Körper und Gewalt ist eine Thematik, die in der Geschichte der Sozialwissenschaften doppelt unterbelichtet ist. Zum Ersten widmeten diese dem Körper, von Ausnahmen abgesehen, lange Zeit keine systematische Aufmerksamkeit. Die Körpersoziologie hat sich mit wenigen Vorläufern erst seit den 1980er Jahren entwickelt. Zum Zweiten erscheinen die körperlos konzipierten Akteure der Soziologie auch in anderer Hinsicht engelsgleich: Sie begegnen sich weitgehend gewaltlos. Wie der Körper fehlt dem Großteil der sozialwissenschaftlichen Traditionen auch die Gewalt. Der Beitrag untersucht im Rahmen des interdisziplinären Handbuchs zur Gewalt den Zusammenhang von Körper und Gewalt. Dabei geht der Beitrag zunächst auf die sozialwissenschaftliche Forschung zu diesem Themenfeld ein und wendet sich dann der körperlichen Struktur von Gewalthandeln zu. Des Weiteren betrachtet der Beitrag die Dimensionen der körperlichen Gewalt (Körper, Leib, Emotionen). Die abschließenden Überlegungen des Beitrags gelten dem Kontext von Gewalt und Körperwissen. (ICA2)
Der Beitrag beschreibt aus soziologischer Sicht die vielschichtigen Erscheinungsformen des Körpers im Internet. Die "Sondierungen" werden von der Frage geleitet, ob die verschiedenen Formen "virtueller Leiblichkeit" einen Beitrag zur Erstellung, Stabilisierung und Transformation sozialer Ordnung unter Bedingungen der Spätmoderne leisten. Die Betrachtung des empirischen Materials führt zu überraschenden Schlussfolgerungen. Der Körper erlangt in den virtuellen Welten eine doppelte Gestalt. Zum einen ist er - weit deutlicher als in anderen gesellschaftlichen Bereichen (z.B. den ausdifferenzierten Funktionssystemen) - Objekt kultureller Formungen, und zum anderen wird er zur Quelle von Erfahrungen, deren technische Voraussetzung und Vermittlungen unkenntlich geworden sind. Das Erstaunen über diesen Unterschied, der im Internet zum Vorschein kommt, weicht allerdings, wenn man bedenkt, dass wir in unserer Gesellschaft schon seit Jahren mit zwei gegensätzlichen Haltungen zum Körper konfrontiert sind: "Während hier sein Verschwinden emphatisch beklagt oder begrüßt wird, betreibt man dort mit kultischer Besessenheit seine Modellierung". (ICA2)
Die Annahme scheint naheliegend, dass Essstörungen ein individuelle Problem junger Frauen sind, die sich dem gesellschaftlich vorherrschenden (und von Männern diktierten) Schönheitsideal unterwerfen. Der vorliegende Beitrag zeigt, dass dieses Bild vereinfacht und daher ergänzungsbedürftig ist. Dies geschieht entlang zweier Thesen: (1) Essstörungen sind keineswegs ein rein individuelles Problem, sondern untrennbar mit spezifischen gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen verbunden und in diesem Sinne wesentlich ein soziosomatisches Phänomen. (2) Essstörungen liegt kein Schönheits-, Figur- oder Essproblem zugrunde, sondern ein Identitätsproblem, das die Essgestörten im Medium ihres Körpers zu lösen versuchen. Zur Begründung der beiden Thesen wird ein körper- und identitätssoziologischer Zugang gewählt. Körpersoziologisch ist das Vorgehen in der Hinsicht, dass Körperwahrnehmung, -einstellung und -praxis in ihrer soziokulturellen Konstruiertheit betrachtet werden, identitätssoziologisch dergestalt, dass Identität und Identitätsprobleme als Resultat gesellschaftlicher Wertvorstellungen, normativer Zwänge und sozialer (vor allem familiärer) Interaktionen aufgefasst werden. Mit diesem Zugang wendet sich der Autor gegen die in der sozialwissenschaftlichen Literatur zu Essstörungen dominierende Vorgehensweise, die Kategorien (weibliches) Geschlecht und (weibliche) Adoleszenz in den Mittelpunkt zu rücken und von dort aus die Themen (weiblicher) Körper und (weibliche) Identität zu behandeln. (ICA2)
Der Beitrag stellt sich zwei Aufgaben. Zum einen wird gezeigt, dass und wie biomedizinische Techniken der Repro- und Genmedizin eine Differenz zwischen einem "normalen" und eine "anormalen" Körper konstituieren. Aufgrund der historischen gesellschaftlichen Kontingenz, die sich auch in einem flexiblen Körperverständnis niederschlägt, ist diese Differenzkonstitution jedoch immer ein "boundary work", also eine permanente Neujustierung der "Wahrheit und des Rechts des Körpers". Körpernormen werden nicht als starre "Wissensformationen" (Foucault) produziert, sondern bleiben in ihrer "Normalität" flexibel. Dies zeigt der Autor an Foucaults "Praktiken der Selbstführung". Die "Führung seiner selbst", z.B. die Reflexion über die eigenen Ziele und Wünsche und die effektivsten Wege dorthin, ist ein Modus des Politischen, den Foucault als zentral für die modernen Gesellschaften herausstellt. Der Beitrag vertritt hier die These, dass die biomedizinischen Verfahren, die mit tradierten Vorstellungen der Alltagswelt brechen, spezifischer Begründungen und Deutungen bedürfen, die sie als "normale" Techniken legitimieren, die bereitwillig von KonsumentInnen angenommen werden. Damit sich dies reibungslos vollzieht, etabliert sich ein Diskurs um die individuelle "Verantwortung für das eigene Leben" und das der "Nachkommen". (ICA2)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 1754-1764
"Wenn sich in der Adoleszenz die Geschlechtsreife allmählich vollendet, beginnen Jugendliche sich zu dem Ergebnis dieses Reifungsprozesses zu positionieren. Der Prozess der permanenten Selbstbeobachtung, Selbstpräsentation und Selbstbefragung trägt dazu bei, 'den Körper bewohnen' (Fend 2001) zu lernen. Etwa bis zum 17. Lebensjahr beschäftigen sich Jugendliche mit der physiobiologischen Reifung und den Konsequenzen für ihr Körperselbstkonzept. Mit dem Ergebnis des Reifungsprozesses erklären sich Jugendliche entweder einverstanden oder aber sie versuchen sich damit zu arrangieren. Die Einschätzung und Bewertung des eigenen Körpers ist im 21. Jahrhundert stark kultur- und gesellschaftsabhängig, denn physische Attraktivität wird in sozialen Kontexten vorgegeben und vor allem auch medial vermittelt. Die Auseinandersetzung mit dem körperlichen Selbstbild ist aber zudem auch von Idealen geprägt, die Jugendliche sich selbst aussuchen und auferlegen. Die (potentiellen) Vorstellungen und Überzeugungen der unmittelbaren Anderen bestimmen die eigenen Erwartungshaltungen und den Maßstab an sich selbst. Somit ist die Beziehung zum Körper heute immer eine soziosexuelle (Lautmann 2002). In der Alltagspraxis gleichen nun Mädchen und Jungen ihr Aussehen mit ihren eigenen und den Vorstellungen der Anderen sowie den allgemein vorgegebenen Schönheitsidealen ab. Fällt das so genannte body image nicht positiv aus, führt das mitunter zu Dissonanzen, zu Gefühlen von Minderwertigkeit und vielleicht zu harter Körperarbeit. Dies hat mitunter Folgen für den Umgang mit Anderen, denn die äußeren Zeichen verweisen nicht nur auf körperliche Reife und Vollkommenheit, sondern auch auf die Geschlechtsidentität und sexuelle Attraktivität. Physische Attraktivität gewährleistet mitunter auch erotische, die gewollt und angestrebt wird, denn das Leben sexualisiert sich zunehmend für die Heranwachsenden. Gefragt wird hier nun, inwieweit Jugendliche von medialen Bildern bei der Ausbildung eines Körperkonzepts und einer Geschlechtsidentität geprägt werden, wie sie diese Bilder nutzen und sich aneignen. Es stehen drei verschiedene Datensorten zur Verfügung, die im Zeitraum von 2004-2006 erhoben worden sind: 1.400 inhaltsanalytisch ausgewertete Emails von Jugendlichen an ein Online-Beratungsportal zur Sexuellen Aufklärung; 2. qualitative, themenfokussierte Einzelinterviews mit 30 Jugendlichen; 3. quantitative Daten von 300 Brandenburger Jugendlichen zu den Themen 'Nudität, Sexualität, Erotik in Film und Fernsehen'." (Autorenreferat)
Die dem Beitrag zugrunde liegende These lautet: Marginalisierung und Normalisierung haben auch eine körperliche Dimension, d.h. der normalisierte bzw. marginalisierte Körper ist als Ausdruck eines gesellschaftlichen Verhältnisses zu begreifen. Dies wirft zwei Fragen auf: (1) Wie lässt sich das Verhältnis von Norm und Abweichung als körperliches theoretisch fassen? (2) Welche Schlüsse lassen sich aufgrund bestimmter körperlicher Praktiken, körperlicher Normen und marginalisierter Körper auf die jeweilige Gesellschaft ziehen? Welche Körper bringt die Gesellschaft hervor? Mit der Beantwortung dieser Fragen geht der Anspruch einher, Körpertheorie gesellschaftstheoretisch zu fundieren. Die Autorin stützt sich auf Arbeiten Michel Foucaults, hier zentral seine Konzepte der Norm und der Biopolitik, und Arbeiten Pierre Bourdieus, zentral dessen Konzepte von Habitus und Inkorporierung, um damit ein theoretisches Modell zu skizzieren. In einem letzten Abschnitt werden mit diesem dann aktuelle körperliche Normalisierungs- bzw. Marginalisierungsprozesse deutlich gemacht und in Zusammenhang mit der Frage nach dem Verhältnis von Gesellschaft und (marginalisierten/normalisierten) Körpern in der Gegenwart erörtert. (ICA2)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 1777-1785
"Die Verfasserin möchte von der Frage ausgehen, wie die gesellschaftlichen Interpretationen der Geschlechtlichkeit des Körpers bei männlichen und weiblichen Jugendlichen je unterschiedlich zur Entwicklung des Selbstbildes beitragen. Zum einen sieht man eine Persistenz traditioneller binärer Aspekte (wie Festigkeit vs. Weichheit, Lust vs. Genießen, Entscheiden vs. Empfinden usw.), deren Funktionieren genauer betrachtet werden sollte, andererseits erkennt man doch auch eine deutliche Veränderung der Geschlechtsentwürfe, v.a. in Form eines Zuwachses an Breite auf der Seite der Mädchen und jungen Frauen. Hier scheint sich ihr eine konflikthafte Ambivalenz für beide Geschlechter anzudeuten, wobei die Verunsicherung auf beiden Seiten (wenn auch je unterschiedlich) neben der Möglichkeit der Verflüssigung von stereotypen Körperbildern auch die Gefahr der Rigidisierung und Wiederaufnahme tradierter Formen mit sich bringt. Um dieses Wirkungsgeflecht zu verstehen, scheint es deshalb sinnvoll, auch die symbolische Ebene der Bedeutung des Körpers, des Sexuellen und der Sexualität mit einzubeziehen. Dies sollte sowohl mit Blick auf die Ausgestaltung der geschlechtlichen Körperbilder von Jungen und Mädchen geschehen - also was die Bewertungen und Interpretationen des Genitales bzw. des geschlechtlichen Körpers angeht - als auch in Bezug auf die Frage, warum überhaupt die Geschlechtlichkeit des Menschen solch eine (strukturierende) symbolische Bedeutung hat und in welchem Verhältnis diese zum Realen des Körpers steht. Von da aus lässt sich dann auch besser die Frage diskutieren, welche Wirkungen von der Enttabuisierung des Sexuellen ausgehen und wie sich die Erosion der Geschlechterordnung in den Interpretationen des geschlechtlichen Körpers niederschlägt." (Autorenreferat)
Die Autorin untersucht die verschiedenen Formen, in denen Gewalt zur Grundlage subkultureller Integration werden kann, und bezieht sich dabei auf die sozialphänomenologische Unterscheidung zwischen "Leib" und "Körper" und ihre Stellung in der gegenwärtigen soziologischen Gewaltdiskussion. Diese stellen zwei unterschiedliche Dimensionen und in allen Handlungszusammenhängen präsente Formen des Verhältnisses zur eigenen Physis dar: einer holistischen Wahrnehmung der gesamten Physis und einer isolierenden Wahrnehmung einzelner Körperteile. Nach der These der Autorin ist das Verhältnis, in dem diese Dimensionen innerhalb einer subkulturellen Ordnung zueinander stehen, ausschlaggebend dafür, in welcher Weise Gewalt hier integrierend wirken kann. Die Autorin beschreibt anhand empirischen Materials zunächst die Tanzrituale der Hardcore-Szene, in denen das "leibliche" Element vorherrscht. Die Gewalt wirkt hier gruppenintegrierend, ohne machtorientiert zu sein, und die Musik bildet ein stützendes kulturelles Ordnungselement. Die Autorin vergleicht diesen Fall anschließend mit anderen Formen integrierender subkultureller Gewalt, z.B. der gegen Außenstehende gerichteten Gewalt von Skinheadgruppen, bei welchen der "Körper" dominiert, und der Gewalt zwischen Jugendgangs, die eine Mischform beider Dimensionen darstellt. Sie thematisiert vor diesem Hintergrund die subkulturelle Vergemeinschaftung als konstruktive Wirkung von Gewalt. (ICI2).
Die Autorin untersucht die verschiedenen Formen, in denen Gewalt zur Grundlage subkultureller Integration werden kann, und bezieht sich dabei auf die sozialphänomenologische Unterscheidung zwischen "Leib" und "Körper" und ihre Stellung in der gegenwärtigen soziologischen Gewaltdiskussion. Diese stellen zwei unterschiedliche Dimensionen und in allen Handlungszusammenhängen präsente Formen des Verhältnisses zur eigenen Physis dar: einer holistischen Wahrnehmung der gesamten Physis und einer isolierenden Wahrnehmung einzelner Körperteile. Nach der These der Autorin ist das Verhältnis, in dem diese Dimensionen innerhalb einer subkulturellen Ordnung zueinander stehen, ausschlaggebend dafür, in welcher Weise Gewalt hier integrierend wirken kann. Die Autorin beschreibt anhand empirischen Materials zunächst die Tanzrituale der Hardcore-Szene, in denen das "leibliche" Element vorherrscht. Die Gewalt wirkt hier gruppenintegrierend, ohne machtorientiert zu sein, und die Musik bildet ein stützendes kulturelles Ordnungselement. Die Autorin vergleicht diesen Fall anschließend mit anderen Formen integrierender subkultureller Gewalt, z.B. der gegen Außenstehende gerichteten Gewalt von Skinheadgruppen, bei welchen der "Körper" dominiert, und der Gewalt zwischen Jugendgangs, die eine Mischform beider Dimensionen darstellt. Sie thematisiert vor diesem Hintergrund die subkulturelle Vergemeinschaftung als konstruktive Wirkung von Gewalt. (ICI2)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 4708-4715
"Die theoretisch systematische Erschließung des Doppelaspekts bewusster Lebewesen (Plessner) ermöglicht es, Vergesellschaftungsprozesse zu beobachten, in denen die Bearbeitung der Begriffe Leben bzw. Person auf vielfältige Weise zum Problem wird. Eine materiale Analyse des Rechtsdiskurses soll exemplarisch aufzeigen, wie lebendige (personale) Körper im Recht repräsentiert und vom Recht inszeniert werden. Im Mittelpunkt steht dabei der Rechtsbegriff Einwilligungsfähigkeit, mit dem versucht wird, das Verhältnis der Person zu ihrem eigenen Körper zu klären. Die Einwilligung in eine medizinische Maßnahme setzt neben einer rechtmäßigen Aufklärung die Fähigkeit des Patienten zur Einwilligung voraus. Ein handlungssteuernder vernünftiger Wille muss deskriptiv nachweisbar sein, um normativ mittels des Selbstbestimmungsrechts über den eigenen Körper verfügen zu dürfen. Die praktische Beurteilung dieses Nachweises wird dabei vom Recht an die Medizin ausgelagert. Mit dem Fähigkeitskonzept wird die einwilligungsfähige Person als Adressat bestimmter normativer Erwartungen vom Recht inszeniert. Nur wer sich als vernünftige Person mit normtreuen Willen verhält, darf auch über den eigenen Körper bestimmen. Eine rationale Entscheidungsfindung dient dabei als Instrument, einzelne Handlungen (etwa die Ablehnung einer risikoarmen lebensrettenden Maßnahme) zu sanktionieren oder zuzulassen (etwa Schönheitsoperationen). Einwilligungsunfähige werden somit zwar von grundlegenden Rechten und Pflichten ausgeschlossen, erhalten jedoch durch diesen Rechtsbegriff einen besonderen Status, der die grundrechtlich verankerte Unversehrtheit ihrer Körper vor Eingriffen sicher stellt. Wenn Körper als 'Einwilligungsunfähige' bestimmt werden (etwa Kinder, bewusstlose oder psychiatrische Patienten), wird ihnen unter Ausschluss ihres Selbst Personenstatus zugeschrieben: Denn das soziale Konstrukt des mutmaßlichen Willens macht sie zu rationalen Subjekten, die in Differenz zu nicht menschlichen, ungeborenen oder toten Körpern stehen. Die Analyse zeigt, dass sich im Rechtsdiskurs eine teils widersprüchliche Diskussion darüber entspannt, ob der personale Körper als höchstpersönliches Rechtsgut einen zu schützenden Eigenwert darstellt oder als Gegenstand seines Trägers diesem zur Verfügung steht. Es lässt sich somit darstellen, wie durch die Performativität des Rechts Personen verkörpert werden, nämlich zwischen einer metaphysischen Verklärung von Leben bzw. Natur, einem sachlichen Eigentumsrecht am Körper und der Durchsetzung von Normen mittels akorporaler Fähigkeitskonzepte." (Autorenreferat)
Gegenstand des Beitrags ist ein Western mit dem Titel "Der Mann, der Liberty Vallance erschoss". Dieser Film zeichnet den Weg nach, der vom Duell als naturrechtlicher Praxis der Konfliktregelung zwischen zwei einzelnen Körpern zur Herausbildung eines Staatskörpers mit Gewaltenteilung führt. Die Gewalt, die die Staatsgründung letztlich möglich machte, wird zur Legende. Der Beitrag rekonstruiert diese Story aus zwei Perspektiven, als Rechtserzählung und als Rechtsidee. Als Rechtserzählung thematisiert der Film den Zusammenhang von Politik und Lüge, von Täuschung und Selbsttäuschung. Aus der Perspektive der Rechtsidee behandelt der Film den Konflikt zwischen dem Naturrechtszustand der "open ranges" und dem positiven Recht der verstaatlichten Ostküste. (ICE2)
Der Beitrag versucht, aus einer wissenssoziologisch-diskursanalytischen Perspektive am Beispiel des prothetisierten Körpers die Frage nach dem sozio-historischen Wandel der (jeweils geltenden) "Grenzen des Sozialen" in den Blick zu nehmen. Nicht "der Mensch" oder "das Menschliche" werden mit diesem Ansatz anvisiert, sondern jene diskursiv produzierten und als gültig gesetzten Grenzen mit ihren symbolisch vermittelten Praktiken der Grenzziehung, mit denen wir im Verhältnis von (menschlicher) Körperlichkeit und Technik Lebendiges von Nicht-Lebendigem, Menschliches von Nicht-Menschlichem, Natürlich-Gegebenes vom Technisch-Künstlichen etc. unterscheiden. Mit dieser Herangehensweise an das Phänomen "Körperprothesen" wird gezeigt, wie im aktuellen Diskurs um die Entwicklungen in der Prothesentechnik ein fundamentaler Wandel von Subjektpositionierungen (z.B. des Gesunden, des körperlich Behinderten) angelegt ist. Konkret lautet die hier verfolgte These: Diesem Diskurs zufolge wird das kulturelle Konzept der "modernen Prothese" verschwinden; "die Prothese" verwandelt sich zum (postmodernen) Konzept eines "hybriden Technofakts", in welchem sich die herkömmlichen grenzziehenden Unterscheidungen zwischen "menschlich/nicht-menschlich" auflösen. (ICA2)
Der Beitrag fragt im Rahmen des Konzepts "doing culture" nach den Partizipanden einer Praktik, und zwar besonders nach dem Stellenwert der anwesenden Körper. Leitend ist folgende Fragestellung: Warum aber "Praktiken und ihre Körper", warum nicht "Der Körper und die Praxis"? Zwei Akzente werden damit gesetzt. Zum Ersten Distanz zu phänomenologischen Thematisierungen des Körpers, die eine anthropologische Sicht auf das Soziale nehmen, es gewissermaßen "aus der Mitte des Leibes heraus" betrachten. Stattdessen möchte der Autor von Praktiken und ihren Körpern in einem ähnlich dezentrierenden Sinne wie Goffman sprechen, dem es darum ging, "nicht Menschen und ihre Situationen, sondern eher Situationen und ihre Menschen" zu untersuchen. Zum Zweiten ist der Körper immer eine Konstruktion je spezifischer Diskurse. Er existiert aber auch relativ zu je spezifischen Praktiken - als "Multiple Bodies". Der Körper ist also nicht apriorisch vorauszusetzen, er ist aber auch nicht bloß als Resultat von Diskursen und Praktiken zu verorten, er zeigt sich vielmehr in den Praktiken. Diesen Gedanken werden an drei empirischen Fällen durchgespielt. Sie stammen aus den Gender Studies, der Techniksoziologie und der Medizinsoziologie. Die konstruktive Absicht besteht insgesamt in der Demonstration der neuen analytischen Beschreibungsmöglichkeiten, die die Offenheit des Praxisbegriffs bietet. (ICA2)
Gegenstand des Beitrags sind Spannungen im Umgang mit dem schwarzen Körper im Rahmen der antirassistischen Mobilisierungen in Brasilien. Hierzu greift der Verfasser die Diskussion zu Körper und Subjektkonstruktion in der antirassistischen Politik auf, wobei er sich auf die britischen Black Cultural Studies und die Autoren Stuart Hall und Paul Gilroy stützt. Der Verbreitungs- und Rekonstruktionsprozess einer "black culture" im Kontext der von der modernen Sklaverei hervorgebrachten afrikanischen Diaspora wird als "Black Atlantic" bezeichnet. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Verfasser mit dem Antirassismus in Brasilien auseinander, wobei er verschiedene Widerstandskontexte thematisiert: ethnische Friseursalons, die Wiedererfindung der Black Music, Reafrikanisierungstendenzen in der Stadt Salvador sowie die 1979 gegründete "Vereinte Schwarzenbewegung" (MNU). In jedem dieser Beispiele, so wird gezeigt, bringt die Suche nach einem neuen Ort für den schwarzen Körper eigene Schwierigkeiten und Paradoxien mit sich. Der schwarze Körper gewinnt jeweils einen neuen Repräsentationsort, an dem er zwar positiv konnotiert, aber doch gleichzeitig fixiert wird. (ICE2)
Unter den modernen Bedingungen der Körpertechnologisierung, der Körperindustrialisierung, der Körperökonomisierung und der Körperverrohstofflichung wird die Utopie der absoluten Herrschaft über den Körper als Traum vom machbaren, schönen und perfekt gestylten Körper zur Wirklichkeit. Jedoch bildet nicht allein der markt- und warenförmige Gebrauch des Körpers den Kern des Problems der Verdinglichung des Leibes (und der Liebe), sondern die entgrenzte Instrumentalisierung des Körpers für Verwertungsinteressen, denen dieser nur noch Mittel zum Zweck seiner Kapitalisierung geworden ist. Die Körperinstrumentalisierung ist nach Auffassung des Autors daher nicht als Verdinglichung, sondern als entgrenzte Kapitalisierung und versklavende Verwertung zu interpretieren, und das Verdinglichungstheorem als theoretischer Maßstab der Kritik einer enthemmten Kapitalisierung des Körpers sollte eher als Versklavungstheorem bezeichnet werden. Der Autor geht bei seiner Erläuterung dieser These auch auf das Problem der Rechte des Körpers durch den biotechnologischen Fortschritt ein. (ICI2)