This article provides an overview of the topic of the pandemic from the perspective of criminal law theory and practice in Germany. First of all, the major criminal offences of bodily injury and murder are discussed in the context of infecting a person with the Coronavirus and the (possible) consequences of having Covid-19, such as risk of death. The dilemmatic situation of triage, i.e., allocating limited intensive care resources, is illustrated in relation to the same offences. Then, the more specific crimes that came to the fore in the course of the pandemic are addressed. Subsidy fraud due to the state aids intended to compensate for the financial damage in the marketplace because of pandemic-related measures, and issuance or use of incorrect health certificates for exemption from the obligation to wear a face mask fall within this scope. Finally, the administrative offences law of the German Infection Protection Act was discussed, primarily with regard to regulations that violate the principle of legal certainty. ; Henning Lorenz: henning.lorenz@jura.uni-halle.de ; Engin Turhan: engin_turhan@windowslive.com ; Henning Lorenz is a PhD Candidate and an Assistant at the Department of Criminal Law, Criminal Procedure Law and Medical Law, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Germany. ; Engin Turhan is a PhD Candidate and an Assistant at the Department of Criminal Law, Criminal Procedure Law and Medical Law, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Germany. ; Henning Lorenz - Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Germany ; Engin Turhan - Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Germany ; Ast S., Quieta non movere? 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Der Schwerpunkt der Arbeit basiert auf einer retrospektiven Betrachtung des seit Jahrzehnten in Italien etablierten komplexen Beziehungsnetzwerkes zwischen Medien und Politik. Von seinen Anfängen im 19. Jh. bis einschließlich Mitte September 2006 werden die Konsequenzen dieser medienpolitischen Interdependenzen analysiert und kritisch hinterfragt. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der seit dem letzten Jahrzehnt virulent geführten Debatte über den Einfluss des italienischen Medienmoguls und Spitzenpolitikers Silvio Berlusconi auf die mediale Politikberichterstattung Italiens. Die vorhandenen Sprachbarrieren machen es allerdings oft nicht leicht, die Komplexität der italienischen Medien- und Politiklandschaft zu verstehen. Bei oberflächlicher Betrachtung kann dies rasch zu Fehleinschätzungen und -interpretationen führen, die in der gegenwärtigen Studie korrigiert werden. Neben einer fundierten Analyse der existierenden Fachliteratur zur Entwicklung der italienischen Massenmedien gründet die Studie auf einer detaillierten Berücksichtigung journalistischer Publikationen unterschiedlicher italienischer Tageszeitungen. Bei diesem literature review werden insgesamt 335 italienischsprachige Quellen berücksichtigt, von denen 128 Fachpublikationen sind. Mehrheitlich handelt es sich um soziologische, politik- und kommunikationswissenschaftliche Veröffentlichungen aus den vergangenen 15 Jahren. In Form eines chronologisch-deskriptiven Überblicks wird vor allem die Entwicklung des italienischen Fernsehsektors seit seiner Einführung 1954 bis zur Gegenwart nachgezeichnet. In diesem Kontext wird der Aufstieg Berlusconis zum Medienmogul und zum zweimaligen Ministerpräsidenten Italiens vor dem gesellschaftspolitischen Hintergrund skizziert und mit Interpretationen der italienischen Vergangenheit und Gegenwart abgeglichen. Dies erklärt letztlich auch die Herausbildung des Medienmonopols von Silvio Berlusconi und dessen Instrumentalisierungsversuche der Medien für seine politischen Zwecke. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil beinhaltet eine historisch-deskriptive Darstellung der seit Jahrzehnten bestehenden symbiotischen Verquickung von Medien und Politik in Italien (Kap. 1 bis 7). Hierbei finden politische, ökonomische, soziale und rechtliche Aspekte Berücksichtigung. Zudem stehen die unterschiedlichen Akteure des Mediensektors wie politische Parteien, Politiker, Journalisten, Medienunternehmen, Wähler sowie die katholische Kirche im Zentrum der Arbeit. Zum besseren Verständnis werden sie nicht isoliert, sondern in ihren vielfältigen Wechselwirkungen betrachtet. Da Berlusconi in den vergangenen vier italienischen Parlamentswahlen stets der Anwärter auf das Präsidentschaftsamt des Mitte-Rechts-Lagers war, werden die relevanten medienpolitischen Aspekte aller vier Wahlen zusammengefasst und erstmalig zueinander in Beziehung gesetzt. Im zweiten Teil werden Perspektiven für ein zukünftiges Forschungsvorhaben präsentiert, um die Qualität italienischer Hauptabendnachrichten in Bezug auf ihren tendenziösen Charakter zum Vor- bzw. Nachteil politischer Akteure bestimmen zu können (Kap. 8). Auf Basis des identifizierten Forschungsdefizits italienischer Studien wird ein idealtypisches Analysekonzept für künftige Studien entwickelt, das auf der empirischen Methode der Inhaltsanalyse beruht. Ein exemplarisch vorgestelltes Forschungsdesign soll dazu beitragen, zukünftig Erkenntnisse über die Qualität der politischen Fernsehberichterstattung in Italien gewinnen zu können. Dies erfolgt unter Rückgriff auf die kommunikationswissenschaftlichen Theorien: gatekeeper-, agendasetting-, framing-, bias-Ansatz und instrumentelle Aktualisierung. Das Ziel der Arbeit ist es, das Wechselspiel und die Einflussversuche unterschiedlicher Akteure des italienischen Mediensektors in ihrem historischen Kontext darzustellen. Hierbei interessieren vor allem die zentralen Konfliktfelder und Entwicklungslinien, die im Rahmen der medienpolitischen Verflechtungen Italiens zu konstatieren sind. Mittels eines umfassenden reviews der italienischen Literatur sollen die vorhandenen Sprachbarrieren überwunden und der deutschsprachigen Leserschaft gezielt soziopolitische Zusammenhänge des modernen italienischen Journalismus und seiner historischen Entwicklung zugänglich gemacht werden. Ein weiteres Ziel besteht darin, den Kenntnisstand über italienische Studien zum engen Netzwerk aus Medien und Politik zu erhöhen. Insgesamt wird eine systematische Aufarbeitung der medienpolitischen Charakteristika Italiens sowohl aus inländischer als auch aus ausländischer Sicht geliefert. ; The controversy about the role of the mass media in Italy's political landscape has generated a heated debate among the academia, the media, intellectuals, journalists, politicians, the church, and civil society alike. By the turn of the new millennium, there has been an increasing public concern about who is doing what, when and how regarding the role of the mass media and political entrepreneurs in shaping public opinion about crucial issues that directly affect the life of the citizenry. On both sides of the Atlantic the role of the media has set path breaking and innovative approaches in motion for handling major political events such as elections, assessing the general performance of the ruling party and even acting as watchdogs on the moral character of leaders and party functionaries. Especially in Italy, where media manipulation and spin-doctoring have pervaded the socio-political and economic fabric, news reporting has assumed dimensions that are now being questioned by the wider society. People all around the world have a suspicious view on the potential influence of Silvio Berlusconi- media on Italian politics and at the same time of his politics on the Italian media. This is partly due to the information they are exposed to by the media itself. The news reporting of the international press scene is characterized by a certain kind of "hysteria" concerning the assumed influence on Italian voters by the majority of Italian media being controlled by one person: Silvio Berlusconi. Especially the greed of the yellow press for sensational reporting lets the danger of manipulating political news reporting appear immediate. Most of the time this reporting manner is quite different from the accounts given by the high quality press which normally uses a trenchant, but less emotional and therefore more fact-centred news reporting style. The role of ex-Prime Minister Silvio Berlusconi as a powerful media tycoon and political leader of the Italian right wing offers a concrete case for explaining the main features of the Italian media system. This paper sets forth to investigate the interlocking role between mass media and politics in Italy. The core agenda of the work delineates the historical development of the media sector from its beginning in the early 19th century to the present. Furthermore, some of the key controversies such as views on certain conflict-riddled issues, and the respective positions taken by influential actors, as well as views and opinions held by renowned experts on the field are presented in a systematic way. About 335 Italian publications are thoroughly reviewed to offer access to the German academic community. This review has revealed some deficit as evidenced by relatively low attention paid to qualitative research methods in a field traditionally over flooded with quantitative empirical techniques and approaches. As a result, based on the current standard of knowledge of state-of-the-art there exits a deficit regarding the systematic and scientific investigation of the close confines between mass media and politics in Italy that takes qualitative characteristics into account. Future research agenda should therefore place more emphasis on qualitative factors. Consequently, it has become imperative to level the research terrain with supplementary approaches, so as to ensure some degree of balance and complementarity among existing theories and approaches for analysing the crucial interface between mass media and politics. By applying content analysis as a standard methodology in the social sciences a contribution to the above mentioned research deficit is made by presenting a theoretical concept for a profound future case study on the quality of news reporting on Italian television. The theoretical and methodological proposals put forward in this particular study are meant to stimulate future research. All this calls for a bi-national collaboration between German and Italian mass media communication scientists. The objective is to provide more insight about the need to incorporate extensive comparative analysis in the scientific domains of mass communication and politics.
Given the vast amount of policy discourse claiming that participation of local communities is a condition for sustainable forest management, this research aims at understanding how local actors actually perceive - and interact with - their communally owned forests. Without predetermining whether there will be participation at local levels or predefining what participation should be like at this level, we have selected six communes in the French and Swiss Alps. The selection criteria were that they have a substantial part of their territory covered with communally owned mountain forests and that they tend to have multiple forest-related uses. Besides country and region based institutional variation of the region selected (between the French Haute-Savoie and the Swiss cantons of Valais and Vaud), we chose communes with varying socio-economic and land-use contexts, as well as according to demographic trends and the relative importance of the primary (farming and forestry), secondary or tertiary sectors (mostly tourism). Based on sixty-five semi-structured interviews, we first analyze local actors' perceptions of the communal forests so as to crystallize different forest values and forest related conflicts. We estimate the relative importance of these values and conflicts, comparing results between the communes, and between categories of actors, based on their occupation, their age and their gender. Describing twenty collective agency processes, we develop a typology based on who takes part, why and how. Then we compare these processes in their capacity to either reproduce or change social structures and their relative dependency or autonomy from state authorities. After exploring the background of the concept of "participation" in democratic theory and in natural resources and forest policy making, we focus on micro-level social interactions and collective agency in communal forests. While taking a Grounded Theory approach for generating propositions based on a systematic qualitative interview analysis, we use insights from Anthony Giddens' structuration theory, as well as from Michel Crozier's strategic analytical methodology. We complement these with additional social theory concepts needed to address the cultural and ecological aspects of local social interactions with forests. Interpreting our results, we find that local social interactions and collective agency processes in relation with communal forests are correlated with various local actors' values and with many of their expressed multiple land-use conflicts, but that they generally do not address forestry related conflicts. We notice important variations in perceived conflicts, values, and in the involvement of the actors according to their occupation, gender, age, and relationship with authorities. These findings provide insights about the power relations structuring local interaction systems. The grounded analysis of these variations leads us to distinguish an important cultural, economic, and political conflict line between urban and rural representations of the communal forest (livelihood versus quality of life), as well as between urban and rural strategies in local forest-related agency (local autonomy versus state control). Our research finds a strong relationship between the historical consolidation of state-led forestry institutions and concomitant erosion of common property institutions, and the impact of modernization on the place-making capacity of local actors interacting with their forest. The result of this research is a set of propositions regarding local agency in communal forests and local actors' engagement in forestry, in the Swiss and French alpine region. These findings provide a better understanding of the local dimensions of participation in forestry. ; Lokales Handeln in Gemeindewäldern der Französischen und Schweizer Alpen Ausgehend der großen Anzahl von Literatur, die behauptet, dass die Partizipation von lokalen Gemeinschaften eine Bedingung für nachhaltiges Waldmanagement darstellt, versucht diese Studie zu verstehen, wie lokale Akteure ihren Gemeindewald tatsächlich wahrnehmen und dafür tätig werden. Ohne Partizipation auf lokaler Ebene vorauszusetzen und ohne vorwegzunehmen wie eine solche Partizipation aussehen sollte, haben wir sechs Gemeinden der Schweizer und der Französischen Alpen ausgewählt. Auswahlkriterien waren dabei, dass ein erheblicher Teil des Gemeindeterritoriums aus gemeindeeigenem Bergwald besteht und dass dieser Wald auf vielfache Art und Weise genutzt wird. Die Gemeinden liegen in unterschiedlichen Ländern und Regionen (Haute-Savoie in Frankreich sowie die Kantone Waadt und Wallis in der Schweiz) und zeichnen sich durch unterschiedliche sozio-ökonomische, demographischen und Landnutzungscharakteristiken aus. Die theoretische Basis unserer Forschung baut auf sozialen Handlungstheorien auf. Partizipation wird als kollektives Handeln verstanden, wobei zwei oder mehr soziale Akteure zusammen im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel handeln. In der theoretischen Auseinandersetzung mit der Problemstellung fragen wir zunächst nach dem Hintergrund des Konzepts der "Partizipation" in der Demokratietheorie und konzentrierten uns dann auf den Gebrauch dieses Konzepts in der Formulierung von politischen Inhalten, die sich auf das nachhaltige Resourcenmanagement und die Waldwirtschaft beziehen. Bei unserer Betrachtung der Bedeutung, die Partizipation für lokale Akteure in Bezug auf ihren Gemeindewald hat, konzentrieren wir uns auf Theorien, die Partizipation als ein soziales Interaktionsphänomen betrachten - insbesondere beziehen wir uns auf Anthony Giddens Strukturationstheorie, auf Michel Croziers strategisch-analytische Methodologie sowie auf Lewis Cosers soziale Konflikttheorie. Um eine induktive Analyse durchführen zu können, benutzen wir die so genannte "grounded theory" von Barney Glaser und Anselm Strauss. Mit Hilfe dieses theoretischen und methodologischen Rahmens wird eine systematische Analyse von 65 qualitativen Interviews durchgeführt, mit dem Ziel, induktiv Thesen zu generieren (anstatt Hypothesen zu testen). Die offene qualitative Interviewmethode erlaubt es uns, zu verstehen, was die lokalen Akteure über ihren Gemeindebergwald und seine Verwaltung zu sagen haben, aber auch, weshalb sie entsprechende Überlegungen tätigen. Zunächst wurden die Wahrnehmungen und Wertungen analysiert, die die lokalen Akteure bezogen auf ihren Kommunalwald haben. Unterschiedliche waldbezogene Konflikte und Waldwertschätzungen werden dargestellt und bezüglich ihrer Bedeutung für die verschiedenen lokalen Akteure eingeschätzt. Schließlich wurden 21 kollektive Handlungsprozesse in den sechs Gemeinden analysiert und in einer Typologie systematisiert, die auf den Zielen und den gemeinsamen Strategien, auf den Machtverhältnissen zwischen den Agenten und den Behörden sowie auf der Tendenz, soziale Strukturen zu verändern oder zu reproduzieren, aufbaut. Dabei zeigt sich, dass die Akteure, die hauptberuflich im Wald tätig sind, mehr Konflikte äußern als diejenigen, die im tertiären und sekundären Sektor arbeiten. Frauen, Jugendliche und Menschen, die im tertiären und sekundären Sektor beschäftigt sind, äußern demgegenüber mehr Wertschätzungen des Waldes. Erbschaftsbezogene Werte ("patrimonial values") - die neben dem Eigentumswert, für die Interviewten, mit lokaler Holzarchitektur und - handwerk, mit über Generationen vermittelten lokalem Wissen, und mit kollektiver und persönlicher Identität zu tun haben, erscheinen besonders prägend für die lokale Bevölkerung zu sein. Diese Werte motivieren auch einen großen Teil der waldbezogenen Interaktionen. Die verstehende ("grounded") Analyse dieser Unterschiede deutet auf eine wichtige kulturelle, ökonomische und politische Konfliktlinie zwischen städtischen und ländlichen Wahrnehmungen der Gemeindewälder sowie zwischen städtischen und ländlichen Präferenzen und Strategien. Ländliche Interessen sind auf Lebenserhaltung, während städtische Interessen auf soziale Integration konzentriert sind. Die Ersteren suchen insbesondere, ihre Autonomie über die lokalen Waldressourcen zu bewahren. Die städtischen Akteure hingegen sehen den Wald als einen öffentlichen Raum, dessen Management sie fraglos an Forstexperten delegieren, solange sie freien Zugang zum Wald haben und der Wald relativ unverändert weiter besteht. Wir beobachten auch einen wichtigen Konflikt zwischen den Waldarbeitern und den Bauern, insbesondere bezüglich der Waldflächen, die über Weiden wachsen und bezüglich der Nutzung von Forst- und Landschaftsstraßen. Unter anderem schließen wir aus den empirischen Erhebungen, dass Partizipation im Management von Gemeindewald mit der internationalen Forstpolitik kaum im Einklang steht. In den Gemeinden, wo der Wald ein wichtiger Teil des Territoriums einnimmt und noch eine ökonomische Bedeutung hat, finden wir lokale waldbezogene Institutionen, deren Ziel es ist, eine gewisse Kontrolle über die Ressourcen der Gemeinde zu haben. Es scheint, dass die Gemeinden, in denen die meisten Waldwertschätzungen gefunden wurden, auch oft die sind, die recht viele Konflikte aufweisen und dass dies auch die Gemeinden mit den meisten kollektiven waldbezogenen Interaktionen sind. Es zeigt sich, dass Wertschätzung des Waldes und Konflikte Interaktionen fördern und dass solche Interaktionen auch wertbildend sind. Wir schließen unsere Arbeit mit Vorschlägen, die zum Ziel haben, das Engagement der lokalen Akteure für die Gemeindewälder und für die Waldwirtschaft zu stärken.
Mit der vorliegenden Dissertation wird erstmals ein zeitlich umfassender Überblick über die touristische Verlagskartographie in der DDR gegeben. Als "Leitverlag" steht der Landkartenverlag bzw. Tourist Verlag im Mittelpunkt der Arbeit, dessen Geschichte zugleich den Untersuchungszeitraum 1945–1994 vorgibt. Darüber hinaus werden weitere Verlage, kartographische Betriebe und Institutionen betrachtet, die im Osten Deutschlands mit der Herstellung und Herausgabe von touristischen Karten befasst waren. Das halbe Jahrhundert ostdeutscher Verlagsgeschichte lässt sich in fünf inhaltlich abgrenzbare Entwicklungsphasen einteilen. Phase 1 (1945–1952) war gekennzeichnet durch eine von der Besatzungsmacht UdSSR überwachte und im Aufbau befindliche Verlagslandschaft. In jenen Jahren gelang es nur dem von Kurt Schaffmann gegründeten Landkartenverlag, eine volle Sortimentsbreite touristischer Karten (Stadtpläne, Wanderkarten, Verkehrskarten) aufzubauen, jedoch vorerst noch regional eingeschränkt. In Phase 2 (1953–1965) wurde durch die Verstaatlichung von Verlagen und der sich anschließenden Konzentration der Herausgabe die Grundlage für ein staatlich kontrolliertes Verlagswesen geschaffen. Dabei war zugleich die Sortimentsvielzahl zugunsten einer klar formulierten Programmstruktur aufgegeben worden. Für Phase 3 (1966–1976) war die Herstellung und Herausgabe eines komplett neuen Verlagsprogramms prägend. Vorausgegangen waren Beratungen in Moskau und Ost-Berlin, die zu verschärften Sicherheitsmaßnahmen im Kartenwesen führten. Fortan wurden alle für die Öffentlichkeit bestimmten Karten nur noch mit verzerrten Maßstäben produziert. Phase 4 (1977–1989) beinhaltet die Tätigkeit des VEB Tourist Verlag Berlin/Leipzig, der neben Karten nun auch für touristische Literatur verantwortlich zeichnete. Bis auf Koeditionen mit Verlagen benachbarter sozialistischer Staaten stagnierte die Kartenherausgabe, denn zunehmend wurden Kapazitäten durch den Devisen bringenden Kartographieexport in die BRD gebunden. In der Phase 5 (1990–1994) gelang es dem Tourist Verlag nicht, eine gefestigte Stellung in der gesamtdeutschen Marktwirtschaft zu erringen. Durch den Verkauf seitens der Treuhandanstalt an J. Fink – Kümmerly + Frey ließ sich das Schicksal nur um wenige Jahre hinauszögern; am Ende stand die Liquidation des traditionsreichen Unternehmens. Damit wird zugleich der Schlusspunkt der Betrachtungen fixiert. Im Laufe ihrer Geschichte war die ostdeutsche Verlagskartographie verschiedensten Restriktionen unterworfen. Zensur in Form sogenannter Genehmigungsverfahren, Bevormundung durch staatliche Anleitung und Kontrolle sowie die Sicherheitsdoktrin der sowje-tischen Führungsriege gaben den Rahmen vor, in dem Karten für die Öffentlichkeit entstehen konnten. Seit Mitte der 1960er Jahre führte die ausschließliche Verwendung von verzerrten Kartengrundlagen zu Erzeugnissen, in denen das Ermitteln von exakten Streckenlängen unmöglich wurde. Zusammen mit diversen Tarnmaßnahmen für Grenzgebiete, Militärobjekte und Industrieanlagen sowie weiteren Manipulationen des Karteninhalts, entstand ein von Fachleuten und Nutzern oft kritisiertes Verlagsprogramm. Während in den ersten Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch zahlreiche Stadtpläne in den Handel gelangten, wurde ab Mitte der 1960er Jahre nur noch eine eingeschränkte Anzahl von Orten mit adäquatem Kartenmaterial bedacht. Zudem sind die Erzeugnisse fortan mit sogenannten "gleitenden Maßstäben" erstellt worden. Die Pläne genügten für die grobe Orientierung, touristischer Inhalt war sorgsam eingearbeitet. Als Ausgangsmaterial für Wander- und Touristenkarten in verschiedenen Maßstäben diente ab 1966 die von der staatlichen Kartographie eigens zur Verfügung gestellte, verzerrte Übersichtskarte im Maßstab 1 : 200 000. Fuß- und Radwanderer bekamen die daraus resultierenden Auswirkungen am meisten zu spüren. Da auch das Kartenbild recht grob war, genoss diese Kartengruppe einen allgemein schlechten Ruf. Bei den Verkehrskarten haben sich die Verzerrungen umso weniger bemerkbar gemacht, je länger die zu fahrenden Strecken waren. Wegen ihres Detailreichtums wurden die Karten sogar im Ausland geschätzt – Mairs Geographischer Verlag aus Stuttgart hatte die "Reise- und Verkehrskarte" in seine international bekannte Reihe der "Generalkarten" integriert. Somit ist insbesondere den touristischen Karten, die zwischen 1965 und 1989 produziert worden sind, eine unzureichende Note zu attestieren. Die differenzierte Betrachtung des Gesamtzeitraumes zeigt aber auch, dass Pauschalurteile über die touristische Kartographie in der DDR nicht angemessen sind. ; This doctoral dissertation provides the first general overview of tourist-oriented cartography publishing in the GDR. The thesis centres on the "Landkartenverlag" or "Tourist Verlag" as the "lead publishing houses", investigating their history from 1945 until 1994. Additionally, light is shed on other publishers, cartographic companies and institutions that were involved in the production and publication of tourist maps in Eastern Germany. Half a century of East German publishing history can be divided into five phases of development, defined according to content. Phase 1 (1945–1952) was characterized by a publishing landscape under the supervision of the occupying power, the USSR. In those years only the publishing house "Landkartenverlag" established by Kurt Schaffmann in Berlin managed to build up a full range of tourist maps (city maps, hiking maps, road maps), but which was regionally limited at the time. In Phase 2 (1953–1965), the nationalization of publishing houses and the subsequent concentration of publication created the basis for state-controlled publishing. At the same time, the variety of publications was given up in favour of a clearly formulated programme. Phase 3 (1966–1976) was defined by the production and publication of a completely new publishing catalogue. This was preceded by consultations in Moscow and East Berlin, which led to tightened security measures in cartography. From this point forward, all maps intended for the public were produced only with distorted scales. Phase 4 (1977–1989) includes the activities of the publishing house "Tourist Verlag" in Berlin and Leipzig, which, in addition to maps, also became responsible for travel literature. Except for collaborative editions with publishers of the neighbouring socialist states Poland and Czechoslovakia, map publication stagnated. This was due to the fact that their capacities were increasingly focused on lucrative cartography exports to the FRG. In Phase 5 (1990–1994), the "Tourist Verlag" was not able to achieve a stable position in the then-unified German market economy. With the state trust company's sale to the West German publishing house "J. Fink –Kümmerly + Frey", its fate could only be delayed for a few years. Finally, the company, with its rich tradition in the GDR, was liquidated. The end point of the present study aligns with the conclusion of its history. Throughout its history, East German publishing cartography has been subject to various restrictions. Censorship in the form of so-called approval procedures, patronage by state guidance and control, and the security doctrine of the Soviet leadership set the conditions in which maps could be made available to the public. Since the mid-1960s, the exclusive use of distorted maps has led to products in which it is not possible to measure exact track lengths. Together with various camouflage methods for state border areas, military objects and industrial facilities, as well as further manipulation of the content, the publishing programme became the target of frequent criticism from experts and users. While in the first years after the end of the Second World War many city maps were still introduced into the market, from the mid-1960s forward adequate map material was provided only for a limited number of cities. In addition, the products were from then on produced with so-called "sliding scales". The maps were sufficient for approximate orientation, but tourist content was carefully incorporated. Hiking and biking maps in different scales (from 1: 30,000 to 1: 120,000) were based on a distorted general map of state cartography from 1966, which was provided on a scale of 1: 200,000. Pedestrians and cyclists were most likely to feel the resulting negative effects. Because the map image was also quite rough, this group of maps had a generally poor reputation. In the case of road maps, the distortions became less noticeable the longer the distances to be travelled. Because of their wealth of detail, the maps were even appreciated abroad – the publishing house "Mairs Geographischer Verlag" from Stuttgart had integrated the "Reise- und Verkehrskarte" (travel and traffic map with a scale of 1: 200,000) into its internationally renowned series of the "Generalkarte". Thus, the tourist maps in particular, produced between 1965 and 1989, attest to an insufficient grade. However, a differentiated view of the entire period also shows that generalized assessments of tourist cartography in the GDR are not appropriate.
Einleitung: 'Die Mehrkosten für erneuerbare Energien von heute sind gesicherte Energie, vermiedene Umweltschäden und niedrige Energiekosten von morgen.' Nicht nur seitens der Wissenschaft, sondern auch der Politik werden die derzeit bestehenden Strukturen, gründend auf einer zentralistischen Energieversorgung mit fossilen Brennstoffen, angezweifelt. Deshalb erscheint es offensichtlich, dass in naher Zukunft fundamentale Veränderungen vorgenommen werden im Hinblick auf eine umweltbewusstere Handlungsweise. Aus diesem Grund ist es unbedingt notwendig, die Energiepolitik so zu gestalten, dass im Rahmen des energiepolitischen Dreiecks neben der Gewährleistung der Umweltverträglichkeit auch noch die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten bleiben. Es ist allerdings ungewiss, ob die Versorgungssicherheit langfristig garantiert werden kann, da manche fossile Energieträger (Erdöl, Erdgas, Kohle) in nur wenigen und zum Teil politisch unsicheren Regionen vorkommen. Darüber hinaus ist die Gewährleistung eines gemeinsamen Zugangs zu Rohstoffquellen für alle Wettbewerber eine politische Herausforderung. Um diesem und anderen Risiken entgegenzuwirken, versucht man den Anteil der erneuerbaren Energieträger am gesamten Primär-Energieverbrauch auszubauen. Die künftige Entwicklung der einzelnen erneuerbaren Energieträger hängt davon ab, ob ordnungspolitische und andere Maßnahmen es möglich machen, eine wettbewerbskonforme Marktdurchdringung zu erreichen. Aus Gründen des Klimaschutzes ist eine wirtschaftliche Förderung von erneuerbaren Energien zu empfehlen. Fraglich ist jedoch, inwieweit alle erneuerbaren Ressourcen eine ökonomisch tragfähige Energieversorgung künftig sicherstellen können. Im Mittelpunkt der Analyse stehen folgende Forschungsfragen: Wie wird die bevorstehende Entwicklung ausgewählter fossiler Brennstoffe und erneuerbarer Energieträger aussehen? Mithilfe welcher energiepolitischen Rahmenbedingungen, Instrumente und Maßnahmen ist diese Entwicklung zu steuern, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen? Bevor die aufgeworfenen Fragen beantwortet werden können, sind die einzelnen Energieträger erst einmal ihrer Art nach zu differenzieren. In den Blickpunkt rücken die fossilen Energieträger, wobei der Hinweis von Aufschluss ist, dass Uran zwar nicht dazu gehört, aber ebenso wenig ein regenerativer Energieträger ist, womit Uran unter den Energieträgern eine Sonderstellung einnimmt. Danach sind die erneuerbaren Energieträger zu beleuchten. Um einen theoretischen Einblick in die Energiepolitik zu gewinnen, wird diese zu definieren sein, was eine Beschäftigung mit deren Zielen, Rahmenbedingungen, Instrumenten und Maßnahmen mit einschließt. Die Bewertung der ausgewählten Instrumente wird ebenfalls Gegenstand der Debatte sein. Daraufhin ist die dominierende Rolle der fossilen Brennstoffe im Allgemeinen und des Erdöls im Besonderen zu erörtern. Abgesehen von der Darstellung der Kosten und Preise als auch der Nutzung des Erdöls in Deutschland, ist ein erstes Fazit in Hinblick auf Problematik und künftige Entwicklung zu ziehen. Es folgt die Windenergie, die wie das Erdöl nach ähnlichen Gesichtspunkten unter die Lupe zu nehmen sein wird. Anzumerken bleibt, dass aufgrund der mangelnden Detailrecherche in Bezug auf jede einzelne Energiequelle der Anspruch auf eine allumfassende Betrachtung entfallen muss. Dann ist die europäische Energiepolitik samt ihren Strategien, Zielen und Maßnahmen zu skizzieren und zwar nicht alleine im Rahmen der globalen Klimapolitik, sondern ebenso im Fokus des Kyoto-Protokolls. Den Abschluss bildet eine kritische Betrachtung der Energieversorgung im Spannungsfeld von politischen Vorgaben und unternehmerischen Zielen.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Abbildungsverzeichnis4 Tabellenverzeichnis5 Abkürzungsverzeichnis6 1.Einleitung7 1.1Zielsetzung und Fragestellung der Arbeit7 1.2Aufbau der Arbeit8 2.Begriffsabgrenzung9 2.1Fossile / nicht regenerative Energien und Atomkraft9 2.1.1Erdöl9 2.1.2Erdgas10 2.1.3Kohle11 2.1.4Atomkraft12 2.2Erneuerbare / regenerative Energien13 2.2.1Windenergie14 2.2.2Sonnenenergie15 2.2.3Wasserenergie16 2.2.4Meeresenergie18 2.2.5Geothermie18 2.2.6Bioenergie19 3.Allgemeine Grundlagen der Energiepolitik20 3.1Ziele der Energiepolitik20 3.2Rahmenbedingungen für den Einsatz von energiepolitischen Instrumenten23 3.3Instrumente der Energiepolitik25 3.3.1Monetäre Instrumente27 3.3.1.1Ausschreibungsmodelle28 3.3.1.2Einspeisevergütungen29 3.3.1.3Quotenmodelle ohne und mit Zertifikationshandel30 3.3.1.4Ökologische Finanzreformen32 3.3.1.5Förderung fossiler Energien mit verringerten Emissionen34 3.3.1.6Investitionskostenzuschüsse für Privathaushalte34 3.3.1.7Vergünstigte Darlehen für gewerbliche Investoren35 3.3.1.8Das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) als Modell36 3.3.2Ordnungsrechtliche Instrumente36 3.3.3Flankierende Maßnahmen37 3.3.4Bewertung ausgewählter Förderinstrumente38 4.Dominanz fossiler Energieträger am Beispiel von Erdöl43 4.1Globale Erdölreserven / Ressourcen und deren Verteilung43 4.2Gewinnungskosten sowie Preisbildung und -entwicklung des Erdöls45 4.3Abhängigkeit des Industriestaates Deutschland vom Erdöl49 4.4Zukünftige Entwicklung und Probleme der weltweiten Erdölförderung51 5.Chance für erneuerbare Energien am Beispiel von Windenergie52 5.1Nutzung der Windenergie in Deutschland52 5.2Stromgestehungs-Kosten und Preisentwicklung für Windenergie54 5.3Zukünftige Entwicklung und Probleme der Windenergie-Nutzung56 6.Europäische Energiepolitik im Rahmen der internationalen Klimapolitik59 6.1Internationale Klimapolitik59 6.2Europäische Energie-(Außen)politik61 6.3Anforderungen an die künftige Energiepolitik64 7.Ökonomische Realität im Konflikt zu energiepolitischen Ambitionen66 8.Fazit69 Anhang71 Literaturverzeichnis75Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.3.1.4, Ökologische Finanzreformen: Unter der ökologischen Finanzreform ist eine umweltorientierte Umstrukturierung des Finanzsystems zu verstehen. Im Fokus der ökologischen Finanzreformen stehen die Finanzbeziehungen zwischen Bürger und Staat, die unter Beachtung von Nachhaltigkeitskriterien realisiert werden. Die Einnahmen des Staates resultieren hauptsächlich aus der Besteuerung von nicht regenerativen Energien. Zusätzlich gilt es, ökologisch kontraproduktive Subventionen zu reduzieren bzw. umzuschichten und parallel dazu die Abgaben und Beiträge gemäß der ökologischen Ziele und Vorgaben zu gestalten. Zu den Ausgaben des Staates gehören die Unterstützung von Wirtschaftssektoren oder bestimmter Unternehmen, Subventionierung der Forschung, Transfers an private Haushalte, die unter Umständen geprüft werden und neu auszurichten sind. Umwelt-bezogene Ausrichtung staatlicher Programme und Ausgaben stellen eine wichtige Komponente der ökologischen Ausgabereform dar. Im Folgenden wird näher auf die genannten Aspekte einzugehen sein. 1. Internalisierung externer Kosten bei fossiler Energie: Um ein nachhaltiges, globales Energiesystem zu schaffen, bedarf es einer Internalisierung externer Effekte der fossilen und nuklearen Energiekette von der Förderung bis zur Nutzung. In der Praxis jedoch erweist sich das Herbeiführen der geforderten Internalisierung als schwierig. Denn die fossilen und nuklearen Energieträger sind bezogen auf deren Brutto-Abnahmepreis günstiger als regenerative Energiequellen, deren externe Effekte wesentlich geringer ausfallen. Dies schafft Nachteile für den Wettbewerb erneuerbarer Energiequellen. Um für alle Energiearten weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, muss eine absolute Internalisierung externer Kosten stattfinden. Erst dann sind erneuerbare Energiequellen rentabler als ihre bisherigen konventionellen Konkurrenten. Die ökologische Steuerreform trägt einen wichtigen Beitrag zur Klimaschutz-Politik bei. Losgelöst von den gesellschaftlichen Klassen schafft sie Anreize für einen effizienten Umgang mit Energie. Die Kernaussage lautet: Wer Umweltkosten verursacht, soll für diese aufkommen. Betroffen von der Steuerreform sind sowohl Privathaushalte als auch Wirtschaft durch höhere Energie-, Strom- und Kraftstoffkosten. 2. Ökologische Auswirkung durch die Besteuerung nicht regenerativer Energie: Die Besteuerung fossiler Brennstoffe bewirkt deren Verteuerung, was bei unveränderten Marktbedingungen die Nachfrage zurückgehen lässt. Folge ist das Ausweichen auf andere Energieträger. Darüber hinaus werden Anreize geschaffen, was die Effizienz erneuerbarer Energie im Allgemeinen sowie ihre daran gekoppelte technologische Entwicklung im Besonderen steigert. 3. Subventionsabbau für fossile Energie: Mit dem Abbau von umweltschädigenden Subventionen lassen sich die drei Faktoren der Nachhaltigkeit optimal verbinden: • 'Die Ökologie, weil ein ökologisch kontraproduktives Verhalten nicht mehr weiter finanziell unterstützt wird. • Die Ökonomie, weil durch den Staat herbeigeführte Verzerrungen der Marktaktivitäten vermieden werden. • Das Soziale, weil durch die Einsparung von öffentlichen Haushaltsmitteln ein sozial sinnvoller Einsatz gewährleistet werden kann.' Trotz der zahlreichen volkswirtschaftlichen Vorteile, die der Abbau von Subventionen mit sich bringt, stößt man auf große Widerstände, da Subventionen in der Regel verteilungspolitische Auswirkungen haben. Deshalb werden die betroffenen Branchen versuchen, die aus ihrer Sicht betrachtet 'bremsende Reform' der Subventionspolitik zu umgehen. Um diese Blockaden zu minimieren, empfiehlt sich eine zeitlich gestaffelte Einführung der Reform, um den Beteiligten genügend Zeit zu geben, sich an die neue Situation anzupassen. 3.3.1.5, Förderung fossiler Energien mit verringerten Emissionen: Aktuell ist die Wirtschaft noch immer auf fossile Energien angewiesen. Nur die Deckung des entstehenden Versorgungsbedarfs durch erneuerbare Energien wird daran etwas ändern können. Damit einerseits die Versorgung gesichert ist und andererseits die Abhängigkeit von fossiler Energie zurückgeht, sind zwei Gesichtspunkte zu beachten: Erstens müssen Neuinvestitionen in fossile Energien gegen Null gefahren werden und zweitens müssen die im fossilen Bereich, unter sozioökonomischen Gesichtspunkten gesehen, unverzichtbaren Investitionen geringere Emissionswerte verursachen als bisher und sich darüber hinaus in eine flexible Infrastruktur einfügen. Der Ausbau von Anlagen, die noch vorübergehend mit fossilen Energieträgern betrieben werden, sollte eine spätere Umstellung auf erneuerbare Energien möglich machen. Beispielsweise kann eine Anlage zunächst mit Erdgas und danach mit Biogas gefüttert werden. 3.3.1.6, Investitionskostenzuschüsse für Privathaushalte: Investitionskostenzuschüsse sind Anreize für den Ausbau von Anlagen, dabei verpflichten sie nicht zur Rückzahlung, weshalb sie als 'verlorene Zuschüsse' bezeichnet werden. Die Höhe der Zuschüsse hängt vom Investitionsvolumen oder von der technischen Größe wie der installierten Leistung ab, beispielsweise bei solarthermischen Anlagen von der Fläche der Kollektoren. Bisweilen ergehen sie auch in Form von Festbeträgen. An die Zuschüsse ist ferner die etwaige Erlassung von Schulden geknüpft, die im Rahmen einer Darlehensfinanzierung von Anlagen über das Marktanreiz-Programm des Bundes angeboten wird. Private Haushalte haben mit Investitionszuschüssen bereits positive Erfahrungen gemacht. Ein besonders wichtiger Aspekt bei dieser Art von Förderung ist die staatliche Befürwortung und Unterstützung der Eigeninitiative der Haushalte. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Anreiz für die Teilnahme auch von privater Seite. 3.3.1.7, Vergünstigte Darlehen für gewerbliche Investoren: Diese Maßnahme richtet sich primär an gewerbliche Investoren mit hohem Bedarf an Fremdkapital beispielsweise zur Errichtung von Windparks. Die Vergünstigung des Darlehens ist ein Instrument, um das aufgenommene Kapital billiger zu machen, was niedrigere Zinsen, längere Laufzeit der Kredite oder eine bessere Tilgungsart bedeutet. Private Kreditinstitute vergeben die Darlehen, wobei sie ihrerseits auf günstige Refinanzierungsmöglichkeiten von öffentlichen Banken wie beispielsweise der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) zurückgreifen. In der Regel wird erst durch Bürgschaften der Zugang zur Fremdfinanzierung ermöglicht, womit die Banken parallel Maßnahmen zur Kapitalverbilligung fördern. Je nach Programm ist die Finanzierungsquote recht unterschiedlich. Bei den Marktanreiz-Programmen des Bundes oder dem '100.000 Dächer-Solarstromprogramm' können die durch die Investitionen entstandenen Kosten bis zu 100% finanziert werden. Im Gegensatz dazu liegt die Finanzierungsquote beim Darlehensprogramm der KFW niedriger. Ein Investor sollte seinerseits über einen soliden Eigenkapitalanteil von 30-50 % verfügen. 3.3.1.8, Das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) als Modell: Ein weiteres in Deutschland entwickeltes und taugliches Instrument zur Förderung von Strom aus regenerativer Energie ist das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG). Das Gesetz ermöglicht die Übertragung des wirtschaftlichen Risikos und dient als eine Vorfinanzierung von Ökostrom. Damit wird eine Investition in die Gewinnung regenerativer Energie etwa in Form von kleinen photovoltaischen Anlagen auf dem Hausdach für Privathaushalte bis hin zum großen Windpark für Gewerbetreibende finanziell attraktiv. Darüber hinaus beabsichtigt das Gesetz die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien im Hinblick auf Klima und Umweltschutz. Das EEG ist am 29. März 2000 in Kraft getreten. Dieser ökonomische Anreiz hat sich im EU-Vergleich als ein besonders effizientes Instrument zum Ausbau der erneuerbaren Energien erwiesen. Die Funktionsweise des Instruments lautet: 'Mindestpreisregelung mit Pflicht der nächstgelegenen Netzbetreiber zur Aufnahme und Vergütung des Stroms aus erneuerbaren Energien; Weiterleitung der Vergütungen an Übertragungsnetzbetreiber (Hochspannungsnetze) mit Pflicht zum bundesweiten Ausgleich der unterschiedlichen Belastungen.' Auf diese Weise wird eine Verteilung von bundesweit regional unterschiedlichen Belastungen bewirkt. Hierdurch erhöhen sich die Strom-Bezugskosten für Endverbraucher derzeit um durchschnittlich rund 0,05 Cent pro kWh. Bei den Mindestvergütungen an die Einspeiser wird die Höhe der Vergütung unterschieden nach den Sparten der grünen Energien, nach Größe der Anlagen und bei Windenergie nach dem Windstandort.
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Am Mittwochnachmittag überreichen die EFI-Wissenschaftsweisen ihr Jahresgutachten an Bundeskanzler Scholz. Der EFI-Vorsitzende Uwe Cantner spricht im Interview über den transformationspolitischen "Schlingerkurs" der Ampel, Deutschlands Bildungskrise und den Rückstand bei der KI-Entwicklung, die Öffnung zur Militärforschung – und was die Regierung trotz allem richtig macht.
Uwe Cantner, 63, ist seit Mai 2019 Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). An der Universität Jena hat er eine Professur für VWL/Mikroökonomie, seit 2014 ist er Vizepräsident seiner Universität. Foto: David Ausserhofer.
Herr Cantner, wenn Sie nach der Überreichung des neuen EFI-Jahresgutachtens eine Minute allein hätten mit Olaf Scholz, was würden Sie ihm raten?
Meine wichtigste Botschaft an den Bundeskanzler wäre: Trotz aller Riesenaufgaben von der Verteidigungs- über die Sicherheits- bis hin zur Klimapolitik dürfen Forschung und Innovation auf keinen Fall unter die Räder der immer schärferen Budgetkonkurrenz geraten. Und dann würde ich ihm ein paar Vorschläge machen, wie sich die Bearbeitung der unterschiedlichen Herausforderungen geschickt mit einer gut ausfinanzierten F&E-Politik kombinieren ließe.
Alle wissen doch, dass sich die großen Probleme von heute und morgen nur mithilfe der Wissenschaft lösen lassen. Warum glauben Sie trotzdem, dass so eine Warnung nötig ist?
Weil wir die Transformation unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft hin zur Klimaneutralität und damit auch die nötige Forschung und Entwicklung jetzt durchführen und finanzieren müssen, die Erträge aber erst weit nach den nächsten Wahlen sichtbar werden. Da ist es politisch opportuner, große Investitionsprogramme für die Bundeswehr zu beschließen oder Konjunkturstimuli, die schnell wirken. Wir dürfen über dem kurzfristig Drängendem nicht das langfristig Erforderliche aus den Augen verlieren.
Sie sagen es selbst: Politiker wollen Wahlen gewinnen, anstatt sie jetzt zu verlieren und in 15 Jahren Recht gehabt zu haben.
Dieser Gegensatz ist nicht zwangsläufig. Es ist durchaus möglich, Verantwortung für heute und für die Zukunft zu übernehmen. Also Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, die schnell helfen, mit ihren Auswirkungen aber der nächste Generation zu Gute kommen. Natürlich muss ich so einen langfristigen Plan den Wählerinnen und Wählern unbedingt erklären, sie dafür gewinnen. Die Grünen versuchen das meiner Meinung nach zurzeit am ehesten.
Und bekommen entsprechend Gegenwind. Sagen Sie mir bitte, wann eine Regierung das zuletzt so gehandhabt hat und dann erfolgreich bei Wahlen war.
(lange Pause) Bei der Wiedervereinigung, beim Aufbau Ost, da hat es funktioniert.
Den Eindruck hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vermutlich nicht, als er von Demonstranten mit Eiern beworfen wurde.
Proteste wird es immer geben, wenn sich Dinge ändern. Aber Kohl ist 1994 wiedergewählt worden. Und er hat das sehr geschickt angestellt mit seinem Versprechen, in zehn Jahren werde es im Osten "blühende Landschaften" geben. Bis die da waren, hat es zwar – im Nachhinein betrachtet – deutlich länger gedauert, aber er hat es mit diesem Narrativ geschafft, die Leute hinter sich zu bringen. Mehr noch: Er hat einen parteiübergreifenden Konsens in der Politik hergestellt, der ziemlich lange gehalten hat. Man hat das zusammen durchgezogen. So lange, bis wichtige Weichen gestellt waren. Ein bisschen von diesem Geist würde ich mir heute wünschen. Zuerst hatte ich den Eindruck, der Ampel-Koalitionsvertrag, der sehr ambitioniert war, wäre ein Signal für einen solchen gemeinsamen Aufbruch. Aber in der Praxis der drei Parteien prallen die Ideologien aufeinander. Und in der Wahrnehmung der Wähler verlieren alle Koalitionspartner – und extreme Kräfte bekommen Aufwind.
"Jeden Tag wird eine andere Technologie durchs Dorf getrieben, die abgelöst oder besonders gefördert werden soll. Die Politik generiert keine Ziele, sondern Unsicherheit."
Ist es nicht erwartbar, dass bei einer Transformationsaufgabe dieser Größe die Fetzen fliegen?
Ich habe nichts dagegen, wenn über die Maßnahmen gestritten wird: Steuererhöhung, Steuersenkung, Subventionsabbau, Gebote und Verbote, solche Dinge. Das Problem ist, wenn darüber die gemeinsamen Ziele verloren gehen. Die Regierung braucht einen Zielkorridor, wo sie hinwill, und dieser Zielkorridor muss über eine Legislaturperiode und die jetzige Parteienkonstellation hinaus Bestand haben. Die Unternehmen haben hunderte Milliarden auf der hohen Kante, aber sie geben sie nicht aus, weil sie nicht wissen, in was sie investieren sollen. Jeden Tag wird eine andere Technologie durchs Dorf getrieben, die abgelöst oder besonders gefördert werden soll. Die Politik generiert keine Ziele, sondern Unsicherheit.
Bekommen andere Länder das besser hin mit dem Zielesetzen?
Bei allen politischen Schwierigkeiten würde ich sagen, dass die USA besser sind im Ansagenmachen in Richtung ihrer Wirtschaft, im Setzen von Rahmenbedingungen. Oder nehmen Sie Österreich: Da hat die Bundesregierung einen nationalen Energie- und Klimaplan aufgestellt, auf den sich alle politischen Akteure verständigt haben, und unterlegt ihn strategisch-langfristig mit Maßnahmen wie der "Klimaneutralen Stadt". Natürlich ist es von Vorteil, wenn wie dort alle Zuständigkeiten in einem Ministerium konzentriert sind, das auch die operative Umsetzung übernimmt, das schafft Konstanz –während bei uns immer wieder irgendein Ressort oder eine Partei die Grundsatzfrage neu stellen will.
Vielleicht wird das Thema bei uns zu sehr überhöht? Anstatt die Transformation als Teil des politischen Tagesgeschäfts zu begreifen und unaufgeregt voranzutreiben, wird in Deutschland immer die große Umwälzung beschworen. In einer Vorversion des EFI-Gutachtens stand, es handle sich um eine "Herkulesaufgabe" ohne Vorbild, die von den finanziellen Dimensionen vergleichbar sei mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.
Den Satz haben wir gestrichen, obwohl ich persönlich ihn angemessen fand. Entscheidend ist: Für diese Transformation gibt es keine Blaupause, keine Erfahrungswerte. Unserer deutschen Mentalität entspricht es, dass wir erstmal stehen bleiben und alles haarklein vorab besprechen und regeln wollen. Am besten juristisch wasserdicht. Anstatt wie andere Länder erstmal loszulaufen, auszuprobieren, und wenn etwas nicht funktioniert, unaufgeregt nachzusteuern.
Die deutsche Politik fördert diese Mentalität, wenn sie so tut, als ließen sich im Voraus alle Härten ausschließen. Schon in der Corona-Pandemie hat sie Milliarden und Abermilliarden ausgegeben, um auch denen die Verluste auszugleichen, denen sie gar nicht wehgetan haben.
Die Politik weiß genau, dass sie solche Versprechen nicht halten kann. Die Transformation kostet fürchterlich viel Geld, es wird Gewinner und Verlierer geben, das kann man nicht alles abfangen. Doch aus Angst vor den Protesten entstehen solche politischen Lebenslügen. Und in der Not nimmt man dann Gelder, die für die Bekämpfung der Coronakrise vorgesehen waren, und will sie für die Transformation einsetzen – bis das Bundesverfassungsgericht einem einen Strich durch die Rechnung macht.
Im EFI-Gutachten sprechen Sie von einem "Schlingerkurs".
Nehmen Sie das Gebäude-Energie-Gesetz. Wie konnte man auf die Idee kommen, den Einbau von Gasheizungen kurzfristig verbieten zu wollen, obwohl man weiß, dass der Einbau von Wärmepumpen pro Haushalt 30.000 Euro kosten wird, wahrscheinlich sogar mehr? Und warum hat man die soziale Abfederung erst später nachgeliefert?
"Die Streichung der Subvention von Agrardiesel ist transformationspolitisch richtig. Ich darf aber bei der Umsetzung nicht gleich zwei Fehler machen."
Jetzt hat man die Pflicht aufgeweicht, und die staatliche Förderung bekommen alle, nicht nur die sozial Bedürftigen. Da ist sie wieder, die Beschwichtigungsstrategie auch denen gegenüber, die es sich leisten könnten.
Das ist wie bei der Subvention von Agrardiesel. Deren Streichung ist transformationspolitisch richtig. Ich darf aber bei der Umsetzung nicht gleich zwei Fehler machen. Erstens: Ich nehme die Streichung der Subvention für Flugbenzin raus, obwohl es die Reichen sind, die fliegen und Kerosin verbrennen. Und zweitens verzichte ich beim Agrardiesel auf eine soziale Kompensation, eine Staffelung abhängig von der Betriebsgröße etwa. Da sind Proteste vorprogrammiert. Um diese Unausgewogenheit auszugleichen wäre es wohl besser gewesen, alle Subventionen um einen einheitlichen Prozentsatz zu kürzen.
Sie widmen sich als EFI-Kommission diesmal ausführlich dem Bildungssystem. Die internationale Schulvergleichsstudie PISA hat gezeigt, dass deutsche Neuntklässler so schlecht lesen, schreiben und rechnen wie seit mindestens 20 Jahren nicht. Woraus Sie die Prognose ableiten, dass die Bundesrepublik über die nächsten Jahrzehnte eine unterdurchschnittliche wirtschaftliche Entwicklung nehmen wird. Steckt da nicht ein Denkfehler drin? Wenn sich die Schülerleistungen ein, zwei Jahrzehnte später in der Innovationsdynamik widerspiegeln, müssten wir gerade einen Boom erleben, denn vor 15, 20 Jahren befand sich unser Bildungssystem nach dem ersten PISA-Schock kräftig im Aufwind.
Natürlich kann man die Ergebnisse von Bildungsstudien nicht eins zu eins auf das künftige Wirtschaftswachstum übertragen, da gibt es noch weitere Faktoren. Aber wir sollten die Entwicklung sehr ernstnehmen. Unsere künftige Innovationsfähigkeit als Gesellschaft entscheidet sich heute daran, wie gut wir den jungen Menschen die Grundkompetenzen vermitteln.
Dann machen Sie ein paar Vorschläge, was helfen würde.
Als EFI wollen wir vor allem eine nachdrückliche Warnung in Richtung Politik senden. Wir sind aber keine Bildungsforscher. Deren Botschaft ist allerdings überwiegend recht deutlich: weg vom Frontalunterricht, stattdessen eine interaktivere Unterrichtsgestaltung, ein Einsatz digitaler Medien und die Nutzung der neuen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz, wo sie Sinn ergibt. Aber ohne zu überziehen – wir sehen, dass beispielsweise Schweden und Finnland den Grad der Digitalisierung in der Bildungsvermittlung zurückfahren. Wir müssen auch über die Prüfungsformate sprechen. Und ich kann nicht nachvollziehen, dass Deutschland zwar mit die höchsten Lehrergehälter weltweit hat, aber die Lehrerfortbildung wenig systematisch betreibt und zu wenig in sie investiert. Übrigens brauchen wir an den Hochschulen ebenfalls dringend wieder einen Diskurs über die Modernisierung der Studiengänge. Der ist leider zum Erliegen gekommen. Und die Lehrerbildung muss ins Zentrum der universitären Strategie rücken.
Unterdessen fallen Deutschland und Europa bei der nächsten Schlüsseltechnologie zurück, der Künstlichen Intelligenz, die viele Experten für die entscheidende für die kommenden Jahrzehnte halten. Bis vor einer Weile tröstete die Wissenschaft sich damit, wenn schon nicht in der Umsetzung in Anwendungen und Produkte, dann wenigsten in der KI-Entwicklung an der Weltspitze zu sein. Das, sagt Ihre Kommission, ist jetzt auch vorbei.
Nicht vorbei, aber wir drohen nach den Patenten auch bei den wissenschaftlichen Publikationen den Anschluss zu verlieren. Allerdings handelt es sich um eine sehr junge Technologie, die Entwicklungspfade sind nicht festgelegt, noch ist das Spiel nicht vorbei. Nehmen wir die großen KI-Sprachmodelle, da hat Open AI mit ChatGPT einen deutlichen Vorsprung, aber Aleph Alpha aus Deutschland und Mistral aus Frankreich sind in einer guten Position für eine Aufholjagd, um bei den Modellen der dritten Generation – vor allem in der Anwendung – die Augenhöhe zu erreichen.
Allein mir fehlt der Glaube. Es sind die US-Konzerne von Google über Facebook bis hin zu Microsoft und Apple, die seit Jahren die weltweiten Standards vorgeben und einen Innovationssprung nach dem anderen abliefern. Und wir Deutschen und Europäer setzen diese Technologien ein, diskutieren über Datenschutz, europäische Lösungen und das Erringen technologischer Souveränität, und während wir noch diskutieren und politische Pläne schmieden, stellen die Amerikaner oder Chinesen uns mit dem nächsten Game Changer vor vollendete Tatsachen.
Das muss nicht jedes Mal so laufen. Wir können uns immer noch auf eine starke Grundlagenforschung stützen, wir bilden hervorragende Leute aus. Die großflächige Einrichtung von KI-Professuren und Nachwuchsgruppen, die wir als EFI zunächst kritisiert haben, hat sich doch bewährt. Wenn Sie im Silicon Valley durch die Entwicklungsabteilungen der großen Tech-Konzerne laufen, stammt da gefühlt jeder dritte aus Deutschland.
"Wenn wir das attraktiv genug machen, gehen die Leute nach Dresden oder Tübingen anstatt nach Stanford oder Palo Alto."
Was nicht wirklich eine Beruhigung ist, wenn unsere KI-Talente keine Perspektiven für sich in Deutschland sehen.
Wenn sie keine Chance haben, mit ihrem Know How bei uns wirtschaftlich erfolgreich zu sein, gehen sie weg, das ist richtig. Der Vorteil der amerikanischen Konzerne ist deren Größe und ein schier unerschöpfliches Finanzvolumen. Deutschland und Europa kann da nur mit KI-Ökosystemen gegenhalten. Diese können sich um Forschungszentren herum entwickeln, mit kleinen und größeren Laboren, Unternehmen und Start-ups. In Deutschland versuchen wir, mit den KI-Zentren Ähnliches zu entwickeln: Kerne der Grundlagenforschung, Hochschulen und Forschungsinstitute, und um sie herum eine geschickt aufgesetzte Startup-Förderung. Wenn wir das attraktiv genug machen, gehen die Leute nach Dresden oder Tübingen anstatt nach Stanford oder Palo Alto.
Sie können nicht mit ein bisschen staatlicher Gründerförderung den weltweiten Kapitalzustrom in die US-Tech-Community kompensieren. Die jungen Leute gehen nach Kalifornien, weil sie dort das Risikokapital erhalten, das ihnen in Europa keiner gibt.
Das kommt darauf an. Von einem bestimmten Punkt an entwickeln die Ökosysteme eine Eigendynamik, dann kommt das Geld, und die Investitionen folgen. Schauen Sie auf Intel oder Microsoft und ihre Pläne in Deutschland. Richtig ist, dass wir mehr mutige Unternehmer und Mäzene brauchen wie Dieter Schwarz, der massiv in Wissenschaft und Künstliche Intelligenz investiert und speziell in Aleph Alpha. Fest steht: Wenn wir es jetzt nicht mit aller Kraft versuchen, ist das Spiel wirklich entschieden zugunsten der USA oder von China. Innovationsfinanzierung, insbesondere im Start-up Bereich, ist ja ein deutsches Dauerproblem. Das lässt sich nicht nur mit deutscher Risikoaversion erklären, sondern auch mit dem Fehlen großer Pensionsfonds, die beispielsweise in den USA eine wichtige Rolle bei der Start-up-Finanzierung spielen. Aber das ist, wie gesagt, kein KI-spezifisches Problem.
Jetzt loben Sie die Politik bitte einmal.
Nur einmal? In unserem Gutachten sehen wir für Lob gleich mehrfachen Grund. Der wichtigste: Die Bundesregierung ist bei ihrer Forschungs- und Innovationspolitik an sich auf dem richtigen Weg. Sie ist sich der Aufgabe bewusst. Und sie beginnt bei allen erwähnten Inkonsistenzen mit der Umsetzung, sei es bei der Ausgestaltung der "Zukunftsstrategie Forschung und Innovation", bei der Weiterentwicklung der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) oder dem Aufbau der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI). Natürlich würden wir uns bei der SPRIND wünschen, dass man ihr noch mehr rechtliche und finanzielle Freiräume gibt, dass die Bundesregierung zum Beispiel ganz auf ein Aufsichtsgremium verzichtet. Wir sehen aber ein, dass die Politik vermutlich so weit gegangen ist, wie sie kann. Bei der Zukunftsstrategie wiederum sind die Strukturen jetzt da, die Missionsteams zwischen den Ministerien wurden aufgestellt, die Beiräte installiert. Natürlich wäre es besser, wenn die Steuerung der Strategie nicht auf Ebene der Staatssekretäre angesiedelt wäre, sondern weiter oben. Und wenn sie einen eigenen Etat hätte, anstatt dass die Mitglieder der Missionsteams für jede Maßnahme Geld aus ihren Häusern mitbringen müssen. Aber jetzt sollten wir sie mal laufen lassen. Zu hoffen ist, dass der lange Atem da ist, in die eingeschlagene Richtung weiterzulaufen, falls es nächstes Jahr zu einem Regierungswechsel kommt. Bis eine Mission umgesetzt ist, wird es viele Jahre dauern. Womit ich wieder beim langfristigen Zielkorridor bin: Wir brauchen eine grundsätzliche Übereinkunft, die über die Ampel hinausreicht.
Eine Übereinkunft von wem? Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die Ministerien am Ende doch zu stark die Richtung vorgeben und die Wissenschaftsfreiheit unter die Räder kommt?
Die Politik muss ihre Rolle genau definieren. Eine Mission vorgeben heißt: Wir wollen das Alte durch etwas Neues, Anderes ablösen. Aber was dieses Neue ist, geben wir nicht vor. Alles, was anders ist, kann erforscht und ausprobiert werden. Ein Beispiel: Wir wollen beim Automobilantrieb raus aus den fossilen Energien, aber in Hinblick auf die Alternativen fördern wir technologieoffen. Wir lassen die Akteure loslaufen und nutzen die Kreativität der Wissenschaft und des Marktes.
Dann hat die FDP also Recht mit ihren Mahnungen, bloß nicht einseitig auf Batterieantriebe zu setzen?
Richtig ist, dass der Markt entscheiden muss, welche Technologien überleben und sich durchsetzen und welche nicht. Das heißt nicht, dass ich als Politik nicht verschiedene Innovationsansätze zeitweise mit Subventionen unterstützen darf, aber es muss von Anfang an klar kommuniziert werden, dass diese Subventionen befristet sind. Wenn eine Innovation nicht von der Mehrheit der Bevölkerung angenommen wird, dann muss die Politik irgendwann aufhören, sie zu fördern. Wobei der Zeitpunkt, wann Subventionen beendet werden, mitunter sehr schwer zu bestimmen ist. Bei neuen, genmodifizierten Ansätzen in der Landwirtschaft ist das genauso. Wir sollten die Erforschung in jedem Fall ermöglichen und vom Ergebnis abhängig machen, was langfristig erlaubt ist und was nicht. Aber wir dürfen nicht schon die Entwicklung verhindern!
"Der geopolitischen Lage können auch wir Wissenschaftler uns nicht verschließen. Studien aus den USA zeigen, dass jeder Dollar, der in Militärforschung gesteckt wird, weitere 50 Cent an ziviler Forschung stimuliert."
Am Anfang haben Sie gesagt, in Zeiten der Budgetkonkurrenz komme es darauf an, die Finanzierung der aktuell drängenden Herausforderungen geschickt mit den nötigen Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu kombinieren. Aber was genau meinen Sie damit? Die Budgetkonkurrenz auflösen, indem die Wissenschaft in den Dienst der Aufrüstung gestellt wird?
So drastisch würde ich das nicht formulieren. Richtig ist aber: Das 100-Milliarden-Sondervermögen fließt nicht allein in militärisches Gerät. Ein Teil davon kann neue Forschungsansätze finanzieren, die einen Dual-Use-Charakter haben, also Richtung ziviler und militärischer Nutzung gehen. Was bei der Forschung zu Künstlicher Intelligenz eigentlich immer und grundsätzlich der Fall ist. Und noch ein Beispiel, das gar nichts mit Verteidigung zu tun hat: Wenn die Bundesregierung demnächst, über das Wachstumschancengesetz etwa, Maßnahmen zur Konjunkturstimulation ergreifen sollte, gehört da eine sogenannte Strukturkomponente rein. Also Investitionen, um den langfristig notwendigen Umbau der Industrie jetzt voranzutreiben. Das geht wiederum nur mit zusätzlichen F&E-Ausgaben.
Was Sie da beschreiben, würde bedeuten, dass sich Forscher auch an Ihrer Hochschule, der Universität Jena, darauf einstellen müssten, sich demnächst häufiger um Drittmittelaufträge der Bundeswehr zu bewerben.
Das erfordert ein Umdenken, ja. Aber der geopolitischen Lage, in der wir uns befinden, können auch wir Wissenschaftler uns nicht verschließen. Studien aus den USA zeigen, dass jeder Dollar, der in Militärforschung gesteckt wird, weitere 50 Cent an ziviler Forschung stimuliert. Ich sehe die Schwierigkeit für die Universitäten eher anderswo. Wenn Sie einen Auftrag der Bundeswehr annehmen, kann es sein, dass die Wissenschaftler anschließend ihre Erkenntnisse nicht publizieren dürfen. Aktuell höre ich, dass es bereits bei einzelnen Drittmittelprojekten, die von der Cyberagentur finanziert werden, solche Probleme gibt. Publizieren ist aber die Voraussetzung, um in der Wissenschaft Karriere zu machen. Insofern glaube ich nicht, dass wir viele rein militärische Forschungsaufträge an Universitäten sehen werden.
Sie loben die Bundesregierung auch dafür, dass Sie bei der DATI in die Umsetzung gekommen ist. Ist sie das? Das Gründungskonzept steht weiter aus, und die ersten Pilot-Förderlinien waren Kritikern zufolge so vage ausgeschrieben, dass es eine kaum zu handelbare Bewerbungsflut gab.
Das mit den vielen Bewerbungen finde ich überhaupt nicht schlimm. Das Ausschreibungsverfahren war bewusst experimentell aufgelegt, es musste breit sein, um den Transferbegriff möglichst offenzuhalten. Zum Glück ist man von der ursprünglichen Kanalisierung auf Hochschulen für Angewandte Wissenschaften weg. Was das Konzept angeht: Es gibt jetzt die Gründungskommission, und zu deren Aufgaben gehört neben der Auswahl von Ort und Leitung die Formulierung des finalen Konzepts.
Was ursprünglich anders gedacht war. Sonst hätte das BMBF die Kommission viel früher berufen.
Jetzt ist sie am Arbeiten, das zählt.
Wird die DATI wenigstens gleich die Freiheitsgrade bekommen, um die die SPRIND über Jahre kämpfen musste?
Vielleicht ja, vielleicht wird sich der Kampf auch wiederholen. Wichtig ist, dass die Agentur bald loslegt und ins Ausprobieren kommt. Dann werden wir sehen.
"Wenn von oben, von der Ministeriumsspitze, kein Druck gemacht wird, es anders zu machen, dann sind all die Beschwörungen und Ambitionen nichts wert. Es ist ein Drama."
Apropos: Evaluationen neuer Einrichtungen, Projekte und Förderlinien gehören inzwischen nicht nur in der Innovationspolitik zum Alltag. Nur dass sie laut Ihrem Gutachten oft nicht richtig aufgesetzt sind.
Wir haben uns die Evaluationspraxis in zwei Ministerien angeschaut, dem BMWK und dem BMBF. In beiden Häusern existieren eigene Referate für Evaluation mit hochkompetenten Mitarbeitern, die wissen, wie es geht. Das BMWK hat im Jahr 2013 bereits eine Richtlinie zur Durchführung von Evaluationen erstellen lassen, die stimmt Punkt für Punkt. Trotzdem sehen wir viele Evaluationen, die nach dem Prinzip laufen: Ich gebe Geld, um zum Beispiel ein bestimmtes Technologiefeld zu fördern. Und wenn dieses Technologiefeld sich in ein paar Jahren positiv entwickelt hat, sage ich: Bingo, hat funktioniert. Obwohl das 1000 Gründe haben kann und überhaupt nicht an der Förderung liegen muss. Aber man weiß es nicht besser, weil man die Erfolgskriterien vorher nicht richtig bestimmt, keine Kontrollgruppe eingerichtet hat und nicht methodisch sauber misst.
Wie kann das sein?
Die Expertise im eigenen Haus wird nicht ausreichend genutzt, man hört nicht auf das, was die Fachleute im Evalutionsreferat sagen. Und den Einrichtungen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die extern mit der Evaluation beauftragt werden, verweigert man in der Regel die Herausgabe der notwendigen Daten, selbst wenn man sie hat. Das ist paradox. Offenbar herrscht in vielen Referaten immer noch Angst vor zu viel Transparenz – vielleicht aus Furcht, bei einer negativen Evaluation Budget einzubüßen. Weswegen das, was ein Ministerium anstößt, per definitionem positiv wirken muss. Wenn von oben, von der Ministeriumsspitze, kein Druck gemacht wird, es anders zu machen, dann sind all die Beschwörungen und Ambitionen nichts wert. Es ist ein Drama.
Am Ende bekommen Sie noch eine zweite Minute mit Olaf Scholz. Ihr Rat an den Bundeskanzler?
Bei der Forschungs- und Innovationspolitik unbedingt Kurs beibehalten. Die Innovationspolitik der Bundesregierung ist nicht konturenscharf, aber die prinzipielle Richtung stimmt. Sich über die Ziele einigen, und wenn dann über den Weg und die Instrumente gestritten wird, ist das nicht schlimm. Entscheidend ist, nicht bei jeder Protestaktion zurückzuschrecken, sondern beharrlich zu erklären und auch mal klare Ansagen zu machen. Zu Beginn des Ukrainekriegs, als Deutschland eine Energiekrise abwenden musste, hat Robert Habeck das gemacht. Er hat jeden Abend erklärt, worum es geht und worauf es jetzt ankommt. Mittlerweile hat er das eingestellt. Wirklich schade.
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Wie gehen Deutschlands Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen mit dem Nahostkonflikt um? Wie mit Antisemitismus und einer extrem aufgeheizten politischen Stimmungslage? Eine Analyse.
"AN DEUTSCHEN HOCHSCHULEN ist kein Platz für Antisemitismus", sagte Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) am Tag nach der HRK-Mitgliederversammlung Mitte November 2023. Die Hochschulen müssten Orte sein, an denen sich Jüdinnen und Juden wohl und sicher fühlen können, "ohne Wenn und Aber". Die Erklärung, die Rosenthal diesmal im Namen aller HRK-Mitgliederhochschulen abgab, war nicht seine erste, und sie kam fünf Wochen nach dem Terrorangriff auf Israel.
Dennoch kam sie genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn seit Hamas-Terroristen am 7. Oktober die Grenzanlagen überwunden und wahllos Männer, Frauen und Kinder misshandelt und ermordet und rund 240 Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt hatten, war viel passiert. In Israel, im Gazastreifen, aber auch auf dem deutschen Hochschulcampus. Die HRK zählt auf: "Unverhohlene Drohungen mit körperlicher Gewalt, das Anbringen von Plakaten oder Graffiti sowie Kundgebungen, die den Terror der Hamas gutheißen, die Opfer ausblenden oder aufrechnen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen und Jüdinnen und Juden insgesamt angehen und einschüchtern sollen".
Erste Einigkeit bröckelte schnell
Dabei hatte es direkt nach den Hamas-Verbrechen so ausgesehen, als würde Deutschlands Wissenschaftscommunity in großer Einigkeit reagieren. Vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) über die Allianz der Wissenschaftsorganisationen bis hin zu Studierendenverbänden und Hochschulen überall im Land: Die Verurteilungen der Untaten waren fast immer ohne Zögern und Relativierungen, unmissverständlich, mitfühlend und zugleich kämpferisch ausgefallen. "Wir stehen solidarisch an der Seite des Staates Israel. Wir gedenken der Israelis und der Menschen aus aller Welt, die dem Terror der Hamas zum Opfer gefallen sind. Unser Mitgefühl gilt ihren Familien und Freunden, insbesondere auch unseren Kolleginnen und Kollegen an den israelischen Universitäten und am Weizmann Institute of Science", schrieben etwa Max-Planck-Gesellschaft und Minerva-Stiftung am 11. Oktober 2023. "Sehr klar" und "außergewöhnlich" nannte denn auch etwa die Vizepräsidentin für Internationales der Universität von Tel Aviv, Milette Shamir, im Research.Table die deutschen Reaktionen.
Während die Hochschulleitung der Hebräischen Universität in Jerusalem den amerikanischen Elite-Unis Stanford und Harvard vorwarf, diese hätten "uns im Stich gelassen". Die ersten Erklärungen der beiden US-Universitäten hätten trotz der extremen Immoralität der Hamas-Terrorakte nicht klar Täter und Opfer benannt. Das Ziel, eine geschlossene Hochschul-Gemeinschaft zu erhalten, sei von Stanford und Harvard über die eindeutige Verurteilung des Bösen gestellt worden, so der Vorwurf aus Jerusalem.
Weitere Aufregung verursachte ein Brief des studentischen "Harvard Undergraduate Palestine Solidarity Committee", demzufolge allein das "israelische Regime" mit seinem "Apartheid"-System die Verantwortung trage für alle kommende Gewalt. 33 weitere Harvard-Studierendengruppen setzten ihre Unterschrift darunter. Woraufhin unter anderem der frühere US-Finanzminister und ehemalige Harvard-Präsident Larry Summers auf der Plattform "X", vormals Twitter, kommentierte, dieses Statement mache ihn krank: Das "Schweigen der Harvard-Leitung" verbunden mit dem Brief der Studierenden sorge dafür, dass Harvard "bestenfalls neutral" dastehe angesichts der "Terrorakte gegen den jüdischen Staat Israel".
Den richtigen Ton treffen
Es sollte nur ein paar Tage länger dauern, bis die Auseinandersetzungen um die Einordnung der Ereignisse in Israel und Gaza dann doch die deutsche Wissenschaft erreichten. So löschte die Hochschule Düsseldorf (HSD) Mitte Oktober 2023 einen Instagram-Beitrag, in dem sie ihre Solidarität mit Israel erklärt hatte, nachdem die antisemitischen Kommentare darunter überhandnahmen. In einer neuen Version, diesmal ohne Kommentarfunktion, sprach die Hochschule dann von einer politischen Diskussion, die zum Teil "in Ton und Inhalt nicht angemessen war". Der Post sei so verstanden worden, "dass nur das Leid der Menschen in Israel gesehen wird. Aber die HSD steht selbstverständlich an der Seite aller Opfer von Krieg und Gewalt." Ein Schritt hin zur nötigen Ausgewogenheit – oder das Einknicken vor dem Mob?
Fest steht: In den Chef*innen-Etagen vieler deutscher Wissenschaftseinrichtungen war in den vergangenen Wochen die Sorge groß, nicht den richtigen Ton zu treffen. Man möchte in der jetzigen politischen Lage alles richtig machen, aber was heißt das? Das Ergebnis waren mitunter gleich klingende, schablonenhaft ähnliche Formulierungen.
Eine blutige Nase wiederum holte sich der Potsdamer Universitätspräsident Oliver Günther, als er – nach einem ersten sehr klaren Solidaritätsstatement zugunsten Israels – einen verunglückten Versuch der vermeintlichen Differenzierung unternahm. Günther kritisierte die durch die israelische "Besetzung verursachten prekären und teilweise menschenunwürdigen Lebensumstände weiter Teile der palästinensischen Bevölkerung" und fügte hinzu: "Offensichtlich ist auch, dass sich diese Probleme nicht durch eine aggressive Siedlungspolitik und Schikanen gegen die Zivilbevölkerung – schlicht: Gewalt jeglicher Art lösen lassen. Ganz im Gegenteil führen solche Maßnahmen, wie wir vor wenigen Tagen gesehen haben, nur zu mehr Gewalt." Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kommentierte flugs im Berliner Tagesspiegel: "Was Israel in diesen schweren Stunden nicht braucht, sind Schuldzuweisungen, Belehrungen, Relativierungen oder gar Versuche einer Täter-Opfer-Umkehr ausgerechnet aus Deutschland."
Trauerfeier eskaliert
Besonders eindrücklich sind die Ereignisse, die sich in den vergangenen Wochen an der Universität Kassel zugetragen haben. Ein autonomes AStA-Referat hatte einen Film zeigen wollen, der ausschließlich Position für Palästina ergreift. Was die Hochschulleitung um Unipräsidentin Ute Clement untersagte. Als wenig später die Jüdische Hochschulunion einen Stand auf dem Campus aufbaute, inklusive Israel-Flagge, kochte die Stimmung hoch. Umso mehr, als bekannt wurde, dass ein früherer Kasseler Student mitsamt seiner Familie im Gazastreifen getötet worden war, laut "Palestinian Lives Matter" bei einem israelischen Angriff.
Clement erlaubte eine Trauerfeier auf dem Campus unter der Auflage, sie nicht zu einer politischen Kundgebung zum Konflikt zwischen Israel und Palästina zu missbrauchen. Clement hielt sogar eine Rede. "Zuerst sah es so aus, als würde es eine würdige Veranstaltung bleiben, dann wurde sie aber doch gekapert." Ihre Palästinensertücher hatten Teilnehmer nach Aufforderung der Unipräsidentin während deren Trauerrede noch abgenommen. Als dann Redner doch gegen Israel zu agitieren begannen, stellte Clement das Mikrofon ab. Später erklärte die Hochschulleitung, sie sehe ihr "Vertrauen missbraucht".
"Morgens, mittags und nachts", denke sie seitdem über sie Situation nach, sagt Clement, ihr sei dabei immer klarer geworden: Es gebe bei dem Thema in Deutschland ein Schisma, auch an den Hochschulen. "Da sind Menschen meiner Generation, etwas jünger und älter, die alle ihr Leben lang gesagt haben: Nie wieder. Und die jetzt fassungslos vor dem stehen, was Juden in Israel und anderswo geschieht. Und da sind viele Studierende und Angehörige der jungen Generation, viele mit arabischen Wurzeln, aber nicht nur, die das für einseitige Parteinahme halten und das Gefühl haben, ihre Stimme werde in dem Konflikt nicht gehört. Die uns Älteren, die wir an das Existenzrechts Israels als deutsche Staatsräson glauben, vorwerfen, wir würden in unserem Rassismus nicht das Leid der getöteten Kinder in Gaza und anderswo sehen.“
Sie sei erschrocken über solche Wahrnehmungen, sagt Clement, aber es sei wichtig, ihnen einen Rahmen zu geben, um Radikalisierungen zu verhindern. "Genau das sehen wir als Hochschulleitung jetzt als unsere Aufgabe: eine gewaltfreie Debatte ermöglichen, die auf der Grundlage von Argumenten und Fakten stattfindet." Weshalb sie auf dem Zentralcampus jetzt zwei Banner aufgehängt haben, auf Deutsch und auf Englisch, mit den Grundsätzen, die für alle gelten sollen. Unter anderem steht da: "Klar muss sein: Wir schauen nicht weg, wenn Menschen leiden. Das Existenzrecht Israels wird nicht in Frage gestellt. Das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat wird nicht in Frage gestellt." Jede Form des Terrors sei abzulehnen, jegliche NS-Vergleiche verböten sich. "Genau wie jede Form von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit." Der gesamte Uni-Senat stehe dahinter, sagt Clement. Was sie sich wünscht: dass sich alle Hochschulen in Deutschland gemeinsam einen solchen Diskursrahmen geben.
Hitzige Töne und gegenseitig Vorwürfe
Und tatsächlich lud HRK-Präsident Walter Rosenthal direkt nach der HRK-Mitgliederversammlung zu einer weiteren virtuellen Austauschrunde ein "mit einem besonderen Fokus auf Maßnahmen zum Schutz von jüdischen Studierenden sowie auf die Moderation von Konflikten auf dem Campus". Wie hatte er in seiner Erklärung gesagt: "Wir dulden keine Gewalt, weder verbal noch physisch, keinen Antisemitismus, keinerlei Ausgrenzung – auch nicht gegen Studierende und Mitarbeitende palästinensischer Herkunft, die sich aktuell ebenfalls Sorgen machen." Und er fügte hinzu: Das Miteinander an einer Hochschule und die produktive Diskussion auf und neben dem Campus beruhten auf wechselseitigem Respekt, der Wahrung wissenschaftlicher Grundsätze, auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Einhaltung der Gesetze.
Doch statt produktiven Diskussionen und wechselseitigem Respekt gibt es seit Wochen hitzige Töne und gegenseitige Vorwürfe. Etwa als die Staatsekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Sabine Döring auf "X" kritisierte, die international bekannte US-Philosophin Judith Butler kontextualisiere in einem Meinungsbeitrag das "Opfer" Hamas, aber nicht den "Täter" Israel. "So kommt – trotz ‚Ich verdamme den Terror der Hamas‘ — am Ende eben doch eine Relativierung desselben heraus". Und Döring, zugleich Philosophieprofessorin an der Universität Tübingen, fügte hinzu: Wenn man Butlers "hehre Vision" umsetze, würde der Staat Israel empirisch aufhören zu existieren und jüdisches Leben würde aus der Region rückstandsfrei getilgt.
Dörings Post löste Zustimmung, aber auch empörte Reaktionen in der Wissenschaftsszene aus. Der Historiker Ben Miller bezeichnete es ebenfalls auf "X" als "intellektuell grotesk, wenn jemand, insbesondere eine Deutsche, auf die Arbeit einer jüdischen Philosophin, die in der jüdischen intellektuellen Tradition arbeitet, mit dem Vorwurf reagiert, sie würde das jüdische Leben nicht genug wertschätzen". Was Döring pessimistisch resümieren ließ: "Sehen Sie, das ist genau der Grund, warum wir keine Chance mehr haben, miteinander einen fruchtbaren Diskurs zu führen."
Ein praktisches Ausrufezeichen der Verbundenheit mit Israel setzte derweil die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und vereinbarte mit ihrer israelischen Partnerorganisation Israel Science Foundation (ISF) eine weitere Stärkung ihrer Zusammenarbeit. Zu den Zielen gehört, die gemeinsame Förderung deutsch-israelischer Forschungsprojekte zu ermöglichen und die Ausarbeitung eines bilateralen Begutachtungsverfahrens. DFG-Präsidentin Katja Becker betonte, das sogenannte Memorandum of Understanding sei bereits vor dem Terrorangriff der Hamas ausgearbeitet worden. "Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in Israel und in der Region bekommt die Stärkung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit nun zusätzliche Bedeutung, auch als Zeichen der Solidarität."
Dieser Artikel erschien zuerst im DSW Journal 4/2023.
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Lange hat die Bundesagentur für Sprunginnovationen auf ihr versprochenes Freiheitsgesetz gewartet. Jetzt liegt endlich der Entwurf vor – und kann sich sehen lassen.
Bild: Roy Harryman / Pixabay.
DIE BUNDESAGENTUR, die so anders sein soll, hat sich selbst die Abkürzung SPRIND gegeben, doch ihr Freiheitskampf mit der Politik erinnerte bislang eher an einen Hürdenlauf. Jetzt immerhin könnte es soweit sein: 17 Monate nach Amtsantritt der Ampel-Koalition, drei Jahre nach dem offiziellen Start der Bundesagentur für Sprunginnovationen und fast fünf Jahre, nachdem das Kabinett die SPRIND-Gründung beschlossen hat, ist die Bundesregierung kurz davor zu beweisen, dass sie das mit der einst versprochenen Neuerfindung der staatlichen Innovationsförderung wirklich ernst gemeint hat.
Die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF), für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), für Finanzen (BMF) und der Justiz (BMJ) haben sich nach langem Stillstand auf den Referentenentwurf für ein Gesetz geeinigt, das – so melodramatisch wie treffend –"Gesetz zur Befreiung der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND)" heißen soll, kurz "SPRIND-Freiheitsgesetz".
Um das umzusetzen, was die Bundesregierung eigentlich von Anfang an hätte tun müssen und was der Ampel-Koalitionsvertrag dann endlich angekündigt hatte: die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Agentur so "substanziell" zu verbessern, dass sie freier agieren und investieren könne. Das heißt: unternehmerischer und flexibler als alle bisherigen staatlichen Fördereinrichtungen.
Der Umgang mit einem Paradox
Was deshalb so nötig ist, weil die SPRIND da ansetzen soll, wo Deutschland im internationalen Vergleich auffällig schwach ist: bei der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in völlig neue technologische, soziale und wirtschaftliche Ansätze, die als disruptive Innovationen ganze Branchen und gesellschaftliche Gewohnheiten verändern. Wovon letztendlich der künftige Wohlstand mit abhängt. Solche Durchbrüche vorbereiten zu wollen, hört sich nach einem Paradox an, ist aber keines, denn mit den richtigen Rahmenbedingungen werden sie zwar nicht planbar, aber wahrscheinlicher.
Was dafür nötig ist: vor allem das strategische Eingehen von Risiko bei der Vergabe von Fördermitteln, neue finanzielle Beteiligungsformate und mitunter extrem schnelle Entscheidungswege. Alles Dinge, die kaum kompatibel sind zu Rechtsgrundlage und Arbeitsweise staatlicher Stellen.
Immerhin hatte die SPRIND in den vergangenen zwei Jahren auch ohne neues Gesetz schon ordentlich Fahrt aufgenommen, so dass das BMF im April an den Haushaltsausschuss die nahezu volle Ausschöpfung des Agenturbudgets für dieses Jahr vermelden konnte. Doch das, betonte SPRIND-Chef Rafael Laguna de la Vera damals, sei nur dank jeder Menge Verrenkungen möglich gewesen. Man verbringe viel zu viel Zeit mit Bürokratie "und der Produktion schöner Papiere. Wir müssen schneller werden und mehr von unserer Kraft auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren können". In den Monaten zuvor hatte Laguna sogar indirekt mit seinem Rücktritt gedroht, wenn nicht bald ein kraftvolles Befreiungsgesetz komme.
Fest steht: Wenn der Gesetzentwurf im Verlauf der restlichen Ressortabstimmung und dann im Parlament nicht zu sehr entkräftet wird, wovon nicht auszugehen ist, hat Lagunas Agentur künftig ordentlich Rückenwind für ihre Arbeit. Womit auch der Erwartungsdruck auf die SPRIND weiter steigt, denn der Hinweis auf die miesen rechtlichen Rahmenbedingungen zieht dann nicht mehr.
Große Freiheit, viel Verantwortung
Was der Gesetzentwurf im Einzelnen vorsieht:
o Statt den drei Ministerien BMBF, BMWK und BMF ist künftig nur noch ein Ministerium, das BMBF, für die Aufsicht über SPRIND zuständig und soll sich möglichst auf die Rechtsaufsicht beschränken, da der Aufsichtsrat bereits große Teile der Fachaufsicht übernommen hat.
o Die SPRIND soll mit Förderaufgaben auf dem Gebiet der Sprunginnovationen "beliehen" werden, was bedeutet, dass die Agentur künftig selbstständig ihre Förderentscheidungen treffen kann und dafür nicht mehr die Zustimmung der Bundesministerien braucht. Was unter Sprunginnovationen zu verstehen ist und wie diese transparent identifiziert und gefördert werden sollen, soll zuvor durch einen Beleihungsvertrag zwischen SPRIND und Bund festgelegt werden.
o Auch über Tochtergesellschaften und Unternehmensbeteiligungen kann SPRIND künftig selbst bestimmen. Allerdings behält der Bund als Alleingesellschafter weitreichende Rechte, so kann er zum Beispiel Beschlüsse des SPRIND-Aufsichtsrats (indem er vertreten, aber in der Minderheit ist) aufheben, die seines Erachtens dem Bundesinteresse zuwiderlaufen.
o Die SPRIND soll öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Förderinstrumente "im Einklang mit den für öffentliche Unternehmen geltenden Rahmenbedingungen" gleichermaßen nutzen können. Wenn sich SPRIND an einem Unternehmen beteiligt, ist das bis zu 25 Prozent ohne weitere Befassung der Bundesministerien möglich (was allerdings Standard ist). Interessant wird es bei Beteiligungen über 25 Prozent: Hier ist geregelt, dass das Finanzministerium binnen drei Monaten nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen entscheiden muss – andernfalls gilt die Zustimmung bis zu einer Grenze von zehn Millionen Euro als erteilt.
o Der Agentur soll eine flexiblere Haushaltsführung ermöglicht werden, um auf Änderungen bei hochrisikoreichen Projekten unmittelbar reagieren und neuen Projekten flexibel begegnen zu können. Dazu gehört die Zuweisung sogenannter Selbstbewirtschaftungsmittel, wie sie die außeruniversitären Forschungsorganisationen seit vielen Jahren ebenfalls haben (und für deren Handhabung regelmäßig vom Bundesrechnungshof kritisiert werden). Künftig soll SPRIND Fördergelder zwischen den Jahren verschieben dürfen, ohne dass nicht ausgegebene Millionen am Jahresende weg sind. So können die Projekte das nötige Geld dann bekommen, wenn sie es brauchen – auch wenn der Mittelabfluss später sein sollte als zunächst geplant. Es gibt aber eine Obergrenze: Maximal 30 Prozent der jeweils veranschlagten SPRIND-Haushaltsmittel dürfen als Selbstbewirtschaftungsmittel ins nächste Jahr mitgenommen werden.
o SPRIND wird zu 50 Prozent an den Einnahmen, die sich aus den erfolgreich geförderten Projekten ergeben sollten, beteiligt und kann so seinen Haushalt weiter aufstocken.
o Die Agentur, ihre Tochtergesellschaften und die von ihr geförderten Unternehmen sollen bessere Gehälter zahlen dürfen als sonst in der Verwaltung üblich – sofern dafür zwingende Gründe vorliegen. Womit das meist für öffentliche Einrichtungen geltende sogenannte Besserstellungsverbot eingeschränkt wird (für außeruniversitären Forschungseinrichtungen gilt das ebenfalls bereits). In den ersten beiden Jahren der SPRIND-Förderung wird es für private Unternehmen sogar komplett aufgehoben, ansonsten entscheidet SPRIND in vielen Fällen selbst über den Gehaltsrahmen bei den geförderten Unternehmen. Bereits jetzt gibt es eine Freistellung für die SPRIND-eigenen Innovationsmanager und für die MINT-Berufe in den Tochtergesellschaften.
Ein doppelter Befreiungsschlag
Am Mittwoch kommt der Gesetzentwurf in den Haushaltsausschuss (HHA) des Bundestages, parallel läuft die Abstimmung mit den übrigen Ressorts. Warum der HHA nicht erst danach drankommt? Weil für SPRIND kurzfristig einiges dranhängt: Der Ausschuss hatte, wie er es häufig bei neuen Haushaltstiteln tut, 20 Prozent der Agenturmittel für 2023 gesperrt. Weshalb die für April geplante Gründung zweier weiterer SPRIND-Tochtergesellschaften verschoben werden musste. Die vom Finanzministerium beantragte Freigabe von 23 der gesperrten 30 Millionen hatte der Ausschuss aber davon abhängig gemacht, dass die federführenden Ministerien sich zuerst in Sachen SPRIND-Freiheitsgesetz einigen.
Mehr Geld ist mit dem neuen Gesetz übrigens nicht verbunden. So bleibt das SPRIND-Budget mit derzeit knapp 150 Millionen Euro überschaubar, ja mickrig im Vergleich zu den gut vier Milliarden Dollar, die dem großen US-Vorbild DARPA im Jahr zur Verfügung stehen. Über den weiteren Zeitplan für das parlamentarische Verfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes schweigen sich die BMBF, BMWK & CO übrigens offiziell aus, intern heißt es: Noch dieses Jahr sei das Ziel.
Kommt das SPRIND-Befreiungsgesetz in der geplanten Form, wäre es in jedem Fall eine doppelte Befreiung: für die Agentur selbst, aber auch für die Bundesregierung – weil sie nach langem Hin und Her doch zeigen würde, was möglich ist mit einem modernen Staatsverständnis. Einst sollte SPRIND die Blaupause werden für andere staatliche Förderagenturen, vor allem für die immer noch nicht gegründete Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI). Zwischendurch war es angesichts der vielen Barrieren, die SPRIND in den Weg gelegt worden waren, auffällig still geworden um die angestrebte Vorbildfunktion. Jetzt könnte es damit doch noch etwas werden. Und vielleicht ginge es dann auch mit der auf Eis gelegten Neuauflage des DATI-Gründungskonzeptes endlich vorwärts. Das BMBF hatte es intern zuletzt für Ende März angekündigt.
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Was Politik und SPRIND zu dem Gesetzentwurf sagen
Es habe sich schnell gezeigt, dass SPRIND eingezwängt ins deutsche Haushaltsrecht, "ihr Potenzial nicht voll entfalten konnte", sagte Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger (FDP) dem Handelsblatt. Daher "befreien wir die SPRIND jetzt von unnötigen bürokratischen Fesseln und geben ihr viele Freiheiten". Das sei ein wichtiges Signal für den Innovationsstandort Deutschland und werde mehr Sprunginnovationen ermöglichen.
Tatsächlich hatten Experten schon vor Gründung der Agentur vor den Folgen einer zu starken Regulierung gewarnt und die beteiligten Bundesministerien zunächst zur Zurückhaltung in der Agentur-Governance aufgerufen. Zunächst vergeblich, in den vergangenen Jahren hatte es dann bereits substanzielle Veränderungen etwa bei der Zusammensetzung und Stellung des SPRIND-Aufsichtsrates gegeben.
"Mit dem SPRIND-Freiheitsgesetz bringen wir die Agentur international auf Augenhöhe", sagt die parlamentarische BMWK-Staatssekretärin Franziska Brantner, "und ermöglichen ihr, bahnbrechende Ideen in Deutschland zu halten und daraus gelingende Geschäftsmodelle zu machen." Zudem steige die Attraktivität der SPRIND als Arbeitgeber für hochspezialisierte Fachkräfte, gerade aus den MINT-Fächern. "Die SPRIND muss die besten Leute gewinnen können, damit diese aus einem Meer von Ideen die vielversprechendsten Innovationen herausfischen und fördern können."
SPRIND-Direktor Laguna lobte, der Gesetzentwurf folge dem Anspruch des Ampel-Koalitionsvertrages. Neben öffentlich-rechtlichen könnten künftig auch privatrechtliche Finanzierungswerkzeuge eingesetzt werden. Erstmals könne sich SPRIND auch an bestehenden Unternehmen finanziell beteiligen und Erträge erwirtschaften. Die Möglichkeit, einen Teil der Mittel auch überjährig zu investieren, gebe SPRIND die dringend erforderliche Flexibilität beim Einsatz der Mittel. "In der Summe zeigt der Gesetzestext neue Wege auf für ein schnelleres, weniger bürokratisches und damit effizienteres staatliches Handeln – das dringend für die anstehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationen benötigt wird."
In einem mehrstufigen Forschungsansatz analysiert diese forstpolitikwissenschaftliche Arbeit die individuellen, betrieblichen und gesellschaftlich-politischen Bewertungs-, Abwägungs- und Entscheidungsprozesse im Verlauf der Verbreitung bleifreier Munition speziell in öffentlichen Forstbetrieben und im Jagdwesen in Deutschland. Die diskursanalytische Betrachtung von drei Kolloquien des Bundesinsitituts für Risikobewertung (BfR) in Berlin in den Jahren 2011, 2013 und 2014 beschreibt die Entwicklung des kontroversen öffentlichen Diskurses in Deutschland. Eine inhaltsanalytische Betrachtung der parlamentarischen Befassung mit der Thematik in Deutschland zeigt, dass es im Verlauf von 10 Jahren – trotz Streitigkeiten um die Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern – ab 2013 zu ersten politischen Entscheidungen auf Landesebene auch zur Nutzung bleifreier Büchsenmunition kam. Im empirischen Teil der Arbeit wird im Untersuchungsfeld "Mitarbeiter/innen öffentlicher Forstbetriebe in Deutschland" ergründet, ob die Verwendung bleifreier Munition den Mustern der Diffusions- und Adoptionstheorie nach ROGERS folgt. Im Ergebnis aus 1.279 beantworteten Online-Fragebogen zeigt sich eine Nutzungsquote bleifreier Munition durch die befragten Forstangehörigen von 58%. Ein Anteil von 20% hat bleifreie Munition ausprobiert, wobei 22% noch gar keine eigenen Erfahrungen gemacht haben. Bereits fast 2/3 der Befragten unterliegen inzwischen einer Pflicht zur Nutzung bleifreier Munition. Obwohl die Thematik im Bewusstsein der Befragten eine Rolle spielt, wird bleifreie Munition von ihnen nicht als bedeutende Umweltinnovation wahrgenommen oder entspricht nicht den für sie geltenden Kriterien. Durch eine Varianzanalyse können zuvor charakterisierte "Adopter-Typen" voneinander unterschieden werden. Im Gegensatz zum Modell nach ROGERS zeigen sich in der beobachteten Verteilung eine größere Gruppe der Innovatoren (15,9%) und eine kleine Gruppe der frühen Adoptoren (5,3%). Das Mittelfeld ist geringer besetzt und bildet mit früher und später Mehrheit nur einen Anteil von 46,2%, gegenüber einem Anteil von mehr als 2/3 im Modell. Der Anteil der Nachzügler ist fast doppelt so groß wie in der Verteilung nach ROGERS, was eine Beharrlichkeit gegenüber Veränderungen in der Forstbranche und im Jagdwesen im laufenden Adoptions- bzw. Diffusions-Zeitraum von bisher 15 Jahren bestätigt. Acht leitfadengestützten Experten-Interviews mit Leitern von Landesforstbetrieben bzw. Anstalten öffentlichen Rechts sowie den Bundesvorsitzenden eines forstlichen und eines jadlichen Verbandes ergänzen die quantitative Online-Befragung. Die Bewertung bleifreier Munition als Umweltinnovation und deren Bedeutung für die Jagd im Forstbetrieb unterscheidet sich im Wesentlichen durch den eingeschätzten Nutzen bzw. die Wirkung für den Forstbetrieb und die Wahrnehmung einer aktiven oder passiven Vorreiterrolle auch hinsichtlich der Nutzung (bzw. deren Anordnung) bleifreier Munition. Wesentlicher Treiber für eine Handlung ist die individuelle bzw. institutionelle Betroffenheit.:I Abkürzungsverzeichnis i II Abbildungsverzeichnis iii III Tabellenverzeichnis v 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung 1 1.2 Zielsetzung und Motivation 5 1.3 Theoretischer Rahmen 7 1.4 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit 9 2 Stand des Wissens 11 2.1 Blei als Gefahr- und Schadstoff in der Umwelt 11 2.1.1 Bleibelastung in Wildfleisch 14 2.1.2 Verbraucherschutz 16 2.1.3 Bleivergiftungen bei Seeadlern 19 2.1 Blei als Bestandteil von Jagdmunition 21 2.2 Bleifreie Jagdmunition 22 2.2.1 Bleifreie Schrotkugeln 22 2.2.2 Bleifreie Büchsengeschosse 23 2.3 Tötungswirkung von Geschossen 25 2.4 Kritik und Widerstände gegen bleifreie Munition 29 2.5 Ausgewählte Forschungsprojekte 37 2.5.1 Verbundprojekt Bleifrei-Monitoring 38 2.5.2 Praxis-Versuche und weitere Untersuchungen 42 2.6 Innovationen in Forstwirtschaft und Jagd 45 2.6.1 Innovationsbereitschaft und -fähigkeit öffentlicher Forstverwaltungen 47 2.6.2 Innovationen in der Forstwirtschaft zum Schutz der Umwelt 49 2.6.3 Beispiele für Innovationen im Jagdbereich 51 3 Theoretischer Hintergrund und Fragestellung 55 3.1 Angewandte Theorien 55 3.1.1 Innovationstheorie 55 3.1.2 Theorie der Umweltinnovationen 63 3.1.3 Diffusions- und Adoptionstheorie 67 3.1.4 Handlungstheorie 73 3.2 Wissenschaftliche Fragestellung und Hypothesen 75 4 Untersuchungsgegenstand und Methoden 77 4.1 Untersuchungseinheit 77 4.2 Erhebungseinheiten 80 4.3 Methoden 88 5 Konzeption und Durchführung der Untersuchung 95 5.1 Diskursanalytische Betrachtung 95 5.2 Online-Befragung 97 5.2.1 Befragungskonzept und Aufbau der Befragung 97 5.2.2 Stichprobenauswahl und Feldzugang 100 5.2.3 Technische Umsetzung, Pretest und Durchführung der Befragung 102 5.3 Leitfadengestützte qualitative Experten-Interviews 107 5.3.1 Konzeption des Interview-Leitfadens 108 5.3.2 Auswahl der Interview-Partner 110 5.3.3 Durchführung der Interviews 113 6 Ergebnisse 115 6.1 Die Verwendung bleifreier Munition 115 6.1.1 Gesetzliche und betriebliche Regelungen in Deutschland 116 6.1.2 Naturschutzorientierte Forstbetriebe 122 6.1.3 Zertifizierte Forstbetriebe 124 6.1.4 Privater Jagdbetrieb 127 6.1.5 Internationale Regelungen für den Jagd- und Forstbetrieb 130 6.2 Positionen, Widerstände und Initiativen 136 6.2.1 Die Fachforen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) als ausgewählte öffentliche Diskussionen – Eine diskursanalytische Betrachtung 136 6.2.2 Das Thema Bleifreie Munition in deutschen Parlamenten – eine inhaltsanalytische Übersicht 148 6.3 Zur Diffusion und Adoption bleifreier Munition 159 6.3.1 Ergebnisse der schriftlichen Befragung 159 6.3.2 Ergebnisse der Experten-Interviews 195 7 Diskussion 211 7.1 Überprüfung der Hypothesen 211 7.2 Verbindung der Ergebnisse mit dem theoretischen Rahmen 213 7.3 Grenzen der Untersuchung und Methodenkritik 231 7.4 Empfehlungen für Wissenschaft und Praxis 234 8 Zusammenfassung 247 9 Summary 255 10 Literaturverzeichnis 259 11 Anhang 279 11.1 Anschreiben per Post und per E-Mail 279 11.2 Online-Fragebogen 280 12 Erklärung 287 ; This scientific forestry policy document analyses, in a multilevel approach, the individual, business and social-political evaluation, consideration and decision processes in the development of the distribution of lead-free ammunition, in particular in public forestry organisations and in the hunting sector in Germany. The discourse-analytical contemplation resulting from three seminars of the Bundesinsititut für Risikobewertung (BfR - The German Federal Institute for Risk Assessment) in Berlin in 2011, 2013 and 2014 describes the development of the controversial discussion in Germany. A content-analytical contemplation of parliamentary involvement with this theme in Germany shows that in the course of 10 years - in spite of conflicts about legislative powers between federal and provincial (Länder) governments - the first political decisions on provincial level regarding use of lead-free rifle ammunition were taken from 2013 onwards. Spring 2016, over 15 years after the broad debate started, the national government submitted a first draft law to the preliminary parliamentary voting process. In the empirical part of the work, in the research field "Employees of public forestry organisations in Germany" it is ascertained whether the use of lead-free ammunition follows the patterns of Rogers' diffusion and adoption theory. The outcome of 1,279 completed online questionnaires shows that 58% of the people involved in forestry used lead-free ammunition. A proportion of 20% had tried lead-free ammunition, whereby 22% did not have any experience with it at all. Almost 2/3 of the people questioned are meanwhile obliged to use lead-free ammunition. Although the issue does play a role in the awareness of the people questioned, they do not see lead-free ammunitions as an important innovation for the environment, or it does not correspond to the criteria they apply. Previously specified "Adopter types" can be distinguished from another by analysis of variance. Contrary to Rogers' model, the breakdown observed shows a larger group of innovators (15.9%) and a small group of early adopters (5.3%). The midfield is less populated and - together with early and late majorities - only counts for 46.2% as opposed to over 2/3 in the model. The proportion of laggards is almost twice as high as in Rogers' breakdown, which confirms a resistance against change in the forest enterprises and the hunting sector in the current adoption or diffusion time frame of 15 years so far. Eight guideline-based expert interviews with leading figures from provincial forestry companies or public institutions as well as the federal chairmen of a forest and a hunting organisation complete the quantitative online survey. The assessment of lead-free ammunition as innovation for the environment and what it would mean for the hunt in the forest enteprises essentially differs for the use (or obligation to use) lead-free ammunition, due to the estimated use or the way it works for the forestry sector and the perception of an active or passive pioneering role. Being personally or institutionally concerned is the major driving force for action.:I Abkürzungsverzeichnis i II Abbildungsverzeichnis iii III Tabellenverzeichnis v 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung 1 1.2 Zielsetzung und Motivation 5 1.3 Theoretischer Rahmen 7 1.4 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit 9 2 Stand des Wissens 11 2.1 Blei als Gefahr- und Schadstoff in der Umwelt 11 2.1.1 Bleibelastung in Wildfleisch 14 2.1.2 Verbraucherschutz 16 2.1.3 Bleivergiftungen bei Seeadlern 19 2.1 Blei als Bestandteil von Jagdmunition 21 2.2 Bleifreie Jagdmunition 22 2.2.1 Bleifreie Schrotkugeln 22 2.2.2 Bleifreie Büchsengeschosse 23 2.3 Tötungswirkung von Geschossen 25 2.4 Kritik und Widerstände gegen bleifreie Munition 29 2.5 Ausgewählte Forschungsprojekte 37 2.5.1 Verbundprojekt Bleifrei-Monitoring 38 2.5.2 Praxis-Versuche und weitere Untersuchungen 42 2.6 Innovationen in Forstwirtschaft und Jagd 45 2.6.1 Innovationsbereitschaft und -fähigkeit öffentlicher Forstverwaltungen 47 2.6.2 Innovationen in der Forstwirtschaft zum Schutz der Umwelt 49 2.6.3 Beispiele für Innovationen im Jagdbereich 51 3 Theoretischer Hintergrund und Fragestellung 55 3.1 Angewandte Theorien 55 3.1.1 Innovationstheorie 55 3.1.2 Theorie der Umweltinnovationen 63 3.1.3 Diffusions- und Adoptionstheorie 67 3.1.4 Handlungstheorie 73 3.2 Wissenschaftliche Fragestellung und Hypothesen 75 4 Untersuchungsgegenstand und Methoden 77 4.1 Untersuchungseinheit 77 4.2 Erhebungseinheiten 80 4.3 Methoden 88 5 Konzeption und Durchführung der Untersuchung 95 5.1 Diskursanalytische Betrachtung 95 5.2 Online-Befragung 97 5.2.1 Befragungskonzept und Aufbau der Befragung 97 5.2.2 Stichprobenauswahl und Feldzugang 100 5.2.3 Technische Umsetzung, Pretest und Durchführung der Befragung 102 5.3 Leitfadengestützte qualitative Experten-Interviews 107 5.3.1 Konzeption des Interview-Leitfadens 108 5.3.2 Auswahl der Interview-Partner 110 5.3.3 Durchführung der Interviews 113 6 Ergebnisse 115 6.1 Die Verwendung bleifreier Munition 115 6.1.1 Gesetzliche und betriebliche Regelungen in Deutschland 116 6.1.2 Naturschutzorientierte Forstbetriebe 122 6.1.3 Zertifizierte Forstbetriebe 124 6.1.4 Privater Jagdbetrieb 127 6.1.5 Internationale Regelungen für den Jagd- und Forstbetrieb 130 6.2 Positionen, Widerstände und Initiativen 136 6.2.1 Die Fachforen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) als ausgewählte öffentliche Diskussionen – Eine diskursanalytische Betrachtung 136 6.2.2 Das Thema Bleifreie Munition in deutschen Parlamenten – eine inhaltsanalytische Übersicht 148 6.3 Zur Diffusion und Adoption bleifreier Munition 159 6.3.1 Ergebnisse der schriftlichen Befragung 159 6.3.2 Ergebnisse der Experten-Interviews 195 7 Diskussion 211 7.1 Überprüfung der Hypothesen 211 7.2 Verbindung der Ergebnisse mit dem theoretischen Rahmen 213 7.3 Grenzen der Untersuchung und Methodenkritik 231 7.4 Empfehlungen für Wissenschaft und Praxis 234 8 Zusammenfassung 247 9 Summary 255 10 Literaturverzeichnis 259 11 Anhang 279 11.1 Anschreiben per Post und per E-Mail 279 11.2 Online-Fragebogen 280 12 Erklärung 287
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Die Hochschulen hätten nicht die wissenschaftspolitische Stellung, die ihnen von ihrer Bedeutung her zustehe, sagt der neue HRK-Präsident Walter Rosenthal. Welche Folgen das für den Wettbewerb um Forschende und Studierende hat – und wie er das ändern will: ein Interview.
Walter Rosenthal, 68, ist seit 2014 Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena – und seit Dienstag zusätzlich neuer Chef der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Mit 226 zu 181 Stimmen setzte er sich im ersten Wahlgang gegen Oliver Günther durch. Es gab allerdings auch 34 Enthaltungen und neun nicht abgegebene Stimmen. Foto: HRK/Jürgen Scheere.
Herr Rosenthal, herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Wahl schon im ersten Wahlgang. Ging das am Ende doch einfacher als gedacht?
Es war durchaus knapp mit nur einer Stimme über dem erforderlichen Quorum. Aber in der Tat hatten viele eine langwierige Wahl vorhergesagt, weil die allgemeine Meinung war, dass es zwei gleichwertige Kandidaten gab.
Das mit den gleichwertigen Kandidaten haben einige Hochschulchefs auch als mangelnde inhaltliche Auswahl empfunden – weil Sie und Oliver Günther in allen zentralen Fragen praktisch einer Meinung waren. So erklärt sich vermutlich auch, dass es so viele Enthaltungen und nicht abgegebene Stimmen gab. Sagen Sie: Was wird in der HRK jetzt anders laufen, als es mit einem Präsidenten Oliver Günther gelaufen wäre?
Nach meiner Meinung müssen wir dringend und grundsätzlich über die Rolle der Hochschulen im Wissenschaftssystem diskutieren. Die Hochschulen erfahren nicht die gesellschaftliche und politische Anerkennung, sie haben leider nicht die wissenschaftspolitische Stellung, die ihnen angesichts ihrer Bedeutung zusteht. Um die Hochschulen herum bilden sich schließlich die zentralen Netzwerke in der Wissenschaft, sie sind Schaltstellen und Vernetzer, die Treiber von Entwicklung in Gesellschaft und Wissenschaft.
"Wer von Transfer in die Gesellschaft und die Wirtschaft spricht, meint vor allem uns Hochschulen."
Woraus was folgt?
Daraus folgt unter anderem die Botschaft an die Politik, dass wer von Transfer in die Gesellschaft und die Wirtschaft spricht, vor allem uns Hochschulen meint. Die Hochschulen bringen jedes Jahr eine enorm große Zahl an Ausgründungen und Startups hervor, kein anderer Player in der Wissenschaft kann das auch nur annähernd leisten. Und vergessen Sie nicht die besondere Ausstrahlung der 50 Kunst- und Musikhochschulen in die Kunst- und Kulturszene hinein. Oder unser Kerngeschäft, die hunderttausenden Absolventinnen und Absolventen, die wir jedes Jahr der Gesellschaft und der Wirtschaft zur Verfügung stellen. Mein Eindruck ist, das wird allzu oft nicht hinreichend wahrgenommen und wertgeschätzt. Das müssen wir ändern.
Sie wollen mehr Geld.
Es geht hier nicht nur um Geld. Wir müssen der Politik und vor allem der Bundespolitik sehr deutlich machen, dass wir als Hochschulen Gewaltiges für das Gemeinwohl leisten und dafür an den strategischen Überlegungen über die Zukunft des Wissenschaftssystems beteiligt werden wollen. Dazu gehört auch, dass wir über Geld sprechen müssen. Allein der Investitionsstau im Hochschulbau – wir sprechen hier mittlerweile über 60 Milliarden Euro – entspricht der Größenordnung eines bundespolitisch neuerdings viel zitierten Sondervermögens. Das hat gravierende Folgen: Wir können im Wettbewerb um die besten internationalen Forscherinnen und Forscher auch deshalb nicht immer mithalten, weil unsere Infrastrukturen teilweise sehr zu wünschen übriglassen. Und auch viele der begabtesten Studierenden werden eher dorthin gehen, wo sie in ansprechenden Gebäuden lernen können. Unsere Hochschulen müssen ein Ort zum Leben werden für Studierende, wie sie es in anderen Ländern längst sind.
Was meinen Sie damit?
Der ideale Tag eines Studierenden sollte von morgens bis abends an der Hochschule stattfinden können. Nicht weil man das muss, sondern weil es sich um einen umfassend inspirierenden Ort handelt, der Möglichkeiten eröffnet, an dem man sich gern aufhält. Vielleicht beginnt der Tag mit einer Vorlesung oder einer Übung in Präsenz, danach geht man an einen ruhigen Ort zum Lernen oder trifft sich anderswo zum gemeinsamen Diskutieren oder zum Entspannen. Später loggt man sich dann vielleicht in ein digitales Seminar ein, auch das natürlich aus Räumen der Hochschule heraus. Die Hochschulen müssen aber auch mit ihren Studienangeboten attraktiver werden, sie müssen flexibler werden, Orientierungsphasen und mehr Wahlmöglichkeiten bieten – und ein weniger vollgepacktes Curriculum.
"Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir den Weg zu wirklicher Gleichberechtigung stringent beschreiten."
Apropos Wettbewerb um die Talente: Im vergangenen Jahr gab es in der HRK einen heftigen Streit um die Gleichstellung. Dass es dann nur zwei männliche HRK-Präsidentschaftskandidaten gab, ist vielen Rektorinnen, aber auch Rektoren sauer aufgestoßen. Welche Bedeutung hat Frauenförderung in der Wissenschaft für Sie, Herr Rosenthal?
Wir müssen alles tun, um hier besser und schneller zu werden. Ich sehe nicht, dass in diesem Punkt gravierende Meinungsverschiedenheiten in der HRK gibt. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir den Weg zu wirklicher Gleichberechtigung stringent beschreiten.
Was heißt das konkret? Ebenfalls am Dienstag hat das HRK-Plenum beschlossen, dass eine Kommission den Entwurf einer Selbstverpflichtung erarbeiten soll – der dann nach Beschluss durch die Hochschulrektorenkonferenz die einzelnen Hochschulleitungen beitreten sollen. Das kann, wenn der neue HRK-Präsident sich dahinterklemmt, einen großen Unterschied machen. Und wenn nicht, ein Papiertiger werden, oder?
Die Hochschulrektorenkonferenz kann den einzelnen Hochschulen nichts diktieren, aber ich werde mich entschieden dafür einsetzen, dass diese Selbstverpflichtung so konkret und belastbar wie möglich wird. Stichworte sind aktive Rekrutierung, die Formulierung und Verfolgung von Gleichstellungszielen auf der Ebene der Hochschulleitung und in den Fakultäten, Stellenausschreibungen, die Gleichstellungsaspekten Rechnung tragen und vieles mehr.
Auch die Einführung einer Quote?
Ich bin kein Quotenbefürworter. Denn wenn man Quoten schlicht herunterbricht auf die Entscheidung zwischen zwei Bewerbungen, können Entscheidungen, die nicht qualitätsbasiert sind, die Folge sein.
Was, wenn man sich den Zustand akademischer Karrierepfade anschaut, derzeit nicht unbedingt ungewöhnlich ist an deutschen Hochschulen, oder?
Sie haben insofern Recht, dass wir mehr Transparenz brauchen, mehr Verbindlichkeit und klar strukturierte Wege auch für Dauerstellen in der Wissenschaft. Künftig sollte es mehrere Karrierepfade neben der Professur geben, die zu entfristeten Anstellungen führen.
Also insgesamt mehr Dauerstellen als bislang?
Das hängt von der Grundfinanzierung der Hochschulen ab. Bleibt diese, wie sie derzeit ist, reden wir wohl leider nicht vorrangig von mehr unbefristeten Stellen, sondern vom schrittweisen Aufbau einer anderen Stellenstruktur. Das wären vor allem Karrierewege, die weniger Hierarchie und mehr Unabhängigkeit für junge Forschende bringen. Es ist wichtig, dass wir diese neuen Karrierewege so gestalten, dass es nicht zu Insellösungen und Alleingängen in einzelnen Bundesländern kommt. Wichtig ist generell, dass junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler früh eigenständig werden, etwa dadurch dass sie eigene Fördermittel beantragen und selbst Zugang zu Forschungsinfrastrukturen haben.
"Der Fachkräftemangel wird dafür sorgen, dass die Hochschulen massive Personalprobleme bekommen, wenn sie als Arbeitgeber nicht attraktiver werden."
In der Debatte um die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) geht es ganz entscheidend um die Frage, wann der Übergang zu Dauerstellen stattfinden soll. Was sagen Sie?
Die HRK hat sich vor über einem Jahr darauf festgelegt, dass eine Befristung nach der Promotion im Rahmen einer Gesamtqualifizierungsphase von zehn Jahren noch für mindestens vier Jahre möglich sein sollte; länger ist besser. Gegenüber dem bisherigen BMBF-Vorschlag von drei Jahren brauchen wir auf jeden Fall eine Ausweitung. Denn wenn man derart stark an der Entfristungsschraube dreht, werden Karrierewege und Karrieremöglichkeiten viel zu früh abgeschnitten. Darum gab es von allen Seiten Proteste gegen den BMBF-Vorschlag. Natürlich müssen flankierend zu jeder WissZeitVG-Novelle die Karrierewege anders gestaltet werden, diese müssen transparenter und verlässlicher werden, und es muss neue Karrierewege geben – so, wie ich es gerade beschrieben habe. Dafür müssen sich die Hochschulen verbindliche Regeln geben.
Warum sollte das mit den Selbstverpflichtungen denn dann klappen?
Weil die Rahmenbedingungen sich grundsätzlich geändert haben. Der Fachkräftemangel wird dafür sorgen, dass die Hochschulen massive Personalprobleme bekommen können, wenn sie als Arbeitgeber nicht attraktiver werden. Wir werden dann schlicht nicht mehr alle unsere Promotions- und Postdoc-Stellen besetzen können.
Nicht immer haben Sie sich in der Vergangenheit als Reformer präsentiert. Als die ersten HAWs in Hessen und anderswo das Promotionsrecht erhielten, haben Sie sich entschieden gegen eine Übertragung auf Ihr Bundesland ausgesprochen. Doch seit kurzem plädieren Sie für ein bundesweites HAW-Promotionsrecht. Woher kommt der Meinungsumschwung?
Ich war und bin Befürworter der kooperativen Promotion. Doch wir müssen ehrlich feststellen, dass dieses Model nicht so erfolgreich war, wenn nur 150 von rund 26.000 Promotionen jährlich auf diesem Weg zustandekommen. Die Einführung eines HAW-Promotionsrechtes ist daher richtig. Außerdem ist die Evaluierung der HAW-Promotionsmodelle in Hessen und Nordrhein-Westfalen erfolgreich verlaufen. Alle anderen Bundesländer sollten jetzt nachziehen und das Promotionsrecht für HAW einführen. Wir können uns keinen Flickenteppich leisten.
Ein Wort noch zu Ihrer persönlichen Zukunft, Herr Rosenthal: Normalerweise vergehen Monate, bis man nach der Wahl HRK-Präsident wird. So dass man Zeit hat, seine Angelegenheiten zu ordnen. Sie sind seit Annahme Ihrer Wahl bereits im Amt. Was sagen Sie jetzt zu Hause an der Universität Jena?
Das ist ja eine Ausnahmesituation, die dadurch entstanden ist, dass es keinen regulär amtierenden HRK-Präsidenten mehr gab. Ich habe jetzt zwei Präsidentenämter, das in Jena im Hauptamt, das in der Hochschulrektorenkonferenz im Nebenamt. Natürlich habe ich in Thüringen an der Universität und mit dem Wissenschaftsministerium Gespräche geführt, um für den Fall meiner Wahl vorbereitet zu sein. Insofern werden wir jetzt alle daran arbeiten, einen zügigen, aber eben auch geordneten Übergang hinzubekommen, so dass aus meinem neuen Nebenamt bald mein neues Hauptamt wird.
Nationale Identitäten, kollektive Erinnerungen und mit diesen verbundene Geschichtspraktiken sind keine monolithischen Konstrukte, deren Ausverhandlung eine zielgerichtete und somit finalisierbare Praxis darstellt – es handelt sich dabei vielmehr um Prozesse, welche gesamtgesellschaftlich konstant im Lichte der Gegenwart neu hinterfragt und verortet werden. Die Dynamik solcher Prozesse nimmt jedoch insbesondere dann zu, wenn eine Nation als 'imagined community' (Benedict Anderson) neu konstituiert wird. Innerhalb Europas wurde dies in den 1990er Jahren besonders virulent: Aus den desaströsen Jugoslawienkriegen gingen sieben unabhängige Nationen hervor und alle beriefen sich in ihren Gründungs- und Legitimationsnarrativen auf vermeintlich jahrhundertalte Nationalitätsdiskurse. Hinzu kam die hoch komplexe Frage, welche identitätsstiftende Rolle die jüngsten Kriege in der Proklamierung und Etablierung der nationalen Selbstverständnisse spielen sollen. Das vierjährige interdisziplinäre Forschungsprojekt "FRAMNAT – Framing the Nation and Collective Identities" widmete sich zwischen Juli 2014 und Juli 2018 eben jener Frage innerhalb Kroatiens. Die Projektverantwortlichen der Universitäten Rijeka und Dubrovnik untersuchten dabei top-down und bottom-up-Strategien der öffentlichen Gestaltung (framing) der Nation sowie kollektiver Erinnerungen. Dabei galt es laut Projektbeschreibung, sowohl spezifische, geschichtspolitisch aufgeladene kommemorative Praktiken innerhalb von Case Studies zu untersuchen wie auch innovative Methoden für die Untersuchung kultureller Erinnerung und kognitiver Linguistik zu entwickeln (vgl. http://framnat.eu/the-project/?lang=en), welche auch außerhalb Kroatiens zur Anwendung kommen können. Neben der detailreichen und höchst informativen multimedialen Datensammlung, welche schrittweise auf der Website framnat.eu veröffentlicht und archiviert wurde, findet das Projekt nun mit diesem Sammelband seinen publizistischen Abschluss. Framing the Nation and Collective Identities – Political Rituals and Cultural Memory of the Twentieth-Century Traumas in Croatia versammelt unter der Herausgeberschaft von Vjeran Pavlaković und Davor Pauković elf Texte, welche sich der retrospektiven Analyse der dokumentierten Case Studies der letzten vier Jahre widmen: "We identified seven commemorations […] that were relevant because they either attracted the country's political leadership and were of national significance or were particularly controversial and therefore provoked debates that would reveal how various actors framed the nation through rival 'truths' over the past" (S. 2). Bei den sieben Fallbeispielen handelt es sich zunächst um kommemorative Praktiken zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, insbesondere die Rolle des kroatisch-faschistischen NDH-Staats (Gedenkveranstaltungen bezüglich des Konzentrationslagers Jasenovac) sowie der Verbrechen seitens der kommunistischen Partisanen gegenüber ethnischen Kroaten infolge der Kapitulation Hitlerdeutschlands und seiner Verbündeten (Gedenkveranstaltungen in Bleiburg, Jazovka, Brezovica und Srb). Weiters wurden Gedenkmärsche und öffentliche Reden in Bezug auf die Erinnerung an den jüngsten Krieg analysiert (in Knin und Vukovar, wobei das erstgenannte Fallbeispiel ein Siegernarrativ des Krieges und Zweiteres ein Opfernarrativ bedient). Die editorische Zusammensetzung der einzelnen Beiträge gliedert sich in vier sehr übersichtliche Teile: Der erste Teil setzt sich aus soziokulturellen, philosophischen und linguistischen Annäherungen an Kroatiens Erinnerungs- und Geschichtspolitik zusammen. Pero Maldinis Beitrag widmet sich hier dem soziokulturellen Kontext einer spezifischen kroatischen Erinnerungskultur aus einer politikhistorischen Perspektive. Er weist nach, dass politische und ideologische Konflikte innerhalb Kroatiens oftmals nicht auf sozioökonomischen Trennlinien innerhalb der Gesellschaft fußen, sondern ihre Basis insbesondere in den konträren Ansichten politischer Eliten finden. Renato Stanković verbindet in seinem Beitrag Erinnerungspolitik mit zeitgenössischer Philosophie. Dabei geht es in erster Linie um die Frage, was der eigentliche Inhalt staatlicher Erinnerung ist und wie jener innerhalb der kroatischen Gesellschaft distribuiert wird. Der dritte Beitrag des ersten Teils stammt von Benedikt Perak und beschäftigt sich mit einer ontologischen, konzeptuellen und linguistischen Perspektive auf die 101 im Rahmen des FRAMNAT Projekts analysierten Reden. Der Text dekonstruiert und vergleicht den Inhalt der Reden – auch in übersichtlichen, aber leider in dieser Erstausgabe undeutlich gedruckten Übersichtsgrafiken. Der zweite Teil des Buchs umfasst zwei von den Herausgebern verfasste Beiträge zur Gedenkkultur an den Zweiten Weltkrieg. Davor Pauković beschäftigt sich mit öffentlichen Reden sowie der medialen Repräsentation der Gedenkmärsche in Bleiburg und Jazovska. Dabei werden historische Revisionen der Verbrechen der Partisanen gegenüber ethnischen Kroaten und die Instrumentalisierung der Opfer für entsprechende zeitgenössische kroatisch-nationalistische Narrative hinterfragt. Die Problematik sieht der Autor weniger in der Erinnerungskultur an den Zweiten Weltkrieg und die NDH-Führung an sich verankert: Vielmehr drängt sich laut Pauković die Frage auf, wie an das kommunistische Regime im ehemaligen Jugoslawien erinnert werden soll. So ist in den kroatischen Erinnerungsnarrativen bis heute nicht restlos geklärt, ob die Tito-Führung tatsächlich anderer Natur war als jene des Ostblocks. Diese historiographische Unklarheit über die politische Natur der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien bildet den Nährboden für die Instrumentalisierbarkeit nationaler und nationalistischer Identitätsdiskurse. Vjeran Pavlaković untersucht die öffentlichen Auftritte führender Politiker in Bezug auf das Konzentrationslager Jasenovac. Tausende Serben, Juden und Roma sowie Gegner des NDH-Regimes wurden hier systematisch ermordet. Die Opferzahlen wurden noch zu Zeiten des sozialistischen Jugoslawiens propagandistisch verfälscht, nach der Unabhängigkeit der Teilrepubliken daraufhin von nahezu jeder Seite in die Höhe getrieben (seitens radikaler serbischer Nationalisten) oder heruntergespielt (seitens kroatischer Nationalisten bzw. Befürworter des NDH Regimes, die darin den ersten unabhängigen kroatischen Staat sahen). Pavlaković weist nach, wie sich die Rolle des Vernichtungslagers innerhalb der öffentlichen kroatischen Gedenkkultur im Rahmen des EU-Integrationsprozesses Kroatiens sichtbar verändert hat: Politische Akteure sprachen nach 2011 öffentlich über die dunklen Seiten der ansonsten oftmals verharmlosten kroatischen faschistischen Vergangenheit. Die 'Europäisierung' der kroatischen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs schien ein wichtiger symbolischer und kulturpolitischer Schritt zum 2013 erfolgten EU-Beitritt, fußt doch der Gründungsmythos der Europäischen Union auf der paneuropäischen Vergangenheitsbewältigung der Verbrechen, Genozide und Kriege der 1930er und 1940er Jahre. Innerhalb der Untersuchungsjahre des FRAMNAT Projekts, respektive unmittelbar nach der Eingliederung Kroatiens in die EU, änderte sich der Erinnerungsdiskurs. Der viel beachtete staatlich finanzierte Propagandafilm Jasenovac – Istina (Jasenovac – Die Wahrheit; R: Jakov Sedlar, 2016) erregte die Gemüter der politischen Linken, stellte jedoch nur einen der vielen geschichtsrevisionistischen Schritte in der Relativierung kroatischer Verbrechen des Zweiten Weltkriegs dar. So besuchte beispielsweise 2015 die neu gewählte Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović Jasenovac ein paar Tage vor der jährlichen offiziellen Gedenkveranstaltung. Während ihre beiden Vorgänger, um europäische Integration bemüht, klare Worte für die Verbrechen fanden, legte sie als Kandidatin der konservativen Partei HDZ im Rahmen einer Gedenkveranstaltung einen Blumenkranz wortlos zu Boden. Auf jegliche Rede wurde verzichtet. Jedoch bedeutet Stille in diesem Falle nicht den Respekt vor den unaussprechlichen, abscheulichen faschistischen Verbrechen, sondern vielmehr ein bewusstes Nicht-Benennen historischer Verantwortung. Dem nicht genug, sagte Grabar-Kitarović ihre finanzielle Unterstützung für die Bleiburg-Erinnerungsmärsche zu – eine Finanzierung, die in den Jahren zuvor nicht genehmigt wurde: "[…] she toed the HDZ line of condeming all totalitarianisms equally, which de facto meant silencing Ustaša victims while focusing almost exclusively on the crimes committed by the Yugoslav communist regime" (S. 127). Der dritte Teil widmet sich den Erinnerungspolitiken des Kroatienkriegs (in Kroatien genannt: 'domovinski rat', 'Heimatkrieg'). Ivor Sokolićs Beitrag befasst sich mit der Instrumentalisierung von Veteranen in kommemorativen Reden, welche in Vukovar und Knin in den Jahren 2013 und 2014 gehalten wurden. Die an der serbisch-kroatischen Grenze gelegene Stadt Vukovar wurde zum Symbol des feindlichen serbischen Angriffs und Kroatiens als Opfer, während die Befreiung der serbisch besetzten Stadt Knin innerhalb der Operation 'Sturm' unter General Ante Gotovina das Narrativ des heroischen Kriegssiegers etablierte. Während identitätsstiftende Gründungsmythen zumeist entweder auf Narrativen des Opfers bzw. des Verlusts oder auf Narrativen des Sieges basieren, ist eine kroatische Besonderheit, dass zwei Mythen gleichermaßen nationalitätsstiftend fungieren, der des Kriegsopfers wie auch des Kriegssiegers. In allen in Vukovar und Knin aufgezeichneten und analysierten Ansprachen seitens politischer Repräsentanten zeigt sich, dass insbesondere gegenüber Veteranen eine Fortschreibung des Kriegs kommuniziert wird. Veteranen (und ihre Angehörige) bleiben somit in einer künstlich erhöhten Alarmbereitschaft, welche sie zu politisch leicht steuerbaren potentiellen Wählern der kroatischen Rechten macht: "The war narrative appeals to their emotions, leading to emotional rather than rational interpretations of the world" (S. 157). Einer näheren Untersuchung der Erinnerungskultur in Vukovar selbst widmet sich Tamara Banjeglav in ihrem Beitrag, welcher das jährliche Gedenken sowohl aus kroatischer Perspektive wie auch seitens der serbischen Minderheit untersucht. Zwei weitere Texte zum Kroatienkrieg verfahren daraufhin diskursanalytisch: Ana Ljubojević befragt die Rolle der Den Haager Prozesse auf die Erinnerungskultur Kroatiens und analysiert hierfür einerseits das Krankenhaus in Vukovar, welches in einem musealen Trakt der Erinnerung an die hier begangenen Verbrechen seitens serbischer Militärs kommemoriert und andererseits den Fall des Generals Ante Gotovina, welcher zunächst in Den Haag für Kriegsverbrechen verurteilt, in zweiter Instanz jedoch freigesprochen wurde und als Kriegs- und Nationalheld nach Kroatien zurückkehrte. Ljubojević schlussfolgert aus ihren Analysen, dass die Arbeit des Kriegsverbrechertribunals keinerlei nachhaltigen Einfluss auf die Erinnerungskultur des Landes hatte. Dario Brentins Beitrag nennt medial stark präsente Profisportler 'Ambassadors of memory'. Sein Text beschäftigt sich mit dem Profisport als Feld der Reproduktion nationaler Narrative und beschreibt nicht nur öffentliche Aussagen von Sportlern bezüglich des Kroatienkriegs, sondern auch die Visualisierung von Kriegsbildern in Graffitis und anderen Grafiken seitens der Anhänger diverser Fußballvereine. Der vierte und letzte Teil des Sammelbands wendet sich transnationalen Dimensionen der kroatischen Erinnerungskultur zu. Nikolina Židek beleuchtet die bislang publizistisch wenig beachtete kroatische Diaspora in Argentinien, welche sich nach dem Zweiten Weltkrieg ebendort formierte und wo sich bis heute NDH-relativierende und neofaschistoide Narrative mehrheitsfähig erhalten haben. In einer Diskursanalyse der kroatischen Diaspora-Medien in Argentinien wird nachgewiesen, dass der Kroatienkrieg der 1990er Jahre dort nur als eine Art Fortschreibung des seit dem Zweiten Weltkrieg andauernden kroatischen Unabhängigkeitskampfs gesehen wird. Ana Milošević beschließt das Buch mit einer Analyse der 'Europäisierung' der spezifischen Erinnerung an den Fall von Vukovar. Innerhalb des Europäischen Parlaments wird jährlich der Opfer der Stadt gedacht – das kroatische Opfernarrativ wird hier international weitergetragen. Fraglich bleibt, wie diese höchst fragmentierte und selektive Erinnerungspolitik im Europäischen Parlament nach einem eventuellen EU-Beitritt Bosnien und Herzegowinas oder Serbiens aussehen könnte. Mit diesem Sammelband ist dem Forscherteam des FRAMNAT Projektes ein großer wissenschaftlicher und forschungspolitischer Wurf gelungen: Die jahrelange Akkumulation von Daten (die Website einschließlich des YouTube-Kanals spricht für sich) findet in präzisen und methodisch vielfältigen Textanalysen hier ihr vorläufiges Endergebnis. Das Lesevergnügen wird auch nicht durch kleine Mankos getrübt – beispielsweise den ungenauen Umgang mit dem Begriff des 'Rituals' oder den gelegentlichen Beigeschmack von Repetition (in nahezu jedem Kapitel wird der historische Kontext zuvor genannter Fallbeispiele erneut erklärt). Die hier angewandten Methoden könnten (und sollten!) in Folgeprojekten weitere Anwendung finden – beispielsweise um die kulturelle Erinnerung an das 20. Jahrhundert und damit verbundene Traumata in anderen jugoslawischen Nachfolgestaaten zu dekonstruieren. Überschneidungen und Gemeinsamkeiten sind zu erwarten und wären ein notwendiger wissenschaftspolitischer Beitrag in der schleppenden Auseinandersetzung mit der Kriegsvergangenheit und ihrer Erinnerungspolitiken.
"There is very little in the history of the theatre in Western Europe that has escaped academic attention, and the sixteenth century is no exception." Bereits der einleitende Satz dieses von ThomasF. Earle und Catarina Fouto herausgegebenen Sammelbandes skizziert den Anspruch der Publikation: nämlich vor allen Dingen Bekanntes neu zu vernetzen und zu beleuchten. Dies gelingt in recht hohem Maße, wirft aber vor dem Hintergrund des Bandtitels – The Reinvention of Theatre – auch wiederholt die Frage nach dem zugrunde gelegten Theaterbegriff auf: Ist das 16.Jahrhundert theaterhistorisch wirklich bereits umfassend erforscht? Die hier versammelten Aufsätze, die im Kern auf eine 2011 in Oxford abgehaltene Tagung zu lateinischer und volkssprachlicher Dramatik des 16.Jahrhunderts zurückgehen, begreifen sich als kritischen Einblick in die "rich and varied dramatic production" (S.7) der Frühneuzeit. Die angestrebte Interdisziplinarität und Vernetzung wird aber bereits hier von einem klaren Textprimat überschattet: Es geht eben um "dramatic production" als Theater, weniger um die – immerhin erwähnten – "elite and popular practices" und "sacred and secular traditions" jenseits eines dramenbasierten Theaterbegriffs, die im 16. Jahrhundert jedoch einen Großteil theatraler Praxen stellen und für ihr Verständnis elementar sind. Da die Herausgeberperspektive die einer philologisch orientierten Lusitanistik ist, ist diese Ausgangsposition jedoch nachvollziehbar. Nimmt man sie als solche zur Kenntnis, so erschließen sich in der Lektüre lohnende und bislang wenig präsente Zusammenhänge auch für theaterhistorisch Interessierte, deren Schwerpunkte abseits der Dramentradition liegen. Der Fokus liegt, den Forschungsgebieten der Herausgeber*innen geschuldet, vor allem in der Iberoromanistik und in der Klassischen Philologie (Neulatein), die hier gut aufbereitet zugänglich gemacht werden. Hervorzuheben sind wiederkehrende Bezüge zu marginalisierten und außerliterarischen Traditionen und die Bereitschaft, auch Theatergrößen des 16. Jahrhunderts wie Vicente oder auch Shakespeare weniger als Texte, denn als Kontexte zu begreifen – so etwa im vielfältigen und genau dokumentierten Nachspüren von Quellen und Einflüssen in der Dramenproduktion (Alves, Cardoso Bernardes) und ihrer Weitergabe (Whetnall, Anastácio). Hierbei zieht sich insbesondere die humanistische Terenz- und Plautusrezeption, vorrangig in Portugal und England, als roter Faden durch den Band. Von den eingenommenen Perspektiven besticht der Blick auf Dramen zwischen Reformation und Gegenreformation als Austragungsort religionsanthropologischer Debatten, im Calvinismus (Meere) wie auch zwischen Lutheranismus und Jesuiten (Watanabe-O'Kelly). Die Beiträge liefern einen vorzüglichen Einblick in einen in der deutschsprachigen Theaterwissenschaft wenig diskutierten Quellenkorpus. Wiederholt finden sich in den Appendizes der einzelnen Aufsätze Neuübersetzungen ganzer Szenen, viele schwer zugängliche Materialien sind bibliografisch hervorragend aufgearbeitet und profitieren von der sorgfältigen Herausgabe. Gruppiert ist der Band in drei Themengebiete, in einen quantitativ überwiegenden (acht Beiträge) zu Literary Tradition and the Theatre, gefolgt von einem schmalen Abschnitt (drei Beiträge) zu Theatre and Performance und einem ähnlich bescheidenen (vier Beiträge) zu Theatre and Society. Inwieweit hier klare Grenzziehungen überhaupt möglich sind, ist eine andere, in der Herausgabe schwer zu lösende Frage. Deutlich wird aber durchweg, dass Philologien, Theaterwissenschaft und anthropologische Kulturwissenschaft in Bezug auf frühneuzeitliche Theaterhistoriographie voneinander profitieren können und dialogische Forschung sinnvoll wäre; der vorliegende Band würde einen guten Knoten in einem solchen Netzwerk darstellen. Der einleitende Beitrag von Hélio Alves setzt gleich bei Shakespare und einem "good look in the neighborbood" (S. 12) an, indem er die häufig dem Shakespeareschen Hamlet zugeschriebene Innovation eines innerlichen Bewusstseins auf der Bühne – Alves spricht von "inwardness" – anhand der Lektüre zweier Vicente-Dramen von einer Autorschaftsdebatte abkoppelt und stattdessen auf mehrere frühere Instanzen und einen breiteren Kontext verweist: In der Geschichtsschreibung an individuellen Genius gebundene Konventionen ließen sich in größeren Zusammenhängen fassen, "when placed in their adequate historical position within a theatrical practice beginning much earlier" (S. 18). Es sind vor allem solche Zugänge, die den Band für theaterwissenschaftliche Forschung interessant machen. Mit der Frage von Druckfassung versus Spielfassung befasst sich José Augusto Cardoso Bernardes, der Vicentes Auto da Festa als dramaturgischen Steinbruch untersucht.Auch er beschäftigt sich mit der sich wandelnden Rolle von Autorschaft im 16. und auch 15.Jahrhundert: die erst zwanzig Jahre nach Vicentes Tod erfolgte Werkausgabe von 1562 bilde gerade auch Entscheidungen seiner Herausgeber*innen ab. Die Analyse des Verhältnisses der Figuren Fool und Truth macht deutlich, wie sehr hier eine Verschränkung mit stärker theateranthropologischen Positionen (Tricksterbegriff, grotesker Körper, Erste Natur) Ergebnisse schärfen könnte. Jane Whetnall behandelt vordergründig das Datierungsproblem – spätes 15. oder doch 16.Jahrhundert? – des anonymen Auto de la huida a Egipto und geht der Verfügbarkeit von Vorlagen nach, die sie in Klosterzirkeln des 12. bis 14. Jahrhunderts lokalisiert. Während eine Zuschreibung wie "theatrically mature" (S.42) als Wertung nicht unproblematisch ist, erschließt die Quellensuche ein transdisziplinär sinnvolles "kulturelles Umfeld des Entstehens" (S.44), auch über Ländergrenzen hinaus, und argumentiert so überzeugend für eine "international tradition" (S.73). In den Beiträgen des Herausgeberteams stechen für theaterhistorisch Arbeitende die eher beiläufig vorgebrachten Positionen zum Theaterverständnis produktiv heraus. Während Earle eingangs anmerkt, dass es zu Ferreiras Zeiten kein professionelles Theater gegeben habe, aber dann auf eine etablierte Infrastruktur von Dramenaufführungen bei Hof, in Privathäusern und in den Universitäten verweist, spricht Fouto trotz der von ihr postulierten Neuerfindung von Komödie und Drama im portugiesischen 16.Jahrhundert ganz selbstverständlich von älteren Traditionen: "Long before the work of Plautus, Terence, Seneca and Euripides sparked the interest of the Portuguese elites, there was a thriving dramatic tradition, specific to the Iberian peninsula, which was very popular across society: the Portugese auto" (S.89). Earles Hauptaugenmerk liegt, aus eher psychologisierender Perspektive, auf einem von ihm bei Ferreira in den Komödien Cioso und Castro ausgemachten Umschwung von 'plot driven' zu 'character driven', der Ferreira erlaube, sich von den strengen klassizistischen Vorlagen zu emanzipieren (S. 83). Auch hier überzeugt die Einordnung in eine mit den 1550er Jahren bereits etablierte Aufführungspraxis römischer Theaterliteratur in Portugal. Foutos Interesse gilt den "concepts of dramatic theory of Portuguese humanist playwrights" (S.89), die sie in eine ins Mittelalter zurückreichende Überlieferungstradition stellt. Zwischen Tradition und Innovation – wie antiken dramaturgischen Mustern, aber dann volkssprachlichen, gegenwartsorientierten Neuerungen – untersucht sie allen voran Teives Tragödie Ioannes Princeps, die sie auch genreübergreifend befragt und so den Bandtitel der "reinvention" programmatisch thematisiert. Einen theaterhistorisch durchaus anschlussfähigen Beitrag liefert Martin McLaughlin mit einer eigentlich rein philologischen Untersuchung zur Wiederentdeckung Terenz' im Italien der Renaissance. In der peniblen Analyse von Vokabular und Stilistik bei Alberti und Macchiavelli erarbeitet McLaughlin einen Quellenkorpus (wie z.B. den Donatus-Kommentar zu Terenz), der sich in den Komödien beider Autoren nachweisen lässt, eröffnet dabei aber – wenn auch nur implizit – als Nebenprodukt auch einen Blick auf die imitierende Schreibpraxis von frühneuzeitlichen Komödien und wirft die Frage nach dem Einfluss vom Wissen um Stilvorgaben auf. Ähnlich eng am Text beschäftigt sich Elizabeth Sandis mit John Gagers Ergänzungen zu Senecas Hippolytus, die sich aber auf eine konkrete Aufführung von 1592 beziehen. Sie verfolgt Gagers Umgang mit Mythosgeschichte und konkreten Fassungen anhand der Figur der Phaedra. Auch hier ist das Interesse der Autorin eigentlich ein philologisches, die Ebenen von Drama und Quellenüberlieferung lassen sich jedoch um Aufführungspraxis und Schauspieltheorie ergänzen – Randkommentare wie der Vergleich zwischen Universitätstheater und "theatro vulgari" (S. 150) lassen hier aufhorchen, ebenso wie die "mythological cycles" (S. 151), deren Verhältnis zu zeitgebundenen Narrativen zum theaterwissenschaftlichen Weiterdenken einlädt. Eine stärker translatologische Perspektive bietet Katherine Jeffs Verhandlung von Guillen de Castro als Vorläufer der comedia nueva, in der sie die aktuelle Vermittelbarkeit frühneuzeitlicher Komödienfiguren thematisiert und an den Begriff der Identität anknüpft (S.179), der hier über den Zugang der Sozialrolle leichter fassbar wäre. Der Abschnitt zu Theatre and Performance beginnt mit einer vorzüglich differenzierten Betrachtung des Verhältnisses von Berufsschauspieler*innen und Akademiekultur im Italien des 16. Jahrhundert – "the obscure and complex relationship between the new professional theatrical companies and the Italian literary academies" (S.189), die gerade auf Seiten der Akademienforschung Desiderate aufweise. Lisa Sampson, die umfangreiches Archivmaterial heranzieht, schließt hier eine erste Lücke in diesem für Theaterhistoriker*innen unbedingt lesenswerten Beitrag. Akademien und professionelle Wandertruppen als "micro-societies" (S.190) befänden sich trotz deutlicher formulierter Abgrenzung in einem komplexen Wechselverhältnis. Sampson streicht das innovative Potential der Akademien ebenso heraus wie die Verbindung zu früheren Festgesellschaften (deren anthropologische Dimension nicht zum Thema gemacht wird). Die vereinzelte Aufnahme von Schauspielprofis in Akademien und die diesbezüglichen Inszenierungsstrategien beider Seiten legt Sampson ebenso überzeugend offen wie die Destabilisierung des Akademie-Begriffs im 17.Jahrhundert, als professionelle Truppen zunehmend auch in die literarische Produktion drängten. Katherine Duncan-Jones setzt ihre Überlegungen zur Reichweite der Schauspielkünste William Kemps in den Kontext der Clown-Trias Tarlton, Kemp und Armin. Hierzu betrachtet sie Spielbezüge ebenso wie biographische Milieus und fasst Kemps Bedeutung durch Aufführungsberichte und Spieltexte ein. Auch hier ließe sich mit theaterwissenschaftlicher Forschung zu reisenden Truppen anknüpfen. Als dritter und letzter Autor im Abschnitt zu Performance befasst sich José Camões erneut mit Vicente – hier geschildert als vielseitiger Theaterpraktiker und nicht nur als Autor – und seinen Neuerungen, "towards modernity and the renaissance separation of performance and audience" (S.239), die wiederum in den Jahrzehnten nach Vicente kopiert worden seien. Der dritte Teil des Bandes – "Theater and Society" – beginnt mit einem weiteren Beitrag zu Terenz und Plautus als bildungspolitischen Instanzen im Tudor-England des 16. Jahrhunderts, die das Theaterschaffen beeinflussten. Peter Brown untersucht Vokabular und Plotmuster, macht aber bereits eingangs klar, dass "how thoroughly embedded Latin comedy was in the developing dramatic culture of the period" (S.255) nur ein Aspekt theatraler Praxen der Zeit ist. Das Panorama früher Spieldaten und Orte – wie der eventuell ersten Terenz-Aufführung in Cambridge 1510/1511 – bietet theatergeschichtlich interessante Einblicke, ebenso wie der Antikentransfer über Renaissance-Italien nach England, die Brown anhand der Humanistenkomödien wie Ariosts I Suppositi, aber auch Rojas' Celestina schildert. Das zentrale Beispiel der Shakespeareschen Comedy of Errors wäre gar nicht einmal notwendig, erlaubt aber Überlegungen zum Stigma der Übersetzungspraxis als ein Rühren an die Autorität des Lateinischen als Lingua Franca– hier lässt sich an einen bewusst limitierten Zugang zu Terenz als soziale Abgrenzungsstrategie die Frage anknüpfen, für wen und von wem hier Theater und Theaterpolitik bestimmt wurden. Vanda Anastácio beschäftigt sich im Anschluss erneut mit Überlieferungstraditionen, indem sie eine Camões-Handschrift einer Printedition gegenüberstellt und sich so einem größeren Quellenpanorama annähert, dessen Verknüpfung zu Spieltraditionen aber nicht weiter thematisiert wird. Die beiden abschließenden Beiträge befassen sich mit religionspolitisch motiviertem Theater der Reformation: Michael Meere, der nicht von Neuerfindung, sondern sinnfällig einfach von einem "shift in French theatre" (S.297) spricht, blickt vor allem auf die Inszenierung und Legitimation von Gewalt in calvinistischem Theater ("militant and trascendent violence", S.301), das Tagespolitik und Exegese kombiniere – ein Argument, dass auch Helen Watanabe-O'Kelly aufgreift und weiterspinnt. Vor allem das deutschsprachige Dramenschaffen sei im Jahrhundert nach der Reformation an religionspolitische Fragen gebunden, erst mit dem 17. Jahrhundert geschehe hier ein Freischwimmen hin zu stärker historischen und mythischen Stoffen (S.328). Watanabe-O'Kelly stellt Thomas Naogeorgs Pannamachius ins Zentrum, einen protestantischen Angriff auf den Papismus, und weist hierbei auf die frühe Verwendung von Theater als Propagandamittel durch Luther und seine Kollegen hin, entwirft mit vielfachen Verknüpfungen und stupender Quellenkenntnis jedoch ein weitaus größeres Panorama. The Reinvention of Theater in Sixteenth-Century Europe bietet somit trotz stark philologischer Ausrichtung auf einen dramenbasierten Theaterbegriff auch theaterwissenschaftlich lohnenswerte, transnationale Einblicke in Theaterschaffen und Tradierungslinien des 16.Jahrhunderts.
1901 wurde der Musikverlag "Universal-Edition" als Aktiengesellschaft in Wien gegründet; 1909 hatte der neue Verlag bereits 660.684 Auflagen gedruckt. Schon der Verlagsname drückte die neue musik-politische Intention des Verlagsprogramms aus: umfassende Sachausrichtung und Internationalität. Schon dadurch unterschied sich der Verlag deutlich von seinen Vorgängern aus dem 19. Jhdt. Durch seine neue Verlagspolitik wurde die UE zu einem besonders lohnenden Gegenstand wissenschaftlicher Forschung: der erfolgreiche Aufbruch von Schönberg, Bartok oder Milhaud sowie beinahe der gesamten damaligen Avantgarde waren ein Verdienst Emil Hertzkas, des im Jahre 1907 neuernannten Direktors. Daher war nach bisheriger Betrachtung die "Universal-Edition" vor allem ein Verlag für neue Musik, doch der Autor räumt mit dieser falschen Vorstellung auf: ein auf Zeitgenössisches konzentriertes Unternehmen hätte kaum überleben können. Den entscheidenden ökonomischen Erfolg der UE ermöglichten Bearbeitungen, Arrangements, und Einrichtungen klassischer Stücke für Hausgebrauch und Unterricht. Keine Geringeren wie Bartok, Bülow, Krenek, Mahler, Malipiero, Prokofiew, Reger, Schenker, Schönberg, Strawinski stellten diese Bearbeitungen in höchster musikalischer Qualität her. Der vorliegende Katalog der UE weist von der Verlagsgründung (1901) bis Hertzkas Tod (1932) rund 10.000 Editionen detailliert und vollständig nach und dokumentiert damit somit auch ein Stück Zeitge-schichte. Auch Fragen des Urheberrechts, der Vertragsformulierung und der ästhetisch-religiösen Interessen Hertzkas werden vom Autor behandelt. Herztka gab erstmals nicht nur Sammlungen sondern Einzelhefte heraus; er kaufte kleinere Verlagshäuser an (Erwerb der Rechte an Werken u.a. von Bruckner und R. Strauss); er bot Arrangements sofort nach Ablauf der Schutzfrist eines Komponisten an (z.B. 1913 für Wagner). Bei allen Arrangements identifizierte der Autor die zugrunde liegenden Originalwerke und versah sie mit den ursprünglichen Nummern der jeweiligen Werkverzeichnisse. Den vielleicht größten finanziellen Erfolg hatte die UE durch die umfassende Herstellung von Leihmaterial für Orchesterwerke anstelle des Verkaufs von Stimmen und Partituren: Papiergeschäft vs. Bühnengeschäft, eine neue intensivierte Nutzung der Verlagsrechte. In Hertzkas Verträgen zeigt sich durch die Unterscheidung von Arrangement, Revision und Herausgabe die zunehmende Historisierung der Musik, mit der allerdings jenes Geld zu verdienen war, mit dem die weniger ertragreiche neue Musik finanziert werden konnte. ; In 1901 the music publishing house Universal Edition (UE) was founded in Vienna as an incorporated company – and by 1909 it already had 660,684 printed editions. Even the name of the publishing house expressed the new intention of its editing programme: a strong orientation towards wide-ranging content and internationality, which immediately distinguished the new publishing house clearly from its 19th century predecessors. This new publishing policy made the UE a most rewarding task for academic research: the credit for the successful rise of Schoenberg, Bartók, Milhaud and almost the whole avant-garde of that time must go to Emil Hertzka, who was appointed as the new director in 1907. According to the traditional view, the UE was first and foremost a publisher for modern music. The present author shows this to be a fallacy: a company concentrating on contemporary music could have never survived. The crucial factor in the UE's economic success was its arrangements of classical pieces for domestic and educational use. Authors no less prominent than Bartók, von Bülow, Krenek, Mahler, Malipiero, Prokofiev, Reger, Schreker, Schoenberg and Stravinsky took care to make arrangements of this kind in the highest possible quality. The thesis's presents a catalogue of UE publications – covering the years from its foundation (1901) until Hertzka's death (1932) – listing ca. 10,000 editions completely and in detail, and by doing so also documents historical aspects of the period under consideration. The author also deals with issues ranging from Hertzka's aesthetic and religious interests through to copyright and legal aspects of contracts. Hertzka, for example, was the first publisher to offer single editions as opposed to volumes of collected works; he bought up smaller publishing houses (e.g. acquiring the rights for Bruckner and R. Strauss); and immediately after the termination of a composer's copyright he brought out arrangements (e.g. 1913 with Wagner). All arrangements were identified in accordance with the original title and were given the original opus number from the respective composer's own catalogue-raisonné. However the greatest financial success was probably achieved through the preparation of rental material for orchestras rather than through selling parts and scores (UE possibly being one of the first publishers of which this was the case). This led to a new intensified use of the rights owned by the publisher and the generation of substantial income from selling rights for performances as opposed to selling printed material. In the contracts issued by Hertzka, furthermore, we discover a new distinction between arrangement, revision and edition that reflects a new historiographical approach; this, it may be noted, also made the money to finance the less profitable modern music. The present thesis makes a notable contribution to the research into the editorial politics of the larger publishing houses and presents detailed data and knowledge of the kind necessary for a comprehensive history of the reception of music. ; En 1901, la maison d'Edition musicale « Universal-Edition » (UE) fut une société créée dont le capital avait été formé à partir d'un portefeuille d'action ; et dès 1909 le succès fut tel que cette maison avait déjà imprimé 660.684 exemplaires. Le nom de cette maison d'édition affirmait déjà sa nouvelle politique éditoriale avec un programme dont ses intentions étaient de se consacrer à une édition musicale collective dans un cadre international. UE se différenciait déjà clairement de celles de ces prédécesseurs du siècle dernier : la nouvelle politique éditoriale d'UE s'attachait à se munir de l'autorité scientifique reconnue des plus grands musiciens, compositeurs et professeurs. D'Emil Hertzka, cet homme qui devint en 1907 le nouveau directeur d'UE, on retiendra le mérite d'avoir misé sur le succès de jeunes compositeurs tels que Schönberg, Bartók ou de Milhaud comme de l'ensemble de l'avant-garde contemporaine ; et ce fut grâce à lui que l'on considérait jusqu'à présent qu'UE avait été avant tout une maison qui s'était principalement consacrée à l'édition de la musique moderne. L'auteur, cependant, fait table rase de cette idée reçue, car si Hertzka avait concentré uniquement cette entreprise sur la publication de la musique contemporaine, UE n'aurait jamais pu subsister jusqu'à ce jour. Les arrangements ou révisions des œuvres classiques pour l'usage domestique et l'enseignement garantirent le succès financier d'UE. Et ceux qui firent ces arrangements avec la plus haute qualité musicale se nommaient Bartók, Bülow, Krenek, Mahler, Malipiero, Prokofiev, Reger, Schreker, Schönberg ou Stravinsky. Le catalogue raisonné d'UE présenté ici, et qui va de la création d'UE (1901) jusqu'à la mort d'Hertzka (1932), s'attache à faire la description la plus détaillée possible des 10.000 premiers numéros d'éditions, chacune d'entre-elle représentant un moment de l'histoire musicale. La question des droits d'auteurs, de la formulation de leurs contrats comme des aspects esthétiques ou religieux des compositeurs, tous chers à Hertzka, seront aussi traités par l'auteur. Hertzka ne fit pas uniquement l'édition de tomes mais aussi de fascicules ; il racheta des petites maisons d'édition (pour acquérir les droits des œuvres de Bruckner ou de Strauss par exemple), proposa après l'expiration du délai de protection des droits d'un compositeur d'en faire des arrangements (par ex. Wagner en 1913). Tous ces arrangements se trouveront dans la rubrique consacrée à son compositeur d'origine. Mais le plus grand succès financier d'UE fut de s'attacher à la vaste production de la location de matériels d'orchestre au lieu de vendre les parties d'orchestre et les partitions : c'était faire la transition du Papiergeschäft (vente sur papier) à celle de Bühnengeschäft (location du matériel musical) lui permettant d'exploiter aussi ses droits éditoriaux. De ces contrats que fit signer Hertzka, nous découvrons une nouvelle distinction entre les notions d'arrangement, de révision et d'édition dite critique qui reflète une nouvelle approche de l'histoire musicale et force est d'admettre que l'argent qu'il en tira lui permit de financer la musique moderne. Cette présente thèse se veut être un outil de recherche pour les musicologues qui pourront déceler les rouages de la politique éditoriale de ces grandes maisons d'édition musicales et dont les détails qui s'y trouvent les aideront peut-être à mieux percevoir l'histoire de la réception musicale.
Aus der Einleitung: In der politischen Debatte in Deutschland ist man es gewohnt, dass in regelmäßigen Abständen immer mal wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des herannahenden Sommerlochs in der Berliner Republik. Von Dauerbrennern wie dem hohen Ölpreis mit seinen möglichen Ursachen und dem Klimawandel einmal abgesehen, gibt es kaum ein anderes Thema, dass die Gemüter in Politik und Wirtschaft zurzeit derart erhitzt, wie das Thema Mindestlöhne. SPD und Gewerkschaften wollen staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen, Union und Arbeitgeberverbände lehnen jegliche staatliche Einmischung in die Lohngestaltung ab. Die vorliegende Arbeit wird, vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über die Notwendigkeit sowie Sinn und Zweck staatlich festgesetzter Mindestlöhne, die wichtigsten wirtschaftswissenschaftlichen und rechtswissenschaftlichen Aspekte staatlich vorgegebener Lohnuntergrenzen durchleuchten. Dabei wird sich die Untersuchung auf die durch Legislative (allgemeiner, branchenübergreifender gesetzlicher Mindestlohn) und Exekutive (Branchenmindestlöhne durch Rechts-verordnung im Wege des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder Mindestarbeits-bedingungengesetzes) vorgegebenen Lohnuntergrenzen beschränken. Die Setzung von Lohnuntergrenzen durch einzelfallbezogene richterliche Entscheidung (sog. richterlicher Mindestlohn) wird somit nicht Gegenstand dieser Arbeit sein, zumal diese Form einer absoluten Lohnuntergrenze auch in der aktuellen Debatte über Mindestlöhne in Deutschland eine untergeordnete Rolle spielt. Im ersten Teil dieser Arbeit erfolgt zunächst eine Darstellung der derzeit in Deutschland geltenden gesetzlichen Regelungen, welche zur Festsetzung von Mindestlöhnen verwendet werden können. Hierbei handelt es sich zum einen um das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) und zum anderen das Mindestarbeits-bedingungengesetz (MindArbBedG). Beide Gesetze sind in ihrer Anwendung aber darauf beschränkt, dass mit ihnen lediglich Mindestlöhne in bestimmten Branchen festgesetzt werden können. Ein Gesetz, welches einen allgemeinen, branchen-übergreifenden Mindestlohn vorschreibt, gib es bisher noch nicht. Ein solcher branchenunabhängiger Mindestlohn, der eine absolute Lohnuntergrenze für jeden Arbeitnehmer in Deutschland vorsieht, wird aber von den Gewerkschaften und anderen Mindestlohnbefürwortern eindringlich gefordert. Der zweite Teil dieser Arbeit gibt zunächst einen Überblick über die in der aktuellen Debatte vorgebrachten Argumente pro und contra Mindestlöhne. Anschließend werden Ausmaß und Ursachen der Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland näher untersucht. Denn eine Zunahme der zu Niedriglöhnen Beschäftigten wird als ein Hauptargument für die Notwendigkeit von Mindestlöhnen herangeführt. Im dritten Teil werden die wirtschaftlichen Folgen von Mindestlöhnen in Theorie und Praxis näher untersucht. Ziel ist es, zunächst anhand verschiedener wirtschaftstheoretischer Modelle aufzuzeigen, inwiefern sich staatlich festgesetzte Mindestlöhne auf die Beschäftigung auswirken und ob etwaige negative Beschäftigungseffekte durch eine gestiegene Kaufkraft eventuell wieder kompensiert werden können. Dabei wird von einem allgemeinen, branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn ausgegangen, da dieser in der Reichweite seiner Auswirkungen die gesamte deutsche Volkswirtschaft betreffen würde. Im Anschluss an die theoretische Analyse erfolgt dann eine Darstellung der aktuellen Empirie zu den tatsächlichen Auswirkungen von Mindestlöhnen. Abschließend soll ein Vergleich der Mindestlöhne anderer Staaten, welche sich für einen einheitlichen, branchen-übergreifenden Mindestlohn entschieden haben, einen weiteren Überblick über die Aus-wirkungen von Mindestlöhnen in Abhängigkeit vom allgemeinen Lohnniveau geben. Der vierte und letzte Teil dieser Arbeit widmet sich schließlich den rechtlichen Problemen von Mindestlöhnen. Hierbei werden sowohl die rechtlichen Fragen bezüglich der bereits vorhandenen gesetzlichen Grundlagen für Branchenmindestlöhne durchleuchtet, als auch die rechtlichen Probleme eines möglichen, per Gesetz angeordneten, allgemeinen branchenübergreifenden Mindestlohns aufgezeigt. Neben europarechtlichen Fragen stehen hier hauptsächlich verfassungsrechtliche Aspekte im Vordergrund. So ist zu klären, inwiefern staatlich festgesetzte Mindestlöhne in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie eingreifen und inwiefern die Regelung des Paragraphen 1 Abs. 3a AEntG mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 80 Abs. 1 GG vereinbar ist.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: AbkürzungsverzeichnisIV Abbildungs- und TabellenverzeichnisVII Einleitung1 Paragraph 1Die Möglichkeiten zur Einrichtung von Mindestlöhnen3 I.Die gesetzlichen Grundlagen für Branchenmindestlöhne in Deutschland3 1.Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)4 a)Das ursprüngliche AEntG4 aa)Allgemeinverbindlicherklärung gem. Paragraph 5 TVG5 bb)Allgemeinverbindlicherklärung gem. Paragraph 1 Abs. 3a AEntG6 cc)Die Anwendung beider Formen7 b)Das erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes8 c)Das zweite Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes9 2.Das Mindestarbeitsbedingungengesetz (MindArbBedG)10 II.Die geplanten Änderungen für beide Gesetze11 1.Die Einbeziehung weiterer Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz11 2.Die Reformierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes12 III.Der Stand der Entwicklung bis zum Stichtag 31.3.200815 Paragraph 2Die aktuelle Mindestlohndebatte und ihre Hintergründe17 I.Die Meinungen17 1.Die Argumente der Mindestlohnbefürworter18 a)Die Verhinderung von Lohndumping und ruinösem Wettbewerb18 b)Jeder soll von seiner Arbeit ohne staatliche Zuschüsse leben können20 c)Eindämmung des Niedriglohnsektors21 d)Ausgleich für die abnehmende Relevanz tariflicher Regelungen22 e)Stärkung der Kaufkraft24 2.Die Argumente der Mindestlohngegner24 a)Gefährdung bestehender und Verhinderung neuer Arbeitsplätze25 b)Ungeeignetes Mittel zur Armutsbekämpfung26 c)Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit27 II.Niedriglöhne in Deutschland und ihre Ursachen30 1.Umfang der Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland30 a)Anteil der Niedriglohnbeschäftigten unter den abhängig Beschäftigten31 b)Struktur der Niedriglohnbeschäftigung31 c)Ergebnis33 2.Abnehmende Relevanz tariflicher Regelungen als Ursache von Niedriglöhnen34 a)Rückläufige Tarifbindung35 b)Mangelnde Wirksamkeit tariflicher Regelungen35 c)Zunehmendes Lohndumping in Deutschland37 Paragraph 3Mindestlöhne und ihre wirtschaftlichen Folgen37 I.Mindestlöhne und Beschäftigung in der Theorie38 1.Die neoklassische Arbeitsmarkttheorie39 a)Auswirkungen von Mindestlöhnen aus neoklassischer Sicht39 b)Annahmen und Probleme der neoklassischen Theorie42 2.Die keynesianische Perspektive: Stärkung der Kaufkraft44 a)Auswirkungen von Mindestlöhnen nach der Kaufkrafttheorie45 b)Auswirkungen von Mindestlöhnen - Eine Simulationsrechnung46 c)Probleme der Kaufkrafttheorie48 II.Tatsächliche Auswirkungen eines Mindestlohns auf die Beschäftigung51 III.Mindestlöhne und Beschäftigung im internationalen Vergleich53 1.Mindestlöhne und Beschäftigung in Europa und den USA53 a)Der britische Mindestlohn: The National Minimum Wage (NMW)54 b)Mindestlöhne im restlichen Europa und den USA55 c)Auf die Höhe kommt es an55 2.Zwischenfazit56 VI.Rückschlüsse für die deutschen Branchenlösungen58 Paragraph 4Rechtliche Probleme von Mindestlöhnen59 I.Rechtliche Probleme von Branchenmindestlöhnen60 1.Rechtliche Fragen bezüglich des AEntG60 a)Verletzung der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG61 aa)Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit62 bb)Eingriff in die positive Koalitionsfreiheit64 aaa)Das unterschiedliche Wortlautverständnis von Paragraph 1 Abs. 3a AEntG65 bbb)Die Auswahl des richtigen Tarifvertrags66 b)Hinreichende Bestimmtheit des Paragraph 1 Abs. 3a AEntG?69 c)Vereinbarkeit des AEntG mit dem Europarecht72 2.Rechtliche Fragen bezüglich des MindArbBedG72 II.Rechtliche Probleme einer möglichen branchenübergreifenden Lösung74 III.Der Stand der Entwicklung zum 16. 7. 200877 1.Der Regierungsentwurf zur Änderung des AEntG77 2.Der Regierungsentwurf zur Änderung des MindArbBedG79 Zusammenfassung und Ausblick81 LiteraturverzeichnisVIIITextprobe:Textprobe: Paragraph 2, Die aktuelle Mindestlohndebatte und ihre Hintergründe: Vor einer eingehenden Untersuchung der wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte von Mindestlöhnen in den Paragraphen 3 und 4 dieser Arbeit, werden in diesem Abschnitt zunächst die gewichtigsten Argumente, die in der aktuellen Mindestlohndebatte in Deutschland vorgebracht werden, dargestellt. An dieser Stelle sollen die kontrovers laufenden Meinungen sowie die Hintergründe für die Forderung nach Mindestlöhnen wiedergegeben werden. Dabei werden aktuelle Studien und Analysen einbezogen, welche unter Umständen eine Notwendigkeit von Mindestlöhnen in Deutschland indizieren könnten. Kapitel I, Die Meinungen: Das Thema Mindestlohn ist seit dem Beschluss der Großen Koalition vom 18.6.2007 ein fester Bestandteil der politischen und gesellschaftlichen Debatte. Es gibt reichlich Argumente pro Mindestlohn seitens der Mindestlohnbefürworter, insbesondere der Gewerkschaften und der SPD, aber mindestens auch ebenso viele Argumente contra Mindestlohn von den Mindestlohngegnern, zu denen die meisten Arbeitgeberverbände und große Teile der Unionsanhänger gehören. Während die meisten Wirtschaftsforscher zu den Mindestlohngegnern gehören und die Arbeitgeber im Kampf gegen Mindestlöhne unterstützen, gibt es überraschenderweise auch Arbeitgeberverbände, die die Existenz eines Mindestlohns für sinnvoll erachten. Die Gewerkschaften Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und ver.di haben dem Mindestlohn in einem gemeinsamen Projekt sogar einen eigenen Internetauftritt gewidmet. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat eigens für den Mindestlohn eine Internetseite geschaffen. Auf Arbeitgeberseite enthält der Internetauftritt der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ebenfalls eine eigene, feste Rubrik zum Thema Mindestlohn. Die folgenden Ausführungen sollen einen Überblick über die am häufigsten vorgebrachten Argumente pro und contra Mindestlöhne geben. Hierbei werden sowohl die wirtschaftlichen, als auch die juristischen Bedenken bzw. Probleme, die ein staatlich festgesetzter Mindestlohn mit sich bringt, skizziert. Kapitel 1, Die Argumente der Mindestlohnbefürworter: Von den Mindestlohnbefürwortern werden als Argumente für einen Mindestlohn hauptsächlich die seit Jahren steigende Zahl der Niedriglohnempfänger bzw. das stetige Wachsen eines sog. Niedriglohnsektors in Deutschland sowie die Gefahr des Lohndumpings, u.a. durch die Öffnung des Arbeitsmarkts für osteuropäische Arbeitnehmer (als eine der Ursachen für das Wachsen des Niedriglohnsektors), herangeführt. Insbesondere die Tatsache, dass wohl immer mehr in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer so wenig verdienen, dass sie auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen sind, ist für Mindestlohnbefürworter ein völlig untragbarer Zustand, dem mit einem Mindestlohn abgeholfen werden soll. Insgesamt laufen die verschiedenen Argumente immer darauf hinaus, dass zunehmend Löhne bezahlt werden, die nicht den eigentlichen Wert der Arbeit widerspiegeln und dass tarifliche Regelungen allein kein geeignetes Mittel mehr sind, um dieser Entwicklung entgegenzutreten. Kapitel a), Die Verhinderung von Lohndumping und ruinösem Wettbewerb: Ein Argument, welches für Mindestlöhne spricht, ist die Bekämpfung des Lohndumpings in Deutschland. Die Verhinderung dieses Lohndumpings, verursacht durch ausländische Arbeitnehmer, war ja schließlich auch der ursprüngliche Sinn und Zweck des im Jahr 1996 eingeführten AEntG. Durch den verstärkten Zustrom ausländischer Arbeitskräfte ist das Lohndumping eine reale Bedrohung für die bisherigen deutschen Einkommens- und Sozialstandards geworden. Es besteht die Gefahr, dass die Niedriglohnkonkurrenten aus dem Ausland die inländischen Beschäftigten verdrängen, welche wegen ihres höheren Lebenshaltungsniveaus mit den niedrigen Löhnen einfach nicht mithalten können. Daher sollen nach Ansicht der Mindestlohnbefürworter die einheimischen Beschäftigten mittels eines Mindestlohns vor einer Verdrängung durch ausländische Beschäftigte bewahrt werden. Denn durch den Mindestlohn würde der Lohndruck, der auf die Beschäftigten ausgeübt wird, ausgebremst. Man erhofft sich dadurch, dass es für die Unternehmen dann keinen Sinn mehr macht, die regulären Beschäftigten durch – dann ja nicht mehr billigere – ausländische Werkvertragnehmer auszutauschen. Die Zeitarbeit ist ein aktuelles Beispiel für eine Branche, in der man die ausländische Niedriglohnkonkurrenz fürchtet und deshalb einen Mindestlohn anstrebt. Hier soll es in Zukunft eine durch das AEntG festgelegte Lohnuntergrenze geben. Thomas Reitz, Deutschland-Chef der Zeitarbeitsfirma Manpower , befürwortet die Einführung eines Mindestlohns, um damit die Zeitarbeitsbranche in Deutschland gegen die Öffnung des Arbeitsmarkts für die osteuropäischen EU-Staaten im kommenden Jahr abzusichern. Neben dem Schutz der Arbeitnehmer vor einer Lohnspirale nach unten haben die Zeitarbeitsfirmen auch ein gar nicht so geringes Eigeninteresse an einem Mindestlohn für ihre Branche. Die Öffnung des Arbeitsmarkts würde laut Reitz zwangsweise einen Wettbewerb mit Niedriglöhnen entfachen, die die Zeitarbeitsfirmen mit ihrer Tarifbindung nicht bezahlen dürfen und auch nicht wollen. Insofern wird befürchtet, dass die osteuropäischen Konkurrenten mit niedrigen Löhnen und somit mit einem Preisvorteil die deutschen Wettbewerber vom Markt drängen könnten. Kapitel b), Jeder soll von seiner Arbeit ohne staatliche Zuschüsse leben können: An das Argument des Lohndumpings knüpft die Forderung an, dass ein Arbeitnehmer, der in Vollzeit arbeitet, von seiner geleisteten Arbeit auch ohne staatliche Zuschüsse leben soll. Die Zahl der Erwerbstätigen, die ihr Erwerbseinkommen durch Arbeitslosengeld II aufstocken müssen, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Im September 2005 hatten über 900.000 Beschäftigte einen Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II. Genau zwei Jahre später waren es schon knapp 1,3 Millionen. Dabei handelte es sich keineswegs nur um Personen, die in Minijobs orientiert an den Freigrenzen einen zusätzlichen Verdienst erzielten, sondern häufig auch um Vollzeitbeschäftigte, deren Erwerbseinkommen einfach nicht ausreichte, um ihren Bedarf im Haushaltskontext abzusichern. Das Problem dabei ist, dass Niedriglohn-bezieher, insbesondere wenn sie in Vollzeit arbeiten, wie andere eine Arbeitsleistung erbringen und sich denselben Belastungen aussetzen, sich aber mit einem Lebensstandard begnügen müssen, der das Niveau der Sozialhilfe kaum übersteigt. Zudem sind auch die Aussichten auf einen Aufstieg in einen Job mit einem höheren Verdienst meist minimal. Nach Ansicht der SPD kann es nicht sein, dass Unternehmen Menschen in die Bedürftigkeit drängen und dann der Staat dauerhaft einen Teil der Löhne bezahlt. Man könne sich nicht damit abfinden, dass Löhne nicht zum Leben reichten und Dumpinglöhne aus Steuergeldern aufgestockt werden müssten. Zudem würden auch die Unternehmen von Mindestlöhnen profitieren, weil diese sog. Schmutzlöhne verhinderten. Reitz ist ebenfalls der Ansicht, dass eine Vollzeitkraft in Deutschland soviel verdienen soll, dass sie ohne staatliche Zuschüsse auskommt.