Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2004

Der Kanzler, zwei Sommerthemen und ein Foto-Finish: Priming-Effekte bei der Bundestagswahl 2002

In: Die Bundestagswahl 2002: Analysen der Wahlergebnisse und des Wahlkampfes, S. 23-50

Abstract

In den regelmäßig veröffentlichten Meinungsumfragen verschiedener Institute gelingt den rot-grünen Regierungsparteien im Wahljahr 2002 eine furiose Aufholjagd. Lange Zeit liegen sie in den Umfragen scheinbar abgeschlagen zurück. Doch im Laufe des Sommers wendet sich das Blatt in den demoskopischen Erhebungen, und die rot-grüne Regierung erhält eine kaum mehr für möglich gehaltene zweite Chance. Vor diesem Hintergrund untersucht die Studie, ob sich im Wahljahr 2002 die Gewichte der Wahlabsichtsdeterminanten während des Wahlkampfes verändert haben und ob dies die Wahlabsichts- Stimmenverteilung beeinflusst hat. Dazu werden in einem ersten Schritt zunächst Veränderungen der Entscheidungskriterien und die Rolle der politischen Elite dabei theoretisch diskutiert. In diesem Zusammenhang wird die Frage aufgeworfen, inwieweit sich die Effekte der Parteiloyalität, der Kandidatenorientierungen sowie der Einstellungen zu den drei politischen Sachfragen (1) Wirtschaft, (2) Irak-Krieg und (3) Flutkatastrophe in Ostdeutschland im Wahljahr 2002 verändert haben. Im Anschluss werden einige Hypothesen zum Wandel der Wahlkriterien, also zu den Aussichten für Priming-Effekte, im Jahr 2002 abgeleitet. Der dritte Schritt umfasst schließlich eine empirische Analyse der Entwicklung der Wählermotive und ihrer Wirkungen auf die Stimmenverteilung. So werden die Effekte der Aspekte (1) Wirtschaftskompetenz, (2) Irak-Krieg bzw. (3) Flut/Hochwasserhilfe auf die Wahlentscheidung zugunsten der Regierungsparteien sowie zugunsten von CDU/CSU und FDP je für sich im Zeitverlauf betrachtet, ehe anschließend multivariate Analysen durchgeführt werden. Die Untersuchung offenbart merkliche kurzfristige Schwankungen der Effekte der Wahlabsichtsdeterminanten. Besonders zahlreich und deutlich sind die Ausschläge im zeitlichen Zusammenhang mit den sogenannten TV-Duellen. Diese Ereignisse, die die Aufmerksamkeit der politischen Elite und der Medien bündeln, scheinen also ein erhebliches Potenzial zu besitzen, die Entscheidungskriterien der Bürger in die eine oder andere Richtung zu lenken. Jedoch lässt dieser Effekt offenkundig parallel zum Schwinden des unmittelbaren Eindrucks wieder deutlich nach, so dass die Effektkoeffizienten auf ein Normalmaß zurückkehren. Möchte man vermeiden, dass die Entscheidungskriterien am Wahltag allzu sehr von Zufälligkeiten dieser Medienereignisse beeinflusst werden, empfiehlt es sich, Fernsehduelle in angemessenem Abstand vor einer Wahl zu veranstalten. (ICG2)

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