Der Beitrag zum Konstitutionalisierungsprozess in der EU beschreibt und bewertet die Verfassungsentwicklung der Union mit Blick auf die Entschließung bzw. die Zustimmung des Europäischen Parlaments zu dem Konventsentwurf des europäischen Verfassungsvertrages. Die wesentlichen Beurteilungskriterien sind die Wahrung von (1) Demokratie, (2) Transparenz und (3) Effizienz. Ferner werden weitere spezifische Anmerkungen zu folgenden Aspekten formuliert: (1) Klärung der Verantwortlichkeiten, (2) institutionelle Innovationen, (3) Beschlussfassung, (4) Gesetzgebungsakte und Rechtsakte ohne Gesetzescharakter, (5) Haushalt und Eigenmittel, (6) nationale und regionale Parlamente sowie (7) Justiz und Inneres. Die Entschließung bewertet den Entwurf in seinen meisten Teilen als großen Fortschritt und beschränkt die Empfehlungen an die bevorstehende Regierungskonferenz, gewisse Aspekte zu überdenken, auf sehr wenige, politisch besonders sensible Themen. (ICG2)
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die differenzielle Erklärungskraft spiel- und tauschtheoretischer Verhandlungsmodelle an einem konkreten internationalen Verhandlungssystem empirisch-quantitativ zu bestimmen und zu untersuchen, ob dasvertragliche Ergebnis vom Institutionalisierungsgrad des Verhandlungssystems bzw. seiner institutionellen Einbettung abhängt. Als Anwendungsbeispiel wird die Regierungskonferenz von 1996 herangezogen, bei der die Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Reform der bestehenden Verträge verhandelten. Diese Reformkonferenz mündete in den Vertrag von Amsterdam. Nach einem kurzen Überblick über das Verhandlungssystem und die Datengrundlage werden einige Hypothesen entwickelt und empirisch überprüft. Im Ergebnis zeigt sich, dass vor dem Hintergrund eines relativ stark institutionalisierten Verhandlungssystems die auf einer Kooperationsannahme basierenden Modelle (z.B. die Nash-Verhandlungslösung und das Tauschmodell) den höchsten Gesamtnutzen für die Akteure liefern. Gleichzeitig erzielen sie auch die höchste Prognosegüte. Ferner wird deutlich, dass in allen Modellen die Annahme einer Machtgleichverteilung unter den EU-Staaten zu besseren Ergebnissen führt als die Annahme, große Mitgliedstaaten seien mächtiger als kleine. (ICI2)
Der Beitrag zur Europapolitik geht der Frage nach, wann und unter welchen Umständen das Europäische Parlament (EP) auf die Vertragsreformen seit Mitte der 1980er Jahre bis zur Regierungskonferenz 2000 in Nizza Einfluss nehmen konnte. Dabei vertritt der Autor die These, dass das EP einen Wandel vom abstrakten zum konkreten 'Systemgestalter' durchlaufen hat. In den 1980er Jahren hat das EP mit seinem föderal ausgerichteten Verfassungsentwurf ('Spinelli-Entwurf') einen Vorschlag gemacht, dessen Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt als sehr utopisch erscheint. Die Ausgangslage für solche föderalen Ideen verändert sich jedoch dann, als die EU in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre und dann verstärkt nach dem Jahr 2000 ('Post-Nizza-Prozess') offiziell in die Phase der 'Verfassungswerdung' bzw. der konkreten Konstitutionalisierung eingetreten ist. Dabei wird gezeigt, so der zweite Teil der These, dass der relative Erfolg des EP als 'Systemgestalter' zum einen von der jeweiligen 'Opportunitätsstruktur' und zum anderen von den leadership-Kapazitäten des EP und engagierter Abgeordneter abhängt. Die Diskussion dieser Annahme gliedert sich in folgende Schritte: Im ersten Schritt werden zunächst konkurrierende Konzepte zur Erklärung der Rolle des EP erörtert, um schließlich deutlich zu machen, weshalb das Konzept von Grabitz u.a. (1988) die beste Grundlage für eine Analyse liefert. Grabitz u.a. schreiben dem EP mit der Politikgestaltung, der Systemgestaltung und der Interaktion drei Funktionen zu. Der zweite Schritt untersucht sodann anhand von Fallstudien die Rolle des EP in den Vertragsreformen seit der Einheitlichen Europäischen Akte (1985) bis zur Regierungskonferenz von Nizza (2000). In diesem Zusammenhang finden (1) der Verfassungsentwurf von 1984, (2) die Regierungskonferenz von 1990/1991 von Maastricht und der Verfassungsentwurf des EP von 1994 sowie (3) die Regierungskonferenz 1996/1997 von Amsterdam Berücksichtigung. Im dritten Schritt werden abschließend aus dem empirischen Teil Schlussfolgerungen abgeleitet, welche die Eingangsthese zum EP und ihrem Wandel vom utopischen und abstrakten zum konkreten und pragmatischen Systemgestalter bestätigen. (ICG2)
Erst wenn alle Ratifikationsurkunden hinterlegt worden sind, wenn also in allen Mitgliedstaaten die Zustimmung erfolgt ist, kann der europäische Verfassungsvertrag in Kraft treten und damit die Europäische Union auf eine neue Grundlage stellen. Der vorliegende kursorische Überblick über die Lage in einigen Mitgliedstaaten zeigt jedoch, dass diese Zustimmung keineswegs sicher ist. Stark verankerte euroskeptische Haltungen, die Erfahrung mit bisherigen europapolitischen Referenden und die teilweise anspruchsvollen Quoren zur Beteiligung an solchen Abstimmungen sorgen für einen Ungewissen Ausgang. Die Frage, was geschieht, wenn der Ratifikationsprozess in einem oder mehreren Mitgliedstaaten scheitern sollte, haben weder der Konvent in seinem Verfassungsentwurf noch die Regierungskonferenz eindeutig beantwortet. Die logische Folge sind neue Verhandlungen. Neue Verhandlungen auf der Ebene des Europäischen Rates in Form einer Regierungskonferenz oder gar durch die Einberufung eines neuen Konvents könnten zumindest zur Umsetzung einiger Vertragsreformen führen. Über die Zukunft Europas muss dann noch einmal neu und grundsätzlich nachgedacht werden. Als letzter Ausweg bei einem Scheitern der Ratifikation in einem oder mehreren Mitgliedstaaten bleibt der Austritt aus der Europäischen Union. (ICA2)
"Die Europäische Union stand im vergangenen Jahr stark im Interesse der Öffentlichkeit. Grund hierfür war zum einen die als historische Einigung des europäischen Kontinents wahrgenommene Erweiterung der Europäischen Union um acht Staaten des ehemaligen Ostblocks sowie Malta und Zypern zum 1.5.2004. Zum anderen war es das als 'Scheitern' empfundene vorläufige Ergebnis der am 29./30.9.2003 durch den Rat der Europäischen Union einberufenen Regierungskonferenz im Dezember 2003. Die in sie gesetzte Hoffnung der Öffentlichkeit bestand in dem Bemühen um die Einigung eines in der Presse allgemein als 'Verfassung Europas' titulierten Vertragsentwurfes, der letztlich in Brüssel am 18.6.2004 angenommen wurde. Bei diesem Vertragsentwurf handelt es sich keineswegs um die erste Initiative für eine Europäische Verfassung, und es ist aus historischer Sicht auch nicht überraschend, dass er mit der Erweiterung der Europäischen Union zusammenfällt. Verfassungsinitiativen gab es bereits in Zeiten der Gründung und Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft und nach dem Ende des kommunistischen Ostblocks. Sie wurden aufgestellt vor dem Hintergrund von Ereignissen, die das Bild Europas ebenso veränderten wie die Osterweiterung, und die die Gemeinschaft unter institutionellen aber auch politischen Reformdruck stellten. Der Prozess, der zu dem nunmehr vorliegenden Vertragsentwurf führte, begann im Jahr 2000 mit der 'Erklärung über die Zukunft der Union', in der zur Verbesserung der 'demokratische(n) Legitimation und (der) Transparenz der Union' bestimmt Wurde, dass einer offenen Debatte und einer detaillierten Erklärung des Europäischen Rates eine Regierungskonferenz folgen sollte, um die für notwendig befundene Vertragsänderung zu beschließen. Ausdrückliche Ziele dieses Prozesses waren (1) eine genauere Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsgrundsatzes, (2) die Festlegung des Status der Grundrechtecharta, (3) eine Vereinfachung der Verträge ohne ihre inhaltliche Änderung und (4) die Festlegung der Rolle der nationalen Parlamente in der 'Architektur Europas'." (Autorenreferat)
Die gesamte Debatte zur Europäischen Verfassung steht im Spannungsfeld zwischen dem Drängen nach handlungsfähigeren europäischen Institutionen, also nach mehr Integration, und dem Beharren auf möglichst großer nationalstaatlicher Souveränität. Dies gilt insbesondere für die Diskussion über die Finanzen der Union. Die Ausführungen erläutern dazu vier Bereiche: (1) die finanzielle Vorausschau, (2) Haushaltsentwurf und -verfahren, (3) Eigenmittel (und in Verbindung damit die Einführung einer EU-Steuer) sowie (4) der Einfluss der EU auf die nationale Steuerpolitik. Das Ergebnis der Regierungskonferenz bleibt näher am Vertrag von Nizza als der Konventsentwurf für eine Europäische Verfassung und verpflichtet die Mitgliedstaaten stärker zu Einstimmigkeit bei finanzpolitischen Beschlüssen, auch wenn bereits der Konventsentwurf kaum als umwälzend bezeichnet werden kann. (ICG2)
Der Beitrag zum übergeordneten Thema der europäischen Verfassung als Prozess und Institution stellt den Europäischen Konvent, dessen Aufgabe in der Ausarbeitung eines Verfassungsvertrages besteht, hinsichtlich seiner Entstehung dar und liefert eine erste Bewertung der Ergebnisse. Dabei wird herausgearbeitet, inwiefern die Methode des Konvents innovativ ist und im Vergleich zum klassischen Verfahren der Vertragsänderung - den Regierungskonferenzen - konkrete Veränderungen in Bezug auf Form und Inhalt der europäischen Verfassungsgebung bringt. Im ersten Kapitel wird zunächst auf die 'Vor- und Frühgeschichte' des Konvents und die im Umfeld der Regierungskonferenz 2000 einsetzende europapolitische Debatte eingegangen und aufgezeigt, welche Themen und Problemdeutungen (frames) von europäischen Spitzenpolitikern diskutiert werden und inwiefern diese die Diskussionen im Rahmen des Konvents vorwegnehmen. In den beiden nachfolgenden Kapiteln werden das Mandat von Laeken 2001 sowie die Arbeitsweise und die Zusammensetzung des Konvents beschrieben. Dem schließt sich im vierten Schritt eine erste Analyse der Ergebnisse des Konvents an. In den Schlussfolgerungen werden die Ergebnisse zusammengefasst und die Folgen des Konvents für die praktische Europapolitik und die politikwissenschaftliche Integrationsforschung diskutiert. So bestätigt die Analyse der Konventsarbeit die These, dass sich mit dem Fortschreiten der Integration und der Konstitutionalisierung auch der Prozess der Verfassungsgebung auf europäischer Ebene verändert, da er eine sehr viel breitere Öffentlichkeit erreichen und einbeziehen kann. (ICG2)
Der Beitrag zur Konstitutionalisierung der EU verfolgt die Entwicklung der Debatte um eine Verfassung für Europa von der Framing-Phase 2000 bis zur Annahme des Verfassungsvertrages 2004. Dabei gliedern sich die Ausführungen in folgende Phasen: (1) die Periode der konkurrierenden Deutungsrahmen nach der Humboldt-Rede des deutschen Außenministers J. Fischer 2000 bis 2001, (2) das Agenda-Setting und die Einführung der Konventsmethode unter belgischer Ratspräsidentschaft 2001, (3) die Konventsphase 2002/03 mit der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs sowie (4) die Regierungskonferenz 2003/04 unter italienischer und irischer Ratspräsidentschaft mit der Verabschiedung des Vertrags über eine Verfassung für Europa. Es liegt nun an den Politikern, Parlamenten und der europäischen Bevölkerung, den geschriebenen Verfassungsvertrag in eine lebendige Verfassung umzuwandeln. (ICG2)
In: Die Konstitutionalisierung der Verbandsgewalt in der (neuen) Europäischen Union: rechtliche, politische und ökonomische Konsequenzen der neuen Verfassung der EU, S. 97-106
Nur eine europäische Verfassung kann nach Einschätzung des Autors die Zentralisierungsdynamik der vergangenen zwei Jahrzehnte stoppen. Eine Betrachtung des Vorschlags der Regierungskonferenz unter den Gesichtspunkten der Freiheit, der Diskussion über Abstimmungsregeln, der Auswirkungen der Zentralisierung und des Verlaufs des Konventprozesses zeigt jedoch, dass der Verfassungsentwurf der Regierungskonferenz ungeeignet war und von den französischen und niederländischen Wählern zu Recht abgelehnt wurde. Ein neuer Verfassungsvertrag muss von einem Gremium erarbeitet werden, dessen Mitglieder von den Bürgern Europas gewählt sind. (ICE2)
Der Verfasser bestimmt Legitimität als die Grundanforderung an die Ausübung von Herrschaftsgewalt. Auf europäischer Ebene gehört zu den die Legitimität der Union begründenden Verfahrensregeln das in Art. 48 EU verankerte Vertragsrevisionsverfahren, bei dem die Regierungskonferenz eine zentrale Rolle spielt. Der Verfasser setzt sich mit der Frage auseinander, in wie weit Änderungen oder Ergänzungen dieses Verfahrens durch demokratische Elemente dessen legitimatorische Funktion stärken und Vorbehalten abbauen können. Zu diesem Zweck werden zunächst das Verfahren und die an diesem vorgebrachte Kritik dargestellt. Im Folgenden werden Reformvorschläge skizziert, der diesbezügliche Vorschlag des Verfassungskonvents wird diskutiert. Der Verfasser sieht die Konventsmethode nach Art. IV-7 EVV als vernünftige Alternative zum Modell der Regierungskonferenz, die die Legitimität der Union stärken könnte. (ICE2)
Der Beitrag überprüft die nationale Vorbereitung von EU-Regierungskonferenzen unter dem Aspekt der demokratischen Legitimation, sowohl der input- als auch der output-Legitimation. Am Beispiel der Vorbereitungen auf die Regierungskonferenz 1996/97 werden folgende Aspekte untersucht: (1) Einbindung der betroffenen Akteure als Minimalerfordernis einer input-Legitimation; (2) effektive Beteiligung innerhalb der formalen und informellen Strukturen; (3) Multilateralität als strukturelle Basis einer positiven Koordination; (4) Effizienz der Koordination (Kaldor-Optimalität). Die Analyse zeigt, dass es sowohl bei der input- als auch bei der output-Legitimation der Vorbereitung auf EU-Regierungskonferenzen bedeutende Mängel gibt. (ICE2)
Der Beitrag zur Konstitutionalisierung der EU im Rahmen des neuen Europäischen Verfassungsvertrags stellt einige Thesen zu den Perspektiven der verstärkten Zusammenarbeit vor, wie sich diese in ihrer vertraglichen Form nach Abschluss der Regierungskonferenz und als Variante der engeren Zusammenarbeit präsentiert. In der EU findet dann engere Zusammenarbeit statt, wenn weniger als die Gesamtzahl der Mitgliedstaaten zu einem bestimmten Thema im Geiste und mit dem Ziel europäischer Integration gemeinsam Politik machen. Der erste Schritt wirft einen Blick auf die bisherigen Erfahrungen seit 1999, indem die verstärkte Zusammenarbeit nach der Vertragsrevision von Nizza sowie die engere Zusammenarbeit außerhalb des Vertrages beschrieben wird. Der zweite Schritt betrachtet sodann die verstärkte Zusammenarbeit im Lichte des Verfassungsvertrages. Dabei werden folgende politikfeldabhängige Spezifika dargestellt: (1) die Eurogruppe, (2) Sicherheit und Verteidigung sowie (3) gemeinsame Justiz- und Innenpolitik. Der dritte Schritt informiert über die Felder kommender engerer Zusammenarbeit in einer verfassten EU. Der vierte Schritt diskutiert abschließend die Frage, welche Bedeutung das Instrument der engeren Zusammenarbeit für den Fall gewinnen könnte, dass der Verfassungsvertrag nicht in allen Mitgliedstaaten ratifiziert und daher nicht in Kraft gesetzt werden kann, und zwar dann, wenn das in mehr als einem einzigen Mitgliedstaat geschehen sollte. (ICG2)
"Die Europäische Union (EU) ist noch entfernt von einem Bundesstaat, hat aber bereits Merkmale, die über ein reines politisches Regime eines Staatenbundes hinausgehen." Dieser Integrationsprozeß wird nach seiner Entwicklungsdynamik, seinen Antriebskräften und seinen Resultaten beurteilt. Die Grundlage bilden Theorien zur europäischen Integration wie z.B. der Neo-Funktionalismus. Diesen wurden die empirisch faßbare Entwicklungsdynamik der EU zum "intergouvernementalen System" und die sich herauskristallisierenden Formen der staatlichen Regulation gegenübergestellt. U.a. wird die Rolle der Europäischen Kommission, insbesondere beim neuerlichen Integrationsaufschwung seit Mitte der 80er Jahre, und ihre Beziehung zum Ministerrat herausgearbeitet. Mit der veränderten Rolle der Kommission verändert sich auch das EU-System: "Es ruht fortan nicht mehr nur auf den Säulen seiner Migliedstaaten und damit auf dem Intergouvernementalismus, sondern auch auf den sich formierenden nichtstaatlichen Interessengruppierungen, die allerdings nicht korporatistisch organisiert sind, sondern vorerst eher nach den Gesetzen von Markt und Konkurrenz unter der Schirmherrschaft der Kommission operieren." (prf)