In vielen Entwicklungsländern ist es trotz teilweise beeindruckender Wachstumserfolge in den vergangenen Jahrzehnten bisher nicht gelungen, für die Masse der Bevölkerung nachhaltige Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen zu schaffen. Große Teile der Bevölkerung in den Entwicklungsländern sind bis heute weitgehend vom wirtschaftlichen Wachstum in ihren Ländern ausgeklammert worden - der 'trickle-down'-Effekt1 hat nicht auf sie durchgeschlagen. Im Weltentwicklungsbericht 1990 wurde - bezogen auf das Jahr 1985 - von 1,115 Mrd. Menschen in den Entwicklungsländern ausgegangen, die absolut arm waren; das entspricht ungefähr einem Drittel der Gesamtbevölkerung dieser Länder. Man kann davon ausgehen, daß es in den Entwicklungsländern derzeit ca. 1,2 Mrd. absolut armer Menschen gibt, von denen ca. 80 % in ländlichen Gebieten leben.
Die Soziologie des Alterns hat, ebenso wie die allgemeine Soziologie und alle anderen angewandten Soziologien, einen multiparadigmatischen Zustand erreicht, d.h. bei der Erklärung bestimmter empirischer Sachverhalte konkurrieren stets mehrere, teilweise miteinander kompatible, teilweise einander widersprechende Ansätze. Auf diesem Hintergrund unternimmt der Beitrag den Versuch, durch die Verlagerung der Diskussion auf eine metatheoretische Ebene das Verhältnis zwischen empirischer Beobachtung und theoretischer Erklärung im Objektbereich zu analysieren. Es werden Schwierigkeiten, die die theoretische Erklärung makrosozietärer Probleme mit sich bringt, als typische Probleme beim Übergang zwischen Mikro- und Makroebene soziologischer Beschreibung interpretiert.Diese entstehen besonders dann, wenn der soziologische Gegenstandsbereich bestimmte Strukturmerkmale besitzt, wie sie für gesellschaftliche Probleme des Alterns charakteristisch sind: eine starke Differenzierung von Handlungsfeldern und eine hohe Pluralität und Diversität von Handlungsmustern. Abschließend werden einige theoriestrategische und methodologische Konsequenzen skizziert, die verdeutlichen, dass sich Alternssoziologie als Wissenschaft verstehen muss, die quantitativ ermittelte makrosozietäre Sachverhalte durch die Deskription qualitativ erforschter kultureller Phänomene kausal erklärt. (ICH)
Der Verfasser thematisiert die dem Paradigma moderner Industriegesellschaften zugrundeliegende "Annahme einer impliziten Kontinuität von (gesellschaftlicher) Makroebene und (organisatorischen) Mikroebenen". Vor dem Hintergrund von Diskontinuitäten, Ressourcenverknappung und systemischen Ungleichgewichten als Zukunftsprobleme moderner Gesellschaften werden neue theoretische und methodische Herausforderungen an die Sozialwissenschaften diskutiert, die "eine erneute systematische Thematisierung des Spannungsfeldes von Mikroebene und Makroebene" erfordern. In diesem Zusammenhang "können Vergleiche zwischen modernen Industriegesellschaften einen wichtigen Beitrag leisten, da so systematisch die Bedingungen auf der gesellschaftlichen Makroebene variiert und ihre Wechselwirkungen mit der betrieblichen Mikroebene untersucht werden können". Der in den siebziger Jahren entstandene Ansatz des "gesellschaftlichen Effekts" erweist sich in Hinblick auf eine Theorie der gesellschaftlichen Steuerung als unzureichend, da er bei der Konstruktion unvergleichbarer gesellschaftlicher Totalitäten stehenbleibt. Hier schlägt der Verfasser "die Untersuchung und den Vergleich der Dynamiken und Mechanismen gesellschaftlicher Entwicklung" vor. (ICE)
Der Verfasser stellt zunächst den "transnationalen" Untersuchungsansatz in der international vergleichenden Forschung dar. Hier gründet sich der Vergleich zweier Länder auf die Gegenüberstellung unterschiedlicher Ausprägungen bestimmter Variablen. Die verwendeten Variablen basieren auf Konzepten und Indikatoren, "deren formaler und allgemeiner Charakter ihnen faktisch den Rang universeller Kategorien einräumt und die jeden Bezug zu der Gesellschaft, der die untersuchten Organisationen und Akteure angehören, leugnen". Dieser Forschungsrichtung wird der Ansatz des "gesellschaftlichen Effekts" gegenübergestellt, der durch die "Hervorhebung der Beziehungen zwischen Mikro- und Makroebene" gekennzeichnet ist. In diesem Ansatz wird daher "eigentlich die Gesamtheit, die Totalität der beobachteten Interdependenzen auf Mikro- und Makroebene miteinander verglichen". (ICE)
Der Aufsatz liefert ein Erklärungsmodell für die Revolution in der DDR mittels eines strukturell-individualistischen Ansatzes. Es wird festgestellt, daß Ereignisse auf der Makroebene nicht unmittelbar andere Ereignisse auf dieser Ebene nach sich ziehen. "Vielmehr müssen dem strukturell-individualistischen Ansatz zufolge Einflüsse beachtet werden, die von der Makroebene (etwa Gorbatschows Kursänderung...) auf die Mikroebene (die Handlungsaussichten der DDR-Bürger) wirken. Dies führt zu bestimmten Verhaltensweisen (die DDR-Bürger wählen Protest), die wiederum einen Rückkopplungseffekt auf die Makroebene (Revolution und Regierungssturz) ausüben." Dabei spielen die Verknüpfungsregeln von Präferenzen eine wesentliche Rolle: es genügt nicht, die individuellen Präferenzen der Akteure zur Vorhersage kollektiver Ereignisse zu addieren. Diese Aussagen werden belegt, indem zunächst mittels eines nutzentheoretischen Modells die Entscheidungssituation der Akteure abgebildet wird. In einem zweiten Schritt wird die Frage nach geeigneten Verknüpfungsregeln der Präferenzen anhand des Schwellenwertmodells erörtert. (pag)
Der Aufsatz fragt nach dem Menschenbild der verschiedenen soziologischen Ansätze und bemüht sich um die Entwicklung eines Menschenbildes, das als heuristischer Wegweiser für die Formulierung erklärungskräftiger Theorien dienen kann. Die Kritik an dem passiven homo sociologicus wird als berechtigt akzeptiert und den individualistischen Programmen in der Soziologie Priorität eingeräumt. Doch führt die völlige Verhaltensfreiheit des homo oeconomicus zu Transformationsproblemen zwischen Mikro- und Makroebene. Mit Hilfe des hier vorgeschlagenen Konzepts der "constrained choice" lassen sich diese Schwierigkeiten und die Einseitigkeiten der o. g. Menschenbilder überwinden. Dieses Konzept geht von subjektiven Wahlmöglichkeiten aus und davon, daß die Präferenzen der Entscheidungsprozedur empirisch bestimmt werden müssen und wandelbar sind. Aufgegeben wird also das einseitig an stabilen monetären Kalkülen orientierte Präferenzdenken der Ökonomie. Es wird im einzelnen dargelegt, daß und wie dieser Ansatz geeignet ist, die Transformations- und Rückkopplungsprobleme zwischen Mikro- und Makroebene soziologischer Theorienbildung zu lösen. (MH)
Wahlsysteme und Wahlverhalten werden im Artikel getrennt voneinander behandelt. Diese Trennung reflektiert die Tatsache, dass die Wahlsystemforschung und die Wahlsoziologie bislang nur lose miteinander verkoppelt waren. Die Wahlsystemforschung beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit den mechanischen Effekten des Wahlsystems auf die Struktur des Parteiensystems. Bei den in ihrem Rahmen durchgeführten empirischen Analysen handelte es sich demzufolge in der Regel um reine Aggregatanalysen ohne Berücksichtigung der Mikroebene des einzelnen Wählers. Die Wahlsoziologie hingegen unterstellt das Wahlsystem häufig als exogen gegebene Variable, die dem individuellen Wahlverhalten Restriktionen auferlegt, ohne aber systematisch den psychologischen Effekten des Wahlsystems auf das individuelle Wählerverhalten nachzugehen. Im Rahmen von wahlsoziologischen Analysen, die sich auf ein einziges Land beschränken, ist dies auch gar nicht möglich, da in diesem Fall auf der Makroebene keine Varianz der Institutionenordnung existiert. Bei den im Rahmen der Wahlsoziologie vorgenommenen Analysen handelt es sich folglich in der Regel um reine Individualanalysen ohne adäquate Berücksichtigung der Makroebene des Wahlsystems. Eines der wichtigsten Desiderata der Wahlforschung besteht vor diesem Hintergrund darin, die wechselseitige Abschottung der beiden in diesem Aufsatz beschriebenen Forschungsfelder zu überwinden. Wenn die Wirkung von Wahlsystemen in hohem Maße kontextabhängig ist und einer der wichtigsten der hierbei relevanten Kontextfaktoren das Wählerverhalten ist, dann kann die Wirkung von Wahlsystemen nur angemessen unter Berücksichtigung des individuellen Wahlverhaltens untersucht werden. Umgekehrt legt das Wahlsystem dem individuellen Wahlverhalten Restriktionen auf, die in der Wahlforschung bisher nur unsystematisch und kasuistisch untersucht wurden. Hier wäre eine sowohl theoretisch als auch methodisch-statistisch angemessene Berücksichtigung der psychologischen Effekte von Wahlsystemen notwendig. Die stärkere Verschränkung der auf die Makroebene bezogenen Wahlsystemforschung und der auf der Mikroebene des einzelnen Wählers operierenden Wahlsoziologie ist in forschungspraktischer Hinsicht allerdings nicht voraussetzungsfrei. Sie erfordert zum einen die Existenz einer Vielzahl international standardisierter Wahlstudien, da ansonsten auf der Makroebene keine hinreichende institutionelle Variation zur Verfugung steht, die mit dem individuellen Wählerverhalten in Beziehung gesetzt werden kann. Darüber hinaus müssen komplexe statistische Analyseverfahren existieren, die Variablen unterschiedlicher Aggregationsstufen sinnvoll miteinander in Beziehung setzen können. Beide Bedingungen können mittlerweile aber als gegeben betrachtet werden: Mit der "Comparative Study of Electoral Systems (CSES)" stehen die erforderlichen international vergleichenden Daten zur Verfügung und mit dem Verfahren der Mehrebenenanalyse seit längerem auch das notwendige statistische Instrumentarium für deren adäquate Auswertung. Der wissenschaftliche Fortschritt innerhalb der Wahlforschung, die methodologisch sicherlich eine der am weitesten entwickelten Teildisziplinen der Politikwissenschaft darstellt, erweist sich damit einmal mehr als abhängig von der Verfügbarkeit angemessener Daten und komplexer Analyseverfahren. (ICG)
In: Demographische Wirkungen politischen Handelns: Dokumentation der Internationalen Konferenz 1986 der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft in Zusammenarbeit mit der European Association for Population Studies, S. 11-31
Der Beitrag diskutiert die Frage, ob es auch in demographischer Hinsicht einen zur "unsichtbaren Hand" von A. Smith analogen Wirkungsmechanismus gibt, der die generativen Entscheidungen der einzelnen auf der Makroebene zu einem kollektiv optimalen Zustand auf der Makroebene transformiert. Der Autor kommt zu dem Schluß, daß es einen solchen Mechanismus nicht gibt und daß daher bevölkerungspolitische Aktivitäten des Staates (zur Herstellung eines optimalen Zustands) prinzipiell gerechtfertigt sind. Er verweist darauf, daß Prozesse der "unsichtbaren Hand" nicht immer zu besseren kollektiven Zuständen führen (z. B. Umweltverschmutzung). Der Autor diskutiert anschließend verschiedene Äußerungen von Malthus zur Bevölkerungsentwicklung und hebt die Notwendigkeit hervor, den durch den Geburtenrückgang in vielen westlichen Gesellschaften drohenden negativen externen Effekten (Zusammenbruch der Alterssicherung) durch politische Maßnahmen gegenzusteuern. Abschließend weist der Autor auf den unzureichenden Wissenstand der Demographie hin, der noch nicht ausreicht, "um die Kluft zwischen privatem Interesse und öffentlichem Nutzen in Gesellschaften mit niedrigem Geburtenniveau auszuloten und mögliche Lösungen für eine strukturelle, institutionelle Reform zu erkunden". (PF)
"Regionale Verbandssysteme und vor allem sozialpartnerschaftliche Steuerungsstrukturen waren lange Zeit ein Randthema der Korporatismusforschung. Seit der Krise der makroökonomischen Globalsteuerung hat das Thema aber in Zusammenhang mit der Frage an Bedeutung gewonnen, ob nicht gerade die Region besonders geeignet sei für die Bearbeitung spezifischer strukturpolitischer Problemlagen. In einem Dreiländervergleich (Deutschland, Österreich, Schweiz) wird, ausgehend von einer Typologie der Verbandssysteme, zunächst deren Wandel in Richtung auf Dezentralisierung untersucht. Im Anschluss daran wird die Frage erörtert, inwieweit vom Europäisierungsprozess Regionalisierungsimpulse für sozialpartnerschaftliche Beziehungsmuster ausgehen. Abschließend wird der Beitrag des regionalen Mesokorporatismus zur Stabilität der Makroebene beleuchtet: In Gestalt einer subnationalen Erweiterung des nationalen Steuerungssystems wirkt die Mesoebene stabilisierend; als Regionalisierung der Interessenpolitik im Rahmen von Standortpartnerschaften entstehen dagegen Spannungen, die tendenziell die Makroebene schwächen." (Autorenreferat)
In dem Beitrag werden Überlegungen zu den Prozessen des "doing gender" in den Institutionen der Berufsorientierung und Berufsbildung angestellt. Anhand von Beispielen aus dem Bildungsbereich, speziell aus dem Bereich der Berufsbildung, wird ein institutionalistisches Konzept vorgestellt, das die Komplexität der Herstellung und Aufrechterhaltung der hierarchischen Geschlechterordnung in der politischen Wirklichkeit durchschaubar macht. Zunächst wird erläutert, welchen Erklärungswert die theoretischen Konzepte des "Neuen Institutionalismus" und der "Policy-Analyse" für die Geschlechterforschung bieten. Die weitere Gliederung folgt einer bottom-up-Perspektive: die Relevanz individueller Eigenschaften und Werte, der Organisationsstrukturen und der Verfaßtheit des Bildungssystems sowie der Makroebene des politischen Systems. In der Bildungspolitik, insbesondere in der Berufsorientierung und der Berufsausbildung dominieren interorganisatorische Netzwerke die Politikgestaltung. Daher wird unterschieden zwischen den Strukturen innerhalb der Organisation und den Beziehungen zwischen den Organisationen. Die Mikro-, Meso- und Makroebene werden schließlich unter der Fragestellung nach der Durchsetzbarkeit einer weiblichen Berufsbildungsreform zusammengefügt. (ICA)
In seiner Forschungsnotiz informiert Dressel über den Aufgabenbereich des Sonderforschungsbereichs »Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf«, in dem so etablierte wie unterschiedliche Untersuchungsfelder - Arbeitsmarkt, Familie, Bildung und Ausbildung, Sozialpolitik und Geschlechterverhältnis - mit Untersuchungsmethoden ausgeleuchtet werden, die das gesamte Spektrum zwischen gesellschaftlicher Mikro- und Makroebene abzudecken erlauben. Neben der Struktur und Arbeitsweise der einzelnen Teilprojekte und ihrer Integration im gesamten Forschungsschwerpunkt werden die Input-Output-Relationen der Sfb-Forschung anhand ihres wissenschaftlichen und praktisch-politischen Ertrags dargelegt. (DIPF/Orig.)
Der vorliegende Beitrag analysiert die "Neuen Religiösen Bewegungen" mit Hilfe des Instrumentariums der Bewegungsforschung. Zugrundegelegt wird ein an Glifford Geertz orientierter weiter Religionsbegriff. Typologisch werden die Neuen Religiösen Bewegungen als Sekten und Kulte (Publikumskulte, Klientenkulte und Kultbewegungen) erfaßt. Analytisch zurückgegriffen wird auf mikrosoziologische Ansätze (frame-alignment und Identitätsmanagement), auf eine Mesoebene von Strategien und Ressourcenstrukturen im ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Bereich und auf der Makroebene auf den Vergleich der sozialstrukturellen und kulturellen Rahmenbedingungen von Neuen Sozialen Bewegungen (NSB) und Neuen Religiösen Bewegungen (NRB). Mit dieser Ebenenunterscheidung gelingt es den Autoren, Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen diesen Bewegungstypen herauszuarbeiten. (ICE)
Im Vergleich zu den Selbsthilfeformen der BRD weist die Anti-Alkoholbewegung der Schweiz bereits ein beträchtliches Alter und landesweite Tradition auf. Sie ist ein klassisches Beispiel einer gleichzeitig auf der Mikroebene interaktiver und infrastruktureller (alkoholfreie Gaststätten) Hilfen und auf der Makroebene politischer Maßnahmen (die verfassungsmäßige Regulierung des Vertriebs von Alkohol) wirksamen sozialen Bewegung. Im Bereich der unmittelbaren Alkoholikerhilfen konkurrieren hier professionelle und nicht-professionelle (Anonyme Alkoholiker) Hilfsangebote, deren Effektivität die vorliegende Studie vergleichend untersucht. Die Studie stützt sich auf eine schriftliche Befragung der professionellen Dienste, der Anonymen Alkoholiker und der freiwilligen Helfer des Blauen Kreuzes und der Guttempler der deutschen Schweiz. (ICE)