Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2006

Glauben als Pflicht?: Zivilreligion bei Jean-Jacques Rousseau

In: Politik der Integration: Symbole, Repräsentation, Institution ; Festschrift für Gerhard Göhler zum 65. Geburtstag, S. 303-322

Abstract

Der Beitrag diskutiert das "klassische Skandalon" der politischen Gesellschaft, Religion als Vorbedingung tugendhafter Bürgerschaft voraussetzen zu müssen. Diese Prämisse liegt auch Rousseaus "Katechismus des Bürgers" zugrunde, der daher trotz seiner anachronistisch anmutenden Radikalität auch für die heutige Debatte um die Zivilreligion noch relevant ist. Um die Bedeutung dieser Prämisse kenntlich zu machen, wird zunächst analysiert, welche Aufgaben Rousseau der Zivilreligion zuerkennt. Die vier zentralen Kriterien einer erfolgverheißenden Zivilreligion werden negativ durch die Diskussion jener drei historisch einflussreichen Formen der Religion - der Religion des Bürgers, des Menschen und der Priester - herausgearbeitet, die sich Rousseau zufolge allesamt als defizitär erweisen. Sodann wird gefragt, ob es Rousseaus eigenem Vorschlag wirklich gelingt, allen vier Kriterien zu entsprechen. Der Autor zeigt, dass Rousseau einen in sich durchaus konsistenten Vorschlag entwirft, der jedoch auf zwei problematischen Annahmen aufruht: dem Bedürfnis nach einer loyalitätssichernden Einheit von Religion und Politik einerseits und einer religiösen Fundierung der Moral andererseits. Es sind diese beiden Prämissen, die Rousseaus schließlich auch dazu bewegen, die zivilreligiösen Dogmen nicht im Sinne einer vorpolitischen Sittlichkeit zu begreifen, sondern in Gesetzesform gießen zu wollen. Diese Verknüpfung liegt auch noch der heutigen Renaissance der Zivilreligion zugrunde. Wer heute (mit Rousseau) über Rousseau hinausgehen will, so die These des Autors, sollte sich nicht um eine Zivilreligion, sondern um eine Zivilmoral bemühen. (ICA2)

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