Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2004

Der kurze Traum von der Demokratie im Netz: Aufstieg und Fall von ICANNs At-Large-Membership

In: Zivilgesellschaft - national und transnational, S. 359-382

Abstract

"Anders als demokratisch gewählte nationale Regierungen sind internationale Organisationen und Institutionen demokratisch nur schwach legitimiert. Hier ist ein Ansatzpunkt der Kritik an Nichtregierungsorganisationen, die mehr Partizipation, Transparenz und demokratische Kontrolle verlangen. Werden schon von den Organen der internationalen Staatengemeinschaft mehr demokratische Beteiligungsmöglichkeiten eingefordert, so gilt dies erst recht in Bezug auf die Entwicklung und Administration des Internet als eines Informationsnetzes, das von einer rasch wachsenden Zahl von Bürgern für diverse Zwecke genutzt wird, aber in letzter Instanz faktisch vom Willen der US-Regierung abhängig ist. Um diesen legitimatorischen Makel zu tilgen, hat die US-Regierung mit der neu gegründeten Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) im Jahr 1998 einen Vertrag geschlossen, wonach der weltweiten Nutzergemeinschaft knapp die Hälfte der Direktoriumssitze in dieser Organisation zugesprochen wird. Die Ausarbeitung und Umsetzung der konkreten Verfahren dieser zivilgesellschaftlichen Interessenvertretung wurden jedoch ICANN überlassen. Im Gefolge dieser Entscheidung entwickelte sich eine lebhafte Kontroverse um die Verfahrensprinzipien. Jeanette Hofmann informiert in ihrem Beitrag über den Hintergrund, Verlauf und die Ergebnisse des aus diesen Debatten hervorgegangenen, höchst umstrittenen Wahlverfahrens, das im Jahr 2000 durchgeführt wurde. Dieses Verfahren, von vielen Beobachtern als Desaster bezeichnet, wird auch von der Autorin sehr skeptisch im Hinblick auf seine Modalitäten, den äußerst geringen Umfang der Beteiligung und die Selektivität der Partizipierenden beurteilt. Erschwerend kam hinzu, dass der Aufbau von ICANN als einer Mitgliederorganisation zeitlich und sachlich mit der Wahl einherging und schließlich auf die Wahl selbst reduziert worden ist. Als irrig erwies sich die Vorstellung, eine derartige Wahl, die bislang ohne Vorbild ist, nach dem Modell herkömmlicher nationalstaatlicher Praktiken gestalten zu können. Nach Auffassung der Autorin handelt es sich bei diesem Vorgang somit um eine verlorene Etappe auf dem Weg zivilgesellschaftlicher Beteiligung und der Demokratisierung internationaler Strukturen." (Autorenreferat)

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