialpsychologische Identitätstheorien ein (Mead, Goffman, Krappmann), kritisiert diese dem symbolischen Interaktionismus zuzurechnenden Ansätze und stellt Ansätze der Selbstkonzeptforschung vor. Insbesondere Ansätze der Selbstkonzeptforschung, die den Schwerpunkt auf die Informationsverarbeitung legen, sieht er als theoretisch verheißungsvoll an. Nach diesem Überblick entwirft er selbst eine Identitätstheorie unter Bezugnahme auf die Wert-Erwartungs-Theorie (SEU-Theorie). Aus dieser Perspektive werden wiederholt erfolgreiche Sequenzen von Handlungen zu relativ dauerhaften Reaktionsmustern. Diese von den Individuen wahrgenommenen und kategorisierten Reaktionsmuster werden als "Identitäten" bezeichnet. Der Autor zeigt, wie mit dieser Sichtweise verschiedene soziologische Identitäts-Konzepte und sozialpsychologische Annahmen von "habits" und "traits" und "traits" theoretisch integriert werden können. (PF)
´In dem Beitrag wird der Versuch unternommen, die Konzepte "Identität", "Identitätsbewußtsein", "Selbstkonzept" und "Selbstwertgefühl" zu spezifizieren und einen allgemeinen Ansatz zu einer Erklärung des Wandels von Identität zu formulieren. Der Autor geht auf soziologische und sozialpsychologische Identitätstheorien ein (Mead, Goffman, Krappmann), kritisiert diese dem symbolischen Interaktionismus zuzurechnenden Ansätze und stellt Ansätze der Selbstkonzeptforschung vor. Insbesondere Ansätze der Selbstkonzeptforschung, die den Schwerpunkt auf die Informationsverarbeitung legen, sieht er als theoretisch verheißungsvoll an. Nach diesem Überblick entwirft er selbst eine Identitätstheorie unter Bezugnahme auf die Wert-Erwartungs-Theorie (SEU-Theorie). Aus dieser Perspektive werden wiederholt erfolgreiche Sequenzen von Handlungen zu relativ dauerhaften Reaktionsmustern. Diese von den Individuen wahrgenommenen und kategorisierten Reaktionsmuster werden als "Identitäten" bezeichnet. Der Autor zeigt, wie mit dieser Sichtweise verschiedene soziologische Identitäts-Konzepte und sozialpsychologische Annahmen von "habits" und "traits" und "traits" theoretisch integriert werden können. (PF)
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des Projektes "Modernisierung im ländlichen Bereich", welches vor allem auf einer Feldstudie im Burgenland (Österreich) aufbaut. Hier befaßt sich der Autor mit dem Problem der peripheren Identität. Er definiert zunächst die Begriffe "Identität" und "Peripherie" und geht dann auf das Verhältnis von lokaler Gesellschaft, Modernisierung und Identität ein. An einem empirischen Beispiel aus der Fallstudie wird die Entwicklung der lokalen Identität der Ortschaften Oslip und Steinbrunn-Zillingtal im Burgenland erörtert und auf die Bedeutung, die die Sprache (hier: Kroatisch und Deutsch) für die Identität hat, eingegangen. Dann wird das Problem der peripheren Identität erörtert, wobei zwei Grundformen von Reaktionen auf periphere (d.h. abhängige) Lagen festgestellt werden: Protest und Unterwerfung. Diese beiden Reaktionsformen werden diskutiert im Hinblick auf ethnische Minderheiten und deren Sprachgebrauch. Sprachliche Assimilation bedeutet auch Wechsel der Identität, da mit Sprache immer auch eine spezifische bestimmbare Identität verbunden ist. (pag)
Der Beitrag thematisiert den Zusammenhang zwischen politischer Identität und Medien aus einer demokratie-relevanten Perspektive. Am Beispiel der Revolution als zentrales Moment der Moderne zeichnet er die Entwicklung des engen Zusammenhangs zwischen politischer Öffentlichkeit und nationalstaatlichem politischen Geltungsbereich von Identität in der europäischen Moderne nach. Aktuell ist hier ein Öffentlichkeits- und damit einhergehend ein Identitäts- und Legitimationsdefizit im Rahmen der Europäischen Union zu diagnostizieren. Offen ist damit die Frage, welche Perspektiven für politische Identitätsbildung in und jenseits nationalstaatlicher Grenzen bestehen. Nur wenn es gelingt, die unübersehbaren retardierenden Tendenzen durch eine Föderalisierung Europas im Rahmen einer europäischen politischen Öffentlichkeit zurückzudrängen, kann sich ein Ordnungskonstrukt etablieren, das den Nationalstaat nicht verdrängt, aber transzendiert und dadurch entschärft. (ICH)
"Es gibt zwei unversöhnlich zueinander stehende historische Kontinuitätskerne der Selbstbeschreibung in Ost und West: die ostdeutsche Verklärung der Erfahrungswelt DDR und das westdeutsche Desinteresse gegenüber der Ausbildung einer historischen Fundamentierung einer gesamtdeutschen Identität. Die deutsche Identität bleibt auch in absehbarer Zukunft gespalten. Erstens aufgrund der divergierenden Erfahrungswelten in Ost und West. Zweitens drohen soziale Einstellungsdifferenzen eine weitere Spaltung deutscher Identität zu verursachen: Während eine national-europäisch ausgeformte Identität zunehmend als Privileg der Bildungselite erscheint, mehren sich gleichzeitig die Anzeichen einer Korrelation national-regionaler Identitätsmuster in der historischen Selbstbeschreibung der weniger Gebildeten. 'Hinzu treten ausgeprägte Differenzen zwischen den generationenspezifischen Befindlichkeiten innerhalb der divergierenden Erfahrungswelten.' Die Ausbildung einer homogenen, gesamtdeutsch orientierten Identität wird davon abhängen, ob es gelingt, die Diktaturerfahrungen der Ostdeutschen in eine gesamtdeutsche Geschichtskultur zu integrieren." (Autorenreferat)
Der Beitrag stellt ausgehend von der politischen Identität und der Rolle der kulturellen Unterschiede "Projektidentität" und Zugehörigkeit als die zwei Säulen einer europäischen Identität vor. Neben den nachfolgenden sieben Dimensionen einer europäischen Projektidentität wird die wohlfahrtsstaatliche Identität der Europäischen Union besonders hervorgehoben: Die Analyse der grundlegenden Verträge der Europäischen Union in Verbindung mit den Debatten ihres Entstehungsprozesses und ihre Auslegung durch die Kommission, besonders die Verträge von Maastricht (1993) und Amsterdam (1997) in Verbindung mit dem Verfassungsentwurf von 2004, manifestieren in deutlicher Form, dass die Projektidentität der europäischen Identität im Wesentlichen über sieben unterscheidbare Dimensionen verfügt. Die EU versteht sich als (1) eine liberale-, rechtsstaatliche Demokratie auf der Basis der universellen Grundrechte; (2) eine partizipative Demokratie ihrer Bürgerinnen und Bürger; (3) eine Mehr-Ebenen Demokratie auf Grundlage des Prinzips der Subsidiarität; (4) ein sozialer Raum auf der Basis universeller, sozialer und ökonomischer Grundrechte; (5) ein kulturell vielfältiges Gemeinwesen, (6) eine zivile Weltmacht bzw. Zivilmacht und (7) ein politisches Gemeinwesen, das sich zur Äquivalenz der internen und externen Dimension seiner Grundwerte und politischen Ziele bekennt. Diese Dimensionen markieren den wesentlichen Kern der in den gültigen Vertragstexten niedergelegten "Projekt-Identität" der EU. (ICA2)
Die Verfasserin setzt sich einleitend mit dem Wandel kollektiver Identitäten im Zuge des Globalisierungsprozesses auseinander und weist auf Besonderheiten nationaler Identitätsbildung in Deutschland hin. Vor diesem Hintergrund werden unterschiedliche Indikatoren kollektiver Identität bei jungen Deutschen untersucht: emotionale Bindungen an Deutschland und EU, Nationalstolz, Stolz auf kollektive Güter sowie Nationalismus und Verfassungspatriotismus als Spielarten des Nationalbewusstseins. Die Verfasserin fragt nach Zusammenhängen von emotionalen Bindungen und Nationalbewusstsein sowie nach Verbindungen zwischen nationalistischen und verfassungspatriotischen Haltungen einerseits und sonstigen politischen Orientierungen junger Deutscher andererseits. Hier zeigt sich, dass eine nationalistische Orientierung auch bei jungen Deutschen die Kehrseite der nationalen Identität bildet. (ICE).
Die Verfasserin setzt sich einleitend mit dem Wandel kollektiver Identitäten im Zuge des Globalisierungsprozesses auseinander und weist auf Besonderheiten nationaler Identitätsbildung in Deutschland hin. Vor diesem Hintergrund werden unterschiedliche Indikatoren kollektiver Identität bei jungen Deutschen untersucht: emotionale Bindungen an Deutschland und EU, Nationalstolz, Stolz auf kollektive Güter sowie Nationalismus und Verfassungspatriotismus als Spielarten des Nationalbewusstseins. Die Verfasserin fragt nach Zusammenhängen von emotionalen Bindungen und Nationalbewusstsein sowie nach Verbindungen zwischen nationalistischen und verfassungspatriotischen Haltungen einerseits und sonstigen politischen Orientierungen junger Deutscher andererseits. Hier zeigt sich, dass eine nationalistische Orientierung auch bei jungen Deutschen die Kehrseite der nationalen Identität bildet. (ICE)
Vor dem Hintergrund widersprüchlicher Entwicklungen in Bezug auf nationale Identität wird gefragt, wie bei der 'Wiedervereinigungsgeneration' in Ost- und Westdeutschland die Bindungen an Deutschland als Nation und an die Europäische Union als supranationales Kollektiv aussehen und wie sie sich im Lauf der 1990er Jahre verändert haben. Die empirische Grundlage bilden die Jugendsurveys von 1992 und 1997 des Deutschen Jugendinstituts e.V. (DJI). In einer Trendanalyse wird untersucht, in welchem Maß das Nationalbewusstsein der Jugendlichen und jungen Erwachsenen eher nationalistisch oder eher verfassungspatriotisch geprägt ist und welche politischen Orientierungen diese Formen von Nationalbewusstsein mit sich bringen. Dabei zeigen sich 1997 bei ost- und westdeutschen jungen Menschen gleichermaßen teilweise Anzeichen einer 'Re-Nationalisierung und -Ethnisierung'. Diese gehen aber mit Fremdenfeindlichkeit und dem Wunsch nach autoritärer Staatsführung einher und zeigen somit nur die Kehrseite nationaler Identität auf. (IAB)
Der Autor thematisiert den engen Zusammenhang von politischer Öffentlichkeit und nationalstaatlicher Identität. Im ersten Teil seines Beitrags geht er auf die Revolution als zentrales Moment der Moderne ein und zeigt, wie sich in den erfolgreichen und gescheiterten Revolutionen an der Schwelle zur und in der so genannten "Ersten Moderne" die Verschränkung des nationalstaatlichen politischen Geltungsbereichs mit einer politischen Öffentlichkeit vollzog. Im zweiten Teil untersucht er, in welchen Situationen diese Verschränkung innerhalb der Moderne besonders aktualisiert und reproduziert wird und auf welche Akteure dies zurückgeführt werden kann. Der Prozess der Öffnung und Schließung, durch den die nationalstaatliche Verschränkung von politischem Geltungsbereich und politischer Öffentlichkeit gekennzeichnet ist, vollzieht sich vor allem in Krisenzeiten der Moderne und wird durch soziale Bewegungen angestoßen. Im dritten Teil geht der Autor der Frage nach, welche Probleme sich für diese Verschränkung in der so genannten "Zweiten Moderne" stellen und wie sich eine neue Balance zwischen Öffnung und Schließung mit und jenseits des nationalstaatlichen Korsetts politischer Identität entwickeln kann. (ICI2)
Die Europäische Union ist durch die fortschreitende Integration und den vorerst gescheiterten Ratifizierungsprozess des Verfassungsvertrages in eine kritische Entwicklungsphase gelangt, in der die Frage nach einer gemeinsamen europäischen Identität immer stärker in den Mittelpunkt rückt. Dabei wird ein strukturelles Demokratie- und Öffentlichkeitsdefizit häufig mit dem Fehlen eines europäischen Identitätskollektivs in Zusammenhang gebracht. Die konkreten Möglichkeiten der europäischen Parteiorganisationen, als Multiplikatoren von Identität und Identifikation zu wirken, sind jedoch bisher nicht hinreichend untersucht worden. Vor diesem Hintergrund geht der vorliegende Beitrag der Frage nach, ob und in welcher Weise die europäischen Parteiorganisationen die Herausbildung einer europäischen Identität befördern können, d.h. welches Potenzial sie besitzen, um die Identifikation mit dem politischen System der Europäischen Union zu erhöhen und dessen Legitimität zu steigern. Der Autor bezieht sich in Beantwortung dieser Frage auf demokratietheoretische Konzeptionen und weitere Ansätze zur Konstruktion kollektiver Identitäten. (ICI2)
Soziologische Aspekte der Identitätsbildung bei Personen werden diskutiert. Identitätsbildung ist das Resultat eines Vorgangs, bei dem Personen sich selbst identifizieren. In philosophisch-anthropologischer Sicht wird die Identität vor allem über die Differenz Mensch/Tier bzw. Mensch/Natur fokussiert. In soziologischer Sicht wird der Zusammenhang zwischen Selbstidentifikationsmöglichkeiten, sozialen Lagen von Personen, semantischen Traditionen und gesellschaftsstrukturellen Wandlungsprozessen thematisiert. Im Mittelpunkt stehen die gesellschaftsstrukturellen Bedingungen für die Ausbildung persönlicher Identitäten im Rahmen Luhmanns Theorie der evolutionären Stufen primärer gesellschaftlicher Differenzierung. Die Folgen moderner Identitätsbildung sowohl für persönliche als auch für kollektive Identitäten werden angesprochen. (GB)