Aufsatz(elektronisch)2008

Kreativität in den Geisteswissenschaften: organisationssoziologische Überlegungen

In: AIS-Studien: das Online-Journal der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS), Band 1, Heft 1, S. 45-57

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Abstract

In einer Zeit, in der die Wissenschaftspolitik derjenigen Form von Ressourcenallokation besonderes Interesse entgegenbringt, die die Kreativität der Wissenschaftler stärkt, will man wissen, welcher Typ von Forschungsorganisation tatsächlich wissenschaftliche Kreativität begünstigt (also ausgebaut werden sollte) und welcher umgekehrt für kreative Arbeit weniger hilfreich ist (folglich zu vermeiden wäre). Dieser Informationsbedarf kontrastiert mit dem geringen Wissen, welches gegenwärtig zur Verfügung steht, und dies gilt ganz besonders für die Geisteswissenschaften. Das Papier liefert einige Ideen, wie diese Lücke gefüllt werden könnte. Da, aus soziologischer Perspektive, für wissenschaftliche Kreativität die Organisation der akademischen Arbeit, nicht aber der individuelle kreative Genius, am meisten zählt: von welchem Organisationstyp müssen wir dabei ausgehen und wie sehen wir die Beziehungen zwischen dem einzelnen Forscher und dieser Organisation? Das Papier setzt hier auf schwach institutionalisierte Organisationen und die kreative Kraft lockerer Verbindungen. Ein weiteres bedenkenswertes Problem betrifft die abhängige Variable: Wie soll "Kreativität" operationalisiert werden? In den Geisteswissenschaften verfügen wir weder über unbestrittene Qualitätskriterien noch über allgemein anerkannte Wissenschaftspreise, auf die man sich beziehen könnte. Die Verwendung von Publikations- oder Zitationsindices führt ebenso wenig weiter, da diese Daten, speziell in den Geisteswissenschaften, fehlleiten, wenn es um die Erfassung kreativer Ereignisse geht. Das Papier führt diese Argumente aus und entwickelt ein Verfahren, mit dem akademische Kreativität in den Geisteswissenschaften identifiziert werden könnte. Dieses Verfahren setzt auf die Methode der Gruppendiskussion. Schließlich wird der Gegenstandsbereich, auf den sich das Papier bezieht - "Geisteswissenschaften" - diskutiert. Bilden diese einen bestimmten Wissenschaftstypus, der klar von den, sagen wir, Naturwissenschaften, abgegrenzt werden kann? Wie immer man darauf antwortet, die Entscheidung wird ein willkürliches Moment haben, und - trotz eines vielleicht gemeinsamen Leitmotivs - Disziplinen mit unterschiedlichen Rhetoriken und epistemologischen Kulturen umfassen. Das Studium von geisteswissenschaftlicher Kreativität kann sich deshalb nicht auf eine "exemplarische" Disziplin oder einen schmalen Satz von Disziplinen beschränken. Abschließend schlägt das Papier vor, sich (vorläufig) auf mindestens fünf Disziplinen zu konzentrieren (Geschichte, Literaturwissenschaften, Altertumswissenschaften, Philosophie, Soziologie).

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