Der Beitrag gibt zunächst einen Überblick über den wissenschafts- und politikgeschichtlichen Hintergrund der Entstehung der Englischen Schule, um sich dann in der weiteren Darstellung auf Hedley Bull ("The Anarchical Society") zu konzentrieren. Fünf Aspekte seines Werkes werden angesprochen: (1) die internationale Gesellschaft als zentrale Idee der Englischen Schule, (2) Bulls Konzept des Machtgleichgewichts, (3) Bulls interpretative Methodologie, (4) Bulls normatives Theoriekonzept und (5) sein Verhältnis zur politischen Praxis. Weiterentwicklungen der Englischen Schule lassen sich vor allem in zwei Richtungen feststellen, in Richtung auf eine Anknüpfung an den amerikanischen Mainstream (Neorealismus, Regimetheorie) und in Richtung auf die Kritische Theorie. Abschließend wird die Frage nach der Zukunft der Englischen Schule gestellt. Ein didaktisch aufbereitetes Literaturverzeichnis erleichtert ein vertiefendes Einsteigen in die Thematik. (ICE2)
Der Verfasser zeigt, dass für die vielfach behauptete Professionalisierung der Internationalen Beziehungen (IB) die konsequente Theorieorientierung entscheidend war, dass sich damit allerdings ein bestimmtes Theorieverständnis durchsetzte, das zu einer problematischen Grenzziehung zwischen professioneller und nicht-professioneller Forschung führte. Weiter wird gezeigt, dass die Emanzipation von US-amerikanischen Paradigmen über eine Differenzierung der Theorieentwicklung stattfand, die es den deutschen IB erlaubte, eigenständige Akzente zu setzen, dass aber gleichzeitig die Gefahr einer theoretischen Engführung entstand. Drittes wird gezeigt, wie gegenwärtig die Governance-Forschung zwar als thematischer Fokus dient und vielfältige interdisziplinäre Anknüpfungspunkte bietet, dass aber gleichzeitig der Charakter der IB als Subdisziplin der Politikwissenschaft problematisch wird. (ICE2)
In: Die Transformation der Streitkräfte im 21. Jahrhundert: militärische und politische Dimensionen der aktuellen "Revolution in Military Affairs", S. 249-269
Die USA haben mit der Transformation ihrer Streitkräfte zwar eine Revolution eingeleitet, aber sie haben nach Ansicht des Autors verkannt, dass sie damit eine Konterrevolution hervorrufen, die ihren strategischen Vorteil politisch wieder zunichte macht. Der strukturelle Unterschied bei der Innovationsfähigkeit von Staaten und nicht-staatlichen Akteuren führt zu einem Konfliktverhalten, wie es idealtypisch in der amerikanischen Sicherheitspolitik und den Kriegen in Afghanistan und im Irak zum Ausdruck kommt: Durch technologische Hochrüstung und die Aussicht auf einen schnellen Sieg werden die USA zu Militäreinsätzen verleitet, ohne sich über den politischen Zweck im Klaren zu sein. Die militärische Stärke der USA ist somit zugleich ihre politische Schwäche, und die militärische Schwäche der Aufständischen ihre politische Stärke. Auf diese Weise gewinnen die USA zwar Kriege, verlieren aber regelmäßig den Frieden. Der Autor entwickelt zur Erläuterung dieser These zunächst den Begriff der "militärischen Asymmetrie", der die Dialektik von Revolution und Konterrevolution in "Military Affairs" verdeutlicht. Er beschreibt anschließend die amerikanische Interventionsstrategie anhand der Planungen zur Transformation des Militärs und kontrastiert sie mit der Innovation nicht-staatlicher Akteure im Bereich der Guerilla-Kriegsführung und des Terrorismus. Er zeigt ferner am Beispiel des Irakkrieges, warum die Aufstandsbekämpfung der USA scheitert und der "New American Way of War" im Grunde der alte ist. (ICI2)
Das Problem des Wissens und Nichtwissens in der internationalen Politik ist nicht nur ein faktisches Problem, sondern auch ein methodisches, nämlich des Wissens darüber, wie mit faktischem Wissen oder Nichtwissen umzugehen ist. Dies wird am Beispiel des Irakkriegs gezeigt, der von den USA wie kein anderer unter den Bedingungen eines neuen Verhältnisses von Wissen und Nichtwissen geführt worden ist - in Ungewissheit über die tatsächliche Bedrohungslage, im Bewusstsein militärischer Überlegenheit, ohne das verdrängte Wissen früherer Guerillakriege und ohne Verständnis für nicht-intendierte Konsequenzen militärischer Interventionen. Der Irakkrieg ist ein typisches Beispiel für einen nicht-reflexiven Umgang mit Gefahr. Dies verweist auf die Notwendigkeit reflexiver Politikberatung. (ICE2)
Der Autor weist auf folgendes Dilemma in der amerikanischen Politik hin: Wenn die Regierung nationale Sicherheitsinteressen geltend machen kann, ist die nationale Unterstützung hoch, die internationale Erfolgswahrscheinlichkeit hingegen gering. Wenn sie die Uneigennützigkeit einer pro-demokratischen Intervention glaubhaft macht, ist die internationale Erfolgschance hoch, aber die nationale Unterstützung gefährdet. Unter diesen Bedingungen kann eine gewaltsame Demokratieförderung nur in seltenen Ausnahmefällen erfolgreich sein, wie der Autor in seinem Beitrag zeigen möchte. Er analysiert zunächst die theoretischen Argumente, die in der amerikanischen Debatte für und gegen eine erzwungene Demokratisierung vorgebracht werden. Er betrachtet danach die Beziehungen zwischen globalen Anreizstrukturen und nationalen Konsensbildungsprozessen aus historischer Perspektive. Als Beispiele dienen ihm Präsident Wilsons Projekt einer demokratischen Weltordnung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Versuche zur Demokratisierung Deutschlands und Japans im Zweiten Weltkrieg, der pro-demokratische Interventionismus während des Kalten Krieges, die Demokratieförderung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts sowie die erzwungene Demokratisierung nach den Terroranschlägen des 11. September. Der Autor bewertet abschließend die Erfolgsaussichten amerikanischer Demokratisierungsstrategien vor dem Hintergrund des Irakkrieges. (ICI)
Der Autor stellt zunächst die zentralen Thesen seiner Mitte der 1990er Jahre entwickelten Theorie des "Kleinen Krieges" vor, welche sich auf die Struktur asymmetrischer Konflikte bezieht und einen Erklärungsansatz dafür bietet, warum Staaten, die sich auf militärische Auseinandersetzungen mit nichtstaatlichen Akteuren einlassen, diese häufig nicht gewinnen können. Die Theorie geht davon aus, dass die Grundlagen von Staatlichkeit (z.B. Kohäsion, Legitimität und Gewaltkontrolle) in asymmetrischen Kriegen untergraben werden und dass der eher unkonventionelle Charakter dieser Kriege zum Wandel der Institutionen im internationalen System führt. Der Autor erörtert die kritischen Einwände, die bisher gegen die Theorie des "Kleinen Krieges" vorgebracht worden sind und skizziert ein Forschungsprogramm für deren Weiterentwicklung. In systematisierenden Vergleichen müsste zum Beispiel untersucht werden, unter welchen Bedingungen eine Stärkung bzw. Schwächung des kämpfenden staatlichen Akteurs stattfindet und unter welchen Bedingungen es zu einer Politisierung bzw. Entpolitisierung der nichtstaatlichen Akteure kommt. Ferner könnte ein Anschluss an die gegenwärtige Forschung zum "demokratischen Frieden" gefunden werden und nicht zuletzt gilt es, die Reichweite der Theorie im Lichte des globalen "Krieges gegen den Terror" zu überprüfen, da die Globalisierung des Counterterrorismus wie ein "Kleiner Krieg" im Weltmaßstab betrachtet werden kann. (ICI2)
Der Beitrag befasst sich mit Risikostrategien im Kampf gegen den Terror. Ziel ist es aufzuzeigen, um was für ein Problem es sich bei der Terrorismusbekämpfung handelt und warum es so schwierig ist, ein einheitliches Konzept zu seiner Bekämpfung zu finden. Mit Blick auf die amerikanische Anti-Terror-Politik sind insbesondere ungewollte und kontraproduktive Folgen wie etwa die ökonomischen und politischen Kosten von Interesse, sowie die Auswirkungen des durch den 'war on terror' vollzogenen Paradigmenwechsel nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Das Kernproblem gegenwärtiger Sicherheitspolitik ist, dass es zur Zeit noch keine klaren Kriterien für die Beurteilung 'guter' Antiterrorismuspolitik gibt: Wie hoch das Terrorismusrisiko wirklich ist und ob die aufgewendeten Kosten zu seiner Reduzierung angemessen sind, ist objektiv nicht zu bestimmen. Die Existenz nicht-intendierter Konsequenzen verschärft das Problem, weil die Kalkulation der 'Kosten' dadurch noch schwieriger wird. Dort, wo Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus außerhalb etablierter Normen oder unter Verletzung dieser Normen getroffen werden, muss mit weitreichenden nicht-intendierten Konsequenzen gerechnet werden, die nicht nur die Effektivität dieser Maßnahmen einschränken, sondern zu paradoxen Ergebnissen und damit zu ungeahnten Kosten führen können. Insbesondere langfristige Auswirkungen auf die Institutionen der Innen- und Außenpolitik sind hier zu befürchten. (ICG2)
"Der Autor geht von der These aus, dass die herkömmlichen Formen der Sicherheitspolitik und Krisenbewältigung scheitern mussten, weil sie die Strukturen und Dynamiken neuer Kriege und Konflikte nicht angemessen berücksichtigen. Die gegenwärtig vorherrschende Kriegsform ist der asymmetrische Krieg zwischen ungleichen Kriegsparteien, also Staaten und nichtstaatlichen Akteuren. Dieser Konfliktstruktur muss sowohl bei Konfliktregelung als auch -prävention beispielsweise durch die Resymmetrisierung der Konfliktparteien Rechnung getragen werden." (Autorenreferat)
Der Autor diskutiert drei Gründe, warum Demokratien untereinander friedlich, gegenüber Nicht-Demokratien aber streitbar sind, und zeigt, welche Auswirkungen sich daraus für die demokratische Kriegführung ergeben. Der erste Grund ist institutioneller Natur: Innenpolitische Institutionen wirken in Konflikten zwischen Demokratien kriegshemmend, bei Konflikten zwischen Demokratien und Nicht-Demokratien jedoch kriegsverstärkend. Der zweite Grund ist normativer Natur: Gemeinsam geteilte soziale Werte und politische Ideale verhindern Kriege zwischen Demokratien, machen jedoch Kriege zwischen Demokratien und Nicht-Demokratien wahrscheinlicher und unerbittlicher. Der dritte Grund ist politisch: Die Suche nach Sicherheit lässt Demokratien internationale Gemeinschaften bilden und gegenseitigen Gewaltverzicht üben, gegen nicht-demokratische "Außenseiter" jedoch rücksichtslos, manchmal sogar präventiv militärisch vorgehen. Um seine Thesen zu verdeutlichen, greift der Autor zentrale Argumentationslinien des Theorems vom demokratischen Frieden auf und kontrastiert sie mit empirischen Befunden zur Sicherheitspolitik und Kriegführung der USA seit dem Zweiten Weltkrieg. Der demokratische Frieden ist nach seiner Interpretation nichts anderes als ein Vergesellschaftungseffekt, der durch eine gemeinsame Kriegführung und Konfliktbewältigung entsteht. (ICI2)
Angesichts des Endes der Bipolarität in der internationalen Politik besteht die Notwendigkeit einer Neuorientierung auch für die sicherheitspolitische Forschung. Der vorliegende Aufsatz versteht sich als Beitrag zur Fundierung der sicherheitspolitischen Forschung als theoretischer Wissenschaft. Der Autor entwickelt einen konzeptionellen Rahmen, der neue Hypothesen erlaubt und damit die Grundlage für die Bildung einer Theorie legt. In diesem Zusammenhang erstellt der Verfasser folgendes Argumentationsmuster: (1) Zuspitzung der Kritik an der traditionellen Sicherheitstheorie auf die Dichotomie von Akteur und Beobachter; (2) Entwicklung der konzeptionellen Elemente eines neuen Forschungsprogramms mit der heuristischen Definition eines akteursbezogenen Sicherheitsbegriffs; (3) Darlegung der dieser Konzeption zugrundeliegenden Annahme, daß Sicherheitspolitik sich weniger nach objektiven Bedrohungen als nach soziokulturell bedingten Wahrnehmungen richtet; (4) Erläuterung erster Schlußfolgerungen für ein neues Design theorieorientierter sicherheitspolitischer Forschung. (ICC)
Der Autor geht in seinem Beitrag der Frage nach, ob das Konzept der "ökologischen Sicherheit" wissenschaftlich und politisch progressiv ist bzgl. der Beschreibung und Erklärung von Umweltzerstörungen sowie angesichts der subjektiven Wahrnehmung von Umweltzerstörung eine angemessene Perzeption der Bedrohung und ihrer Ursachen ermöglicht und so zu einem rationalen gesellschaftlichen Diskurs beiträgt; schließlich wird gefragt, welche Probleme die Friedensforschung vorrangig behandeln sollte und ob dafür das Konzept der "ökologischen Sicherheit" ein geeignetes Instrument ist. Hierzu werden zunächst die Ebenen (umgangssprachliche, politische und wissenschaftliche) der Sicherheitsdiskussion differenziert und die Ansätze zur Erweiterung des Sicherheitsbegriffs dargestellt. Diese werden unter drei Gesichtspunkten untersucht, nämlich wie der Übergang a) von einem negativen zu einem positiven Sicherheitsbegriff, b) von der Gefahrenabwehr zur Risikovorsorge und c) von nationaler zu globaler Sicherheit konzeptionalisiert wird. Danach wird das Konzept der "ökologischen Sicherheit" in seinen verschiedenen Dimensionen entwickelt und auf seine wissenschaftlichen und politischen Implikationen hin untersucht. Es versteht sich als Sicherheit vor Umweltkrieg, umweltinduzierten Konflikten und Naturzerstörung. Im Ergebnis erweist sich das Konzept der "ökologischen Sicherheit" als zu undifferenziert, die vielschichtigen Aspekte der Umweltgefährdung analytisch in den Griff zu bekommen bzw. als zu ungeeignet, als übergreifende Zielvorstellung politischen Handelns wirksame Entscheidungen vorzubereiten. Stattdessen erfüllt es die kurzfristigen Erwartungen und Bedürfnisse aller drei am politischen Prozeß beteiligten Subsysteme: die Restauration des starken Staates, die Selbstsicherheit der Gesellschaft und die Sicherheit der Friedensforschung. Es begreift die ökologischen Probleme nicht als eigene, selbstverschuldete, "sondern als Aufgabe an den Staat" und erstickt somit eine partizipative Umweltdiskussion. (ICK)