Aufsatz(elektronisch)2003

Zwischen Sowjeterbe und Globalisierung: grundlegende Merkmale und aktuelle Tendenzen regionaler Entwicklungen in Russland

In: Europa Regional, Band 11, Heft 2, S. 81-92

Verfügbarkeit an Ihrem Standort wird überprüft

Abstract

An Darstellungen zu einzelnen Aspekten des Regionalismus in Russland fehlt es in der
wissenschaftlichen Literatur nicht. Über
das Gesamtphänomen scheint aber noch immer
wenig Klarheit zu bestehen. Dies zeigte sich
unlängst wieder in
den widersprüchlichen
Urteilen über die föderalen Reformen, die
Wladimir Putin Anfang 2000 einleitete. Im
Mittelpunkt dieses Beitrags stehen die Fragen, von welchen Kräften der
Regionalisierungsprozess in Russland angetrieben wird, welches die spezifischen Merkmale
des russischen Regionalismus sind und in welche Richtung sich die regionalen Prozesse unter
Putin entwickeln. Der Autor des Beitrags argumentiert, dass Russlands Regionalisierung Teil
des allgemeinen Transformationsprozesses ist, der seit Anfang der 1990er Jahre einer
zweifachen Herausforderung unterworfen ist:
dem sowjetischen Erbe einerseits und den
Einflüssen des internationalen und transnationalen Umfeldes andererseits. Die
Regionalisierung der Jelzin-Zeit wurde zwar
durch den föderativen Aufbau des Staates
institutionell gestützt, doch basierte das regionale System wie es
sich in den 1990 Jahre
herausbildete, weitgehend auf denselben Strukturen und wies dieselben
Eigenschaften auf wie
der in Sowjetzeiten herangewachsene "Regionalismus"; nämlich auf einem in hohem Masse informellen und personalisierten System von
Macht- und Austauschbeziehungen zwischen
den Akteuren des Zentrums und der Regionen und einem auf Machtmonopolisierung
angelegten politischen System innerhalb der Regionen.
In diesem Zusammenhang ist die eigentliche
Bedeutung der putinschen föderalen Reformen
darin zu sehen, dass eine Reihe von Mängeln dieses im Kern sowjetischen Systems offen
gelegt und angefochten wurden. Somit lassen sich die putinschen föderalen Reformen – etwa
die Bestrebungen zur Zurückdrängung des regionalen Einflusses
in der nationalen Politik oder
die Bemühungen um eine Harmonisierung des russländischen Rechtsraumes – nicht nur als
eine rein administrative Massnahme zur Stärkung der zentralstaatlichen Macht und Kontrolle
und zur besseren Regierbarkeit Russlands lesen,
sondern auch als Versuch, dieses regionale
System, das als hinderlich für Russlands Mode
rnisierung empfunden wird, zu beseitigen, um
damit die Bedingungen für Russlands Integration
in globalwirtschaftliche Strukturen und
Zusammenhänge zu verbessern. Dass Russland in diese Richtung steuert,
wird unterstützt von
so vielfältigen Entwicklungen wie der Pluralisierung der regionalen Akteurslandschaft, der
Stärkung der lokalen Selbstverwaltung oder dem
Vordringen nationaler Grossunternehmen in
die russländischen Regionen – Entwicklungen, die allerdings eher Begleiterscheinungen denn
eigentliche Ziele der putinschen föderalen Reformen darstellen.

Problem melden

Wenn Sie Probleme mit dem Zugriff auf einen gefundenen Titel haben, können Sie sich über dieses Formular gern an uns wenden. Schreiben Sie uns hierüber auch gern, wenn Ihnen Fehler in der Titelanzeige aufgefallen sind.