Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2007

Dimensionen eines europäischen Verfassungspatriotismus

In: Souveränität, Recht, Moral: die Grundlagen politischer Gemeinschaft, S. 121-135

Abstract

Der Beitrag zu den Grundlagen politischer Gemeinschaft befasst sich mit der Frage, inwieweit man bei dem derzeitigen europäischen Integrationsprozess erste Anzeichen eines sich herausbildenden Verfassungspatriotismus auf europäischer Ebene erblicken kann. Im gegenwärtigen Europadiskurs, so die These, wird die Differenz von nationaler und europäischer Identität oftmals zu dichotomisch angelegt. Dies führt dazu, dass bereits begrifflich der EU bestimmte politische Aufgaben verschlossen bleiben müssen, z.B. anspruchsvolle Politiken der Umverteilung. Dieses Problem lässt sich anhand eines neueren Aufsatzes von U. K. Preuß illustrieren, in welchem sich dieser genötigt sieht, der EU die Qualität einer politischen Gemeinschaft entgegen seinem ursprünglichen Beweisziel abzusprechen. Aus seinen früheren Schriften lassen sich Hinweise auf ein alternatives Konzept des Verfassungspatriotismus gewinnen, das die Differenz von nationalstaatlicher und europäischer Identität auf einem Kontinuum verortet und sich am Ausmaß gemeinsamer politischer Praxis bemisst. Ein solches Konzept ermöglicht es durch die Betonung prozedualer Aspekte zumindest begrifflich, eine Annäherung der beiden Identitäten anzustreben. Allerdings ist mit solch einem Konzept die Frage noch nicht beantwortet, warum Bürger überhaupt eine verfassungspatriotische Haltung gegenüber Europa ausbilden sollten, wenn sie sich doch bereits ihren nationalstaatlichen Verfassungen patriotisch verbunden fühlen können. Hiermit berührt der Autor die substantiellen Aspekte eines möglichen europäischen Verfassungspatriotismus: Mit welchen Politiken könnte man sich als EU-Bürger zukünftig identifizieren? Der Verfassungspatriotismus lässt nicht nur verschiedene substantielle Deutungen zu, sondern man kann generell zwei Perspektiven auf die Aufgaben der EU unterscheiden: eine interne Perspektive, die den Mehrwert eines politisch stärkeren Europas für dessen Bürger hervorhebt, und eine transzendierende Perspektive, die die weltpolitische Rolle der EU betont und nach dem Nutzen für die Menschheit fragt. So attraktiv die letztere Perspektive aus gerechtigkeitstheoretischen Gründen aber auch sein mag, sie birgt zugleich die Gefahr, dass die europäische Realität aus identitätspolitischen Gründen idealisiert wird und somit dem Kern des Verfassungspatriotismus als kritischer Haltung widerspricht. (ICG2)

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