Ist die Idee des Nationalstaats überholt?: Israel aus europäischer Sicht
In: Merkur: deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Band 65, Heft 1, S. 1-18
Abstract
Für die Gründer Israels war es 1948 legitim und moralische gerechtfertigt, den Überlebenden eben jene Ermächtigung zu gewähren, die, wäre es einige Jahre früher dazu gekommen, ihre Angehörigen vor den Todeslagern bewahrt hätte. In diesem Sinne ist Israel das Gegenteil von Auschwitz. Israel wählte nach dem Holocaust den Weg, der nun als der Weg Hitlers gilt - den Weg der nationalen Selbstbestimmung. Genau das liegt dem nahezu "grenzenlosen Abscheu" zugrunde, den viele Israel gegenüber empfinden und besonders gegenüber all dem, was mit Israels Verteidigungsbemühungen zu tun hat, unabhängig davon, ob diese Militäroperationen untadelig oder moralisch fragwürdig sind. Die Juden wurden nach Auffassung vieler Europäer direkt vom selben Bösen ergriffen, das Deutschland dazu gebracht hatte, die Konzentrationslager zu bauen. Das mag in Details differieren, das Prinzip aber ist dasselbe: Israel ist mit der Ghettoisierung der Palästinenser Auschwitz. Israel wurde jedoch mit dem ausdrücklichen Ziel gegründet, ein unabhängiger Nationalstaat zu sein, der Staat des jüdischen Volkes. Solange viele in Europa weiterhin daran arbeiten, ihre eigenen unabhängigen Nationalstaaten abzuschaffen, werden sie weiterhin den Übergang zu einem neuen außenpolitischen Paradigma vorantreiben, dem es schwer fällt, einer Nation wie Israel darin einen Platz einzuräumen. Der Autor schlussfolgert: Wenn die Europäer den Wert ihrer eigenen nationalen Traditionen und ihrer nationalen Unabhängigkeit anerkennen, ist das auch das Beispiel Israels für sie von größerem Interesse - und zwar in einem positiven Sinne. (ICA2)
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Deutsch
ISSN: 2510-4179
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