Das "Humanitäre Völkerrecht" oder "Kriegsvölkerrecht" umfasst die Gesamtheit der rechtlichen Bestimmungen, die im Fall eines bewaffneten Konflikts gelten und zu beachten sind, wie etwa bei der Beschießung von Zivilisten im afghanischen Kundus im Jahr 2009 oder beim mehrfachen Einsatz von Giftgas in Syrien. Das neue Lehrbuch zum Humanitären Völkerrecht stellt die Dynamik und Breite des Rechtsgebietes auch in seinen Bezügen zu anderen Materien des Völkerrechts dar, wie etwa zum internationalen Menschenrechtsschutz, dem Friedenssicherungssystem der UNO und dem Völkerstrafrecht. Zahlreiche Beispiele und Wiederholungs- und Vertiefungsfragen erleichtern das Verständnis.
Während sich bei nichtinternationalen und asymmetrischen Konflikten ein Trend zur verstärkten Anwendung von Gegenseitigkeitsmechanismen zeigt, wird zugleich der Ruf nach bedingungslos geltenden Regeln eines »humanisierten Humanitären Völkerrechts« lauter denn je. Die Autorin unterzieht das Humanitäre Völkerrecht einer systematischen Prüfung auf reziproke Ausprägungen (z.B. Gegenseitigkeitsbedingung, Repressalie, Regeln zum Kombattantenstatus) und setzt sich mit der in Literatur und Rechtsprechung diskutierten Frage auseinander, ob der Verbleib eines starken Reziprozitätsprinzips im Humanitären Völkerrecht oder eher sein Verschwinden dem erklärten Ziel dieses Rechtsgebiets, menschliches Leid in bewaffneten Konflikten zu mindern, mehr dienen würde. Differenziert nach den jeweiligen Ausprägungen des Reziprozitätsprinzips arbeitet die Untersuchung sowohl seine erheblichen Risiken als auch nutzenswerte Vorzüge heraus
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Während sich bei nichtinternationalen und asymmetrischen Konflikten ein Trend zur verstärkten Anwendung von Gegenseitigkeitsmechanismen zeigt, wird zugleich der Ruf nach bedingungslos geltenden Regeln eines »humanisierten Humanitären Völkerrechts« lauter denn je. Die Autorin unterzieht das Humanitäre Völkerrecht einer systematischen Prüfung auf reziproke Ausprägungen (z.B. Gegenseitigkeitsbedingung, Repressalie, Regeln zum Kombattantenstatus) und setzt sich mit der in Literatur und Rechtsprechung diskutierten Frage auseinander, ob der Verbleib eines starken Reziprozitätsprinzips im Humanitären Völkerrecht oder eher sein Verschwinden dem erklärten Ziel dieses Rechtsgebiets, menschliches Leid in bewaffneten Konflikten zu mindern, mehr dienen würde. Differenziert nach den jeweiligen Ausprägungen des Reziprozitätsprinzips arbeitet die Untersuchung sowohl seine erheblichen Risiken als auch nutzenswerte Vorzüge heraus. »The Principle of Reciprocity in International Humanitarian Law« Originally, the principle of reciprocity was deep-seated in international humanitarian law. Today, there is no consensus as to whether it is the continued existence of a strong principle of reciprocity or rather its disappearance that would render the better service for the purpose of reducing human suffering in armed conflicts. Debates such as those concerning reprisals and the enforcement of reciprocal mechanisms in the law of non-international armed conflict exemplify this question. Ursprünglich war das Prinzip der Gegenseitigkeit im Humanitären Völkerrecht fest verankert. Heute besteht keineswegs Einigkeit darüber, ob der Verbleib eines starken Gegenseitigkeitsprinzips oder sein Verschwinden dem Ziel, menschliches Leid in bewaffneten Konflikten zu mindern, mehr dienen würde. Exemplarisch dafür stehen Debatten über Nutzen und Gefahren der Repressalie und über die Stärkung der Reziprozitätsmechanismen im Recht des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts.
"In der jüngsten Vergangenheit hat eine Häufung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts dazu geführt, dass seine Wirksamkeit immer mehr angezweifelt wird. Als Beispiele zu nennen wären etwa die Folterungen von Gefangenen durch US-amerikanische Streitkräfte in Abu Ghraib und anderen Gefängnissen, die Verweigerung des Kriegsgefangenenstatus gegenüber den Häftlingen auf Guantânamo, der weltweite Terrorismus und das Verhalten der israelischen Armee in den palästinensischen Gebieten. Dieser Beitrag widerspricht jedoch der Folgerung, wonach das humanitäre Völkerrecht grundsätzlich in Gefahr ist. Es wird gezeigt, dass es nicht nur aus moralischen Gründen sinnvoll ist, diese Normen einzuhalten, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Klugheit." (Autorenreferat)