Die rassistischen Konsequenzen einer völkischen Anthropologie: zur Anthropologie Erich Jaenschs
In: Rassenmythos und Sozialwissenschaften in Deutschland: ein verdrängtes Kapitel sozialwissenschaftlicher Wirkungsgeschichte, S. 212-241
Abstract
Die Autorin verfolgt die Umkrempelung der typologischen Integrationslehre des Marburger Psychologen Rudolf Jaensch, die naturwissenschaftlich-experimentell untermauert und vielleicht deswegen gerade spekulativ war, bis hin zu ihrer platten Funktionalisierung für die gesellschaftliche Ächtung und 'naturwissenschaftliche' Auslieferung der Juden durch deren Identifizierung mit dem von Jaensch erfundenen "Gegentypus" der Auflösung und Zersetzung. Am Beispiel von Jaensch wird deutlich, wie die angeblich biologisch definierte Rangordnung von Teilen einer Bevölkerung oder von Völkern ("Rassen") lediglich die terminologische Umsetzung wahrgenommener sozialer Wertigkeiten und tradierter populär-rassistischer Vorurteile darstellt. Während er trotz oder wegen der auch damals bereits hin und wieder angesprochenen Überspitzungen und Absurditäten Karriere machte, häufig zitiert wurde und als Repräsentant der deutschen Psychologie galt, spielte er für die vielen Arbeitsbereiche der praktischen Psychologie keine Rolle und hatte auch in politischer Hinsicht keine Breitenwirkung. Im Zusammenhang der Professionalisierung der Psychologie im NS-Staat kommt die Tatsachse zum Tragen, daß die zahlreichen NS-Satrapen größeres Interesse an einer analytischen Sozialwissenschaft als an besserwisserischen akademischen Weltanschauungs-Experten oder 'Rassentheoretikern' hatten. (TR)
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