Rassismus äußert sich nicht nur in Vorurteilen oder Diskursen. Auch Alltagspraktiken und Institutionen werden durch Rassismus strukturiert. In Anlehnung an die Bourdieu'schen Theorien des sozialen Raumes und der symbolischen Gewalt entwickelt Anja Weiß ein Modell des Rassismus als symbolisch vermittelte Dimension sozialer Ungleichheit. Die Auswertung von Gruppendiskussionen und Rollenspielen mit antirassistisch engagierten Realgruppen zeigt, wie diese offene Rassismen kompetent vermeiden, und wo trotz ihrer Bemühungen rassistische Effekte auftreten. Interkulturelle Konfliktdynamiken werden als Ausdruck struktureller Machtasymmetrie verständlich. Die antirassistische Mobilisierung von weißen Deutschen kann in der klassenspezifischen Distinktion der gebildeten Mittelschicht verortet werden.
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Branko Milanovic: Capitalism, Alone - The Future of the System that Rules the World. Cambridge, MA: The Belknap Press of Harvard University Press 2019. 9780674987593
"Theories of racism offer a wealth of interesting approaches, and yet some important questions have remained open. One significant issue concerns the relative importance of cultural patterns and social structure for the reproduction of racism. The paper revisits this question and resolves it with the help of a modern classic, the French sociologist Pierre Bourdieu. He does not directly deal with the problem of racism but his theory offers the analytical instruments necessary to develop a refined model of racism, namely his work on relations of symbolic power and his attention to the cultural and symbolic dimensions of social inequality. Being based on Bourdieu's theory the model of racism proposed in this article has the advantage of being systematically integrated into a more general social theory. In conclusion the paper shows the advantages of this approach for the study of racism and suggests options for further research." (author's abstract)
"Wenn man sich für die Auswirkungen rechtlicher Exklusion auf die Statuspassage in den Arbeitsmarkt interessiert sollte man die Erfahrungen rechtlicher Exklusion rekonstruieren, da diese die Handlungsoptionen vor dem Hintergrund tatsächlicher rechtlicher Restriktionen strukturieren. Im Rahmen der internationalen Studiengruppe 'Kulturelles Kapital in der Migration'' wurden in Deutschland 25 Personen mit ausländischem Universitätsabschluss interviewt, die für längere Phasen ihrer Statuspassage in den Arbeitsmarkt von rechtlicher Exklusion betroffen waren. Die Befragten waren zwischen 26 und 51 Jahre alt. Acht Personen hatten Abschlüsse im Bereich der Naturwissenschaft und Technik, sieben Personen in Medizin einschließlich Psychologie, vier in Wirtschaft, fünf in Pädagogik und vier in Geisteswissenschaften. Die dokumentarische Methode (Bohnsack 2003; Nohl 2006) erlaubt es, aus narrativen Interviews Erfahrungen und Handlungspraktiken zu rekonstruieren und diese zu soziogenetischen Typologien zusammenzufassen, die die Bedingungen, unter denen diese Erfahrungen entstanden sind, berücksichtigen (Nohl 2001)." (Textauszug, IAB-Doku)
"Der Beitrag untersucht, inwiefern hochqualifizierte Migrantinnen den Kern einer transnationalen Mittelklasse bilden. Bestimmte Formen des kulturellen Kapitals sind weltweit so gefragt, dass sich die soziale Lage entsprechend qualifizierter MigrantInnen über Ländergrenzen hinweg angeglichen hat. Dieser Tendenz zur Transnationalisierung stehen nationalstaatliche Migrationsregime gegenüber, die auch höchstqualifizierte MigrantInnen ungleich stellen, je nachdem, ob sie einem statushohen oder -niedrigen Land zugerechnet werden. Ihr Artikel vergleicht die Klassenlage von hochqualifizierten Migranten und Migrantinnen, die überwiegend mit Green Card in Deutschland tätig sind, mit der von hochqualifizierten Deutschen, die von ihren Arbeitgebern ins Ausland entsandt wurden. Auf der Grundlage einer theoretischen Auseinandersetzung mit der soziologischen Klassentheorie, die sich bisher auf den Nationalstaat beschränkte, wird ein Sample untersucht, bei dem gute Gründe für und gegen die These einer transnationalen Klassenbildung sprechen. Hinsichtlich des ökonomischen Kapitals der beiden Vergleichsgruppen zeigen sich neben einer bemerkenswerten Angleichung des (ökonomischen) Habitus Unterschiede im Einkommen, die auf eine systematische Ungleichbehandlung durch Nationalstaaten verweisen. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse plädiert Anja Weiß dafür, eine Transnationalisierung der Klassenstruktur nicht als soziale Klassenbildung, sondern als Transnationalisierung der für die Klassenbildung wesentlichen Strukturgeber zu begreifen." (Autorenreferat)
BOURDIEUS Begriff der "Klassen auf dem Papier" ist auf den theoretischen Rahmen des Nationalstaats bezogen. Um der sozialen Lage von Migranten und Migrantinnen gerecht zu werden, die in mehr als einem Nationalstaat leben und arbeiten, muss sich die Ungleichheitsforschung mit sozialer und struktureller Transnationalisierung auseinander setzen. Als Antwort auf die im ersten Teil des Artikels formulierte Kritik stellt der zweite Teil einen Begriff von transnationaler Klassenbildung vor, auf dessen Grundlage in der Folge das methodische Vorgehen entwickelt wird. Am Beispiel hochqualifizierter MigrantInnen wird mit Hilfe qualitativer Daten und orientiert am Paradigma der "Grounded Theory" untersucht, wie und wo transnationale Klassenbildung stattfindet. Die Zielrichtung des Projekts unterscheidet sich insofern von vielen migrationssoziologischen Arbeiten, als nicht versucht wird, kulturelle Besonderheiten zu rekonstruieren. Vielmehr werden höchstqualifizierte MigrantInnen im Rahmen eines "qualitativen Experiments", dessen Logik im dritten Teil vorgestellt wird, als Befragte ausgewählt und untersucht. Durch einen Vergleich von Deutschen, die in Entwicklungs- und Schwellenländern entsandt wurden, mit IT-Fachkräften, die aus diesen Ländern nach Deutschland gekommen sind, soll sich zeigen, ob Anhaltspunkte für einen fortgesetzten Einfluss des Nationalstaats oder solche für eine transnationale Klassenbildung überwiegen. Da sich in transnationalen sozialen Räumen weder faktische Informationen noch Habitusindikatoren in einem einzigen Bezugsrahmen interpretieren lassen, verwendet die Studie viertens diverse Arten von Daten und analytischen Strategien. Das methodologische Vorgehen wird mit Befunden zur ökonomischen Lage der Befragten illustriert. (Scheinbare) Widersprüche zwischen Selbsteinschätzungen und faktischen Angaben zur Kapitalausstattung werden verständlich, wenn man die Bedeutung des Nationalstaats für die Ausstattung mit öffentlichen Gütern bedenkt. An diesem Beispiel kann im fünften Teil des Artikels illustriert werden, wie abduktive Schlüsse zur Entwicklung empirisch fundierter Theoriebildung beitragen. Abschließend wird diskutiert, ob und wie sich die Strukturgeber, die hinter (trans-) nationaler Klassenbildung stehen, mittels qualitativer Forschung rekonstruieren lassen.