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Der Erste Weltkrieg formte die Ordnung Europas grundlegend neu. Gebietsabtretungen wie im Falle des Deutschen Reichs und der Zerfall der alten Imperien (Österreich-Ungarn, russisches Zarenreich, Osmanisches Reich) führten dazu, dass sich viele Menschen in völlig anderen Staaten wiederfanden. Auch die Weimarer Republik trat in dieser Hinsicht ein herausforderndes Erbe an. ... mehr Der Beitrag Die Integration der "Grenzlandvertriebenen" – ein absehbarer Fehlschlag erschien zuerst auf Demokratiegeschichten.
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In diesem Jahr feiert das Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, seinen 75. Geburtstag. Von September 1948 bis Juni 1949 diskutierte der Parlamentarische Rat, ein Gremium aus 61 Männer und vier Frauen, unter welchen Rahmenbedingungen die Deutschen im Westen des besiegten "Dritten Reiches" zusammenleben sollten. Nach der Katastrophe des Nationalsozialismus, ... mehr Der Beitrag In guter Verfassung – die neue Blog-Reihe erschien zuerst auf Demokratiegeschichten.
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„Luthers Lehre von den beiden Reichen, aufbauend auf den bekannten Ausspruch Jesu? Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist, hat dazu beigetragen, dass wir heute in Deutschland in einer freiheitlichen, pluralistischen Demokratie leben können.“ Wolfgang Schäuble, Präsident des deutschen Bundestages, 2017. Dieses Zitat stammt aus ... mehr Der Beitrag Luther – Ein Vorreiter der Demokratie? erschien zuerst auf Demokratiegeschichten.
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Die lang anhaltende Debatte über eine mögliche Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist um eine Wendung reicher: Seit dem (heutigen) Freitag taucht aus mehr oder weniger unklarer Quelle der Hinweis auf, dafür könne doch ein Mandat des Bundestages nötig sein. Da hätte ich doch ein paar Fragen: • Taurus ist, darauf weist auch die Herstellerfirma MBDA hin, mit seinem Navigationssystem aus GPS-Anbindung und Trägheitsnavigation besonders störunanfällig: Its unique navigation system utilises INS continuously supported by GPS: image based
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Unter Gesundheitsexperten besteht weitgehender Konsens, dass das deutsche Krankenhauswesen drei Fehlversorgungsmerkmale aufweist: Erstens ist die Anzahl der Krankenhausbetten zu hoch, zweitens gibt es zu viele zu kleine Krankenhäuser und drittens wird zu wenig in Krankenhäuser investiert. Tatsächlich verfügt Deutschland pro Kopf über deutlich mehr Krankenhausbetten als andere reiche Industrieländer. Deutschland weist zudem eine überdurchschnittlich hohe … "GastbeitragKrankenhausversorgung braucht bessere Planung und Finanzierung" weiterlesen Der Beitrag <b>Gastbeitrag</b>Krankenhausversorgung braucht bessere Planung und Finanzierung erschien zuerst auf Wirtschaftliche Freiheit.
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Zu Gast war Yasemin Yüksel vom Politik-Podcast des Spiegel.
Danke und eine schöne Woche!
(Foto: Ciara Cesaro-Tadic)
Sondierungsgespräche
Grüne kompromissbereit bei Kohleausstieg und Dieselverbot (SZ)
Sondierungsgespräche Die dicksten Brocken für Jamaika kommen noch (Kölnische Rundschau)
SPD lahmt
Schulz rechnet mit eigenem Wahlkampf ab (Spon)
AfD-Wähler doch Rassisten
Formate des Politischen
"Der Globale Wandel des Politischen und die Versuchung des Autoritären", Vortrag: Silke van Dyk, Universität Jena
Verfassungsrichter zu AfD und Europa
"Die Verfassung der Öffentlichkeit – die Öffentlichkeit und das Bundesverfassungsgericht"
Paradise Papers
Warum der Kampf gegen die Steuerflucht so lasch ist
Paradise Papers: Trump-Minister verdient an Russland-Geschäften (SZ)
Hinter den Kulissen der Paradise-Papers-Recherche (SZ)
ParadisePapers: Der Schattenwelt von Reichen und Konzernen ein Ende bereiten! (Sven Giegold)
Klimakonferenz
Wir Großmäuler
Halbzeit-Bilanz UN-KlimakonferenzHoffen auf konkrete Ergebnisse
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Bildung ist ein Menschenrecht. Gleiche Bildungschancen für alle. Und nun zur Realität in Deutschland.
Grafik: Clker-Free-Vector-Images / Pixabay.
DIE VEREINTEN NATIONEN haben zum zweiten Mal geprüft, wie Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzt. Vor 14 Jahren hat sich die Bundesrepublik unter anderem verpflichtet, Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam zu beschulen.
Das Ergebnis des zuständigen UN-Fachausschusses: Es fehlt so ziemlich an allem. Vor allem an Systematik und an Strategie. Das hat Folgen gerade in der Bildung. Mehr als die Hälfte aller Kinder mit Behinderungen besuchen immer noch sogenannte Förderschulen, ihr Anteil an allen Schülern hat sich seit 2009 nur im Zehntelprozentbereich verringert und stagniert laut Bertelsmann-Stiftung bei aktuell 4,3 Prozent.
Ein anderes Beispiel. Die deutsche Sektion von Unicef und das Deutsche Institut für Menschenrechte haben geflüchtete Kinder und Jugendliche nach ihren Lebens- und Lernbedingungen befragt. Anstatt zur Schule gehen zu dürfen, hocken etliche den ganzen Tag in ihren Unterkünften. Oft ohne Platz zum Lernen. Manchmal mit Ersatzunterricht, den sie selbst als unzureichend empfinden. Ohne Kontakt zu nicht geflüchteten Kindern.
Passend dazu hat wiederum die Bertelsmann-Stiftung gerade erst darauf aufmerksam gemacht, dass vier von fünf eingewanderten Lehrkräften in Deutschland nicht entsprechend ihrer Qualifikation beschäftigt werden. Es hapert bei der Anerkennung von Abschlüssen und Berufserfahrung, an der Unterstützung beim Wiedereinstieg.
UN: Es fehlt an Problem- und Verantwortungsbewusstsein
Drei Beispiele, von denen keines etwas mit einem Mangel an Geld, Personal oder Ressourcen zu tun hat. Kurzfristig vielleicht. Aber mal ehrlich: Wenn ein reiches Land wie Deutschland seit 14 Jahren den Durchbruch bei der Inklusion nicht schafft, muss das andere Gründe haben. Den wichtigsten hat der UN-Fachausschuss in seinem Bericht sehr treffend beschrieben: Es fehle an Problem- und Verantwortungsbewusstsein auf allen staatlichen Ebenen.
Die zweite – noch entscheidendere – Ursache ist aber eine Gesellschaft, die die Politik damit durchkommen lässt. Weil wir sozial- und bildungspolitisch in Schubladen zu denken gelernt haben. Weil wir Inklusion, Persönlichkeitsentwicklung und Leistungsentfaltung oft als Gegensätze definieren, nicht als einander bedingende Facetten.
Das zeigt sich übrigens auch abseits vom Umgang mit Behinderten und Geflüchteten. Dass je nach Jahrgang und Bundesland ein Fünftel bis ein Viertel der Schüler in Deutschland nicht richtig lesen, schreiben und rechnen kann, ist womöglich der stärkste Beleg: Die deutsche Strategie, Schüler anhand ihrer (vermuteten) sozialen, persönlichen oder intellektuellen Defizite zu separieren, fördert weder Bildungsgerechtigkeit noch Qualität, sondern vor allem die Tendenz, pädagogische Probleme institutionell wegdelegieren zu wollen.
Wer glaubt, solche Thesen seien Ausfluss wohlfeiler linksgrüner Wokeness, ohne Kenntnis der real existierenden Probleme, der ignoriert seinerseits zweierlei: Viele der leistungsstärksten Bildungssysteme in Europa und Nordamerika, etwa die skandinavischen Länder und Kanada, sind weitgehend inklusiv organisiert. Und internationale Organisationen wie die UN oder Unicef wurden auch nicht in Berlin-Friedrichshain oder Hamburg-Eimsbüttel gegründet.
Unser Bildungssystem wird so lange mittelmäßig bleiben, bis wir begreifen: Seine Qualität für alle entscheidet sich am Umgang mit denen, die scheinbar am Rand stehen.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst im meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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Angst vor dem Bauchgefühl
Politiker und Lehrerverbände bremsen die Inklusion an Deutschlands Schulen aus. Ihre Argumente sprechen für sich. (26. März 2018) >>>
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Angesichts des erstarkenden Rechtsextremismus braucht es einen starken Berufsverband der Professor:innen. Was bedeutet das für sein Verhältnis zu einzelnen wissenschaftspolitischen Gruppen? Ein Gastbeitrag von Geraldine Rauch und Jürgen Zimmerer.
Fotos: Saskia Uppenkamp/Sebastian Engels,UHH.
DIE ZWEITE DEUTSCHE REPUBLIK steht am Scheideweg! Erstmals sitzt eine Partei im Deutschen Bundestag, deren Jugendorganisation ebenso wie einige Landesverbände vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingeschätzt werden; eine Partei mit realen Optionen auf eine Regierungsbeteiligung auf Länderebene. Überall in Europa beobachten wir ein Erstarken rechter, nationalistischer und demokratiebedrohender Parteien und Organisationen. Diese Entwicklungen machen auch vor Hochschulen nicht halt. Gleichzeit gehen Hunderttausende auf die Straßen, um für die Demokratie zu demonstrieren, darunter viele Studierende, Wissenschaftler*innen und Professor*innen. Die Idee der wehrhaften Demokratie ist eine der zentralen Lehren aus dem Untergang der Weimarer Republik.
Doch lang nicht alle stellen sich so geschlossen gegen die Bedrohung von Rechtsaußen. Dabei spielt gerade die Wissenschaft eine zentrale Rolle in der demokratischen Gesellschaft, legt sie doch die rationalen Grundlagen des politischen Diskurses. Deshalb ist sie besonders geschützt etwa durch die grundgesetzlich verbriefte Wissenschaftsfreiheit und die weitgehende Verbeamtung der Professor*innenschaft, die bewusst die Lehrenden öffentlichem wie institutionellen Druck entziehen soll. Dass dieser Schutz nur einer privilegierten Minderheit zugutekommt, während ein Großteil der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen in Abhängigkeitsverhältnissen unter oft schwierigen Beschäftigungsbedingungen arbeitet (Kettenbefristungen, Vollzeitarbeit bei Teilzeitstellen), wurde in den vergangenen Jahren wiederholt thematisiert. Dies schafft auch Einfallstore für politischen Druck.
Warum wir einen starken Berufsverband brauchen
Rechtsextreme Tendenzen unter Professor*innen sind besonders gefährlich, da diese meist gut zu unterscheiden wissen, was rechtlich noch erlaubt ist und wie man auf dem schmalen Grat zum juristisch Angreifbaren und zur Verfassungsfeindlichkeit balanciert. Auch sind Hochschullehrer*innen meist gut vernetzt und geben sich oftmals gegenseitig Rückendeckung. Zudem scheinen nicht alle Lehrstuhlinhaber*innen zur Selbstkritik fähig. Manch privilegierte Lehrstuhlinhaber*innen fühlen sich herausgefordert von denen, die nachkommen, die andere Ansätze vertreten, emanzipatorische Anliegen forcieren. Ein öffentlicher Diskurs, der eigentlich als normaler wissenschaftlicher Prozess aufzufassen ist, scheint mitunter von den Etablierten als Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit verstanden zu werden. Wer als Lehrstuhlinhaber*in seit Jahren keinen Widerspruch erfuhr, mag dies auch als Sakrileg verstehen, als Angriff auf das vermeintliche Recht, gefeit vor Widerspruch zu sein. Die großen Debatten um Wissenschaftsfreiheit und "Cancel Culture" scheinen von einem Generationen- und Geschlechterkonflikt beeinflusst.
Deswegen braucht es einen starken Berufsverband, der die Interessen aller Wissenschaftler*innen unabhängig vom Beschäftigungsstatus vertritt. Der Deutsche Hochschulverband (DHV) bezeichnet sich selbst als "die Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland", mit rund 33.500 Mitgliedern, überwiegend Professorinnen und Professoren. Damit ist der DHV die größte Vereinigung von Wissenschaftler*innen in Europa. Entsprechend kommt dem DHV in der Öffentlichkeit eine besondere Bedeutung und Verantwortung zu. Aber kommt der DHV dieser Verantwortung angemessen nach?
Was passieren kann, wenn mächtige und etablierte Professor*innen kritisiert werden, kann man aktuell am Verhältnis des Deutschen Hochschulverbands (DHV) zum Netzwerk Wissenschaftsfreiheit beobachten. Der DHV als Berufsverband nimmt einseitig Professor*innen des Netzwerkes in Schutz, prangert andere Wissenschaftler*innen öffentlich an und äußert sich nicht direkt zu konkreten Vorwürfen und Nachfragen, sondern weicht mit einem pauschalen Bekenntnis gegen Rechtsextremismus aus.
Das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit ist ein Verein von mehr als 700 Professor*innen, der sich selbst als Verein gegen die wissenschaftliche "Cancel Culture" beschreibt. Über das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit gibt es nun mehrere kritische Meinungen, auch weil ein Mitglied des Netzwerks an der berüchtigten Konferenz in Potsdam teilgenommen hatte. Das Netzwerk selbst weist Anschuldigungen vehement zurück und droht sofort schriftlich mit Klage.
Nun gehört das Recht zur Vereinsbildung, zu den konstitutiven Rechten, ja zu den Voraussetzungen demokratischer Teilhabe. Insofern ist die Gründung des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit nicht zu beanstanden. Aber handelt es sich um ein neutrales Netzwerk oder um eine politische Gruppierung? Wenn das Netzwerk im Namen der Wissenschaftsfreiheit offene Briefe an Universitäten und damit ihre Leitungen oder Politiker*innen im In- und Ausland schreibt, um etwa gegen postkoloniale Studien zu polemisieren, dann hat dies zumindest den deutlichen Anschein, politisch Einfluss nehmen zu wollen. Ein Brief an Universitätsleitungen dient nicht dem offenen Meinungsaustausch! Die Botschaft ist viel mehr: Unterbinden Sie das, fördern Sie das nicht!
Insbesondere Hochschullehrer*innen dürfen sich jetzt nicht wegducken
Die Empfänger*innen dieser Botschaften können dies durchaus als Einschüchterungsversuch verstehen. Wer eine Zukunft in der Wissenschaft will, halte sich tunlich von bestimmten Themen fern, so könnte man dies lesen. Eine komplette Umkehrung des im Namen angelegten Programms. Offen bleibt also, wer das Canceln tatsächlich praktiziert und wer es versucht zu unterbinden. Dies ist im politischen Raum allerdings durchaus im Rahmen des Erlaubten. Hochproblemtisch wird es, wenn der Deutsche Hochschulverband als zentrale Vertretung DER Wissenschaftler*innen in Deutschland einseitig eine politische oder zumindest wissenschaftspolitischen Gruppe zu vertreten scheint.
Die Verteidigung der liberalen, offenen Gesellschaft ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, vor der sich insbesondere Hochschullehrer*innen nicht wegducken dürfen, gerade weil diese Berufsgruppe beim Zusammenbruch der ersten deutschen Demokratie so eklatant versagte Damals machten sich viele zu Erfüllungsgehilfen des "Dritten Reiches" und zu Anstifter*innen von Menschheitsverbrechen, nur um sich nach dem Krieg auf die Position zurückzuziehen, lediglich reine, apolitische Wissenschaft betrieben zu haben.
Der DHV leistet in vielen Dingen hervorragende Arbeit. Umso enttäuschender ist es, dass eine kritische Auseinandersetzung und Aufklärung über konkrete Vorfälle und Entwicklungen auch unter den eigenen Mitgliedern fehlt. Wie steht der DHV dazu, dass ein Mitglied des Netzwerkes Wissenschaftsfreiheit auf der Konferenz in Potsdam vorgetragen hat? Billigt er dies? Verteidigt er dies? Wie steht der DHV dazu, dass sich eine Vielzahl der Beiträge aus dem Netzwerk gegen Genderdiversität und Migration richten? Wie steht der DHV dazu, dass eine Vorsitzende des Netzwerks gerade ein Buch veröffentlicht hat mit dem Titel "Der neue Kulturkampf – Wie eine Woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht"? Das sind einige der unbeantworteten Fragen.
Eine Berufsvertretung wie der deutsche Hochschulverband muss den Anspruch haben, alle Mitglieder gleichermaßen zu vertreten. Mit einem pauschalen Bekenntnis zur offenen Gesellschaft – wie in seiner Erklärung vom 20. Februar 2024 – ohne konkrete Aufarbeitungen wird der DHV seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht.
Der DHV schreibt: "Für pointierten argumentativen Streit basierend auf Fakten ist in der Wissenschaft Platz, für Einschüchterungen, Mobbing oder Boykott dagegen nicht." Wir teilen diese Ansicht! Allerdings war es der DHV, der über Social Media eine unerschrockene wissenschaftliche Mitarbeiterin namentlich und öffentlich in ein kritisches Licht rückte, nachdem sie hier im Blog Kritik geübt hatte. Jetzt ist es an der Zeit, dass sich der DHV von einer einseitigen Parteinahme zugunsten des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit distanziert und öffentlich aufarbeitet, wie es dazu kommen konnte. Die Auseinandersetzung mit manchen Themen mag unbequem sein, aber gerade angesichts der aktuellen politischen Lage ist sie umso notwendiger. Ein zu langes Schweigen ist irgendwann als Zustimmung zu werten.
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#MeToo in der Wissenschaft? Die strukturelle Benachteiligung von Frauen in Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen wird in Deutschland meist totgeschwiegen. Das müssen wir ändern. Ein Gastbeitrag von Rena K. Nieswind*.
*Der Name der Autorin wurde geändert. Bild: chenspec / Pixabay.
EINE ABENDLICHE INSTITUTSFEIER irgendwo in Deutschland: Ein Arbeitsgruppenleiter, der perspektivisch auf eine Juniorprofessur berufen werden soll, bändelt mit einer Doktorandin der Gruppe an. Im Nachgang vermittelt sie ihm, dass sie keine nähere Beziehung zu ihm haben möchte. Einige Mitglieder der Gruppe, darunter diese beiden, nehmen wenig später an einer Konferenz im Ausland teil, wofür eine Unterkunft in einem "Bed & Breakfast" gebucht wurde. An einem der Abende, die Doktorandin schläft bereits in ihrem Zimmer, klopft der Arbeitsgruppenleiter im volltrunkenen Zustand an ihre Tür und fordert sie zu sexuellen Handlungen auf. Die Doktorandin ist paralysiert und lässt den sexuellen Übergriff über sich ergehen. Danach vertraut sie sich der Gleichstellungsbeauftragten der Universität an, die Mitglieder der Hochschulleitung kontaktiert und um Unterstützung und Aufklärung bittet. In der Folge passiert: nichts. Weil die Betroffene irgendwie doch selber schuld ist?
Machtmissbrauch, systematische Benachteiligung und sexualisierte Gewalt gegen Frauen machen seit einiger Zeit verstärkt Schlagzeilen. Viel ist dabei von Vorfällen in der Politik, in den Medien oder der Wirtschaft die Rede – und kaum einmal von den Zuständen an Universitäten im In- und Ausland. Und wenn, dann handelt es sich um abstoßende Einzelfälle. Die noch dazu oft nur geahndet werden, wenn der mediale Druck doch einmal zu groß wird.
Manchmal schwappt etwas von der Debatte über strukturelle Diskriminierung "über den Teich", aber das wird meist schnell abgetan, das sei halt in den USA so, während es hierzulande "anders zugehe". Leben die Mitglieder deutscher Universitäten, Hochschulen und anderer Wissenschaftsinstitutionen tatsächlich in einer weitgehend geschützten Blase, umgeben von gegenseitiger Wertschätzung und respektvollem Umgang miteinander?
Diskriminierung auf allen Ebenen
des akademischen Betriebs
Leider nein, wohl eher in einer aus karrierepolitischen Gründen schweigenden Akzeptanzwelt. Erschreckende Vorfälle gibt es auch in Deutschland auf allen Ebenen des akademischen Betriebs, die Erfahrungen reichen von der Studentin bis zur Professorin – wobei der Anteil an Frauen durch die Qualifizierungsstufen signifikant absinkt, bis auf dem Level der Professur eine deutliche Unterrepräsentanz an Frauen erreicht ist.
Der Anteil an Professorinnen liegt aktuell bei etwa einem Drittel, und das trotz zahlreicher Bemühungen der vergangenen Jahre, hier Veränderungen herbeizuführen. Professorinnen sind im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen besonders stark von strukturellen Defiziten, etwa einer fehlenden Unterstützung durch Personal- und Beschwerdemanagement-Systeme, betroffen und werden im Bedarfsfall oft allein gelassen.
Wie die Professorin, die ein Forschungsprojekt in einem Verbund betreut, in dem der Frauenanteil kleiner als 20 Prozent ist, und beabsichtigt, die wissenschaftlichen Ergebnisse in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen. Sie benennt alle an der Studie beteiligten Wissenschaftler*innen und sendet den Entwurf an die Koautor*innen zur finalen Überarbeitung. Daraufhin erhält sie eine Rückmeldung von einem männlichen Koautor, der sie auffordert, den Institutsdirektor (männlich) auf die Veröffentlichung mit aufzunehmen. Ihre Argumentation, dass dieser nicht zur wissenschaftlichen Arbeit beigetragen habe, wird ignoriert und auf die Mitnutzung von Infrastruktur des kooperierenden Instituts hingewiesen. Die kaum verhohlene Drohung: Diese Mitnutzung lässt sich jederzeit beenden.
Da ist die Juniorprofessorin, die im Rahmen ihrer befristeten Professur schwanger wird und Angst hat, es dem Lehrstuhlinhaber/Institutsleiter mitzuteilen; die Professorin, die in männlich dominierten Gremien keine Stimme erhält oder nicht ernst genommen wird. Oder die vielfach belegte Tatsache, dass Berufungszusagen oder Leistungszulagen im Falle von Professorinnen bei gleicher Leistung geringer ausfallen als bei ihren männlichen Kollegen. Und das sind nur einige Beispiele für die strukturelle Diskriminierung von Frauen im deutschen Wissenschaftssystem.
Nur wenige haben den Mut,
sich aufzulehnen
Hinzu kommen verbale Attacken: "Frau" sei nicht so leistungsfähig, weil sie sich neben dem harten Job einer Professur noch auf die Familie konzentrieren müsse; warum "sie" sich das überhaupt antue und nicht ihrem Mann die Finanzierung der Familie überlasse, wenn sie durch eine Schwangerschaft bzw. bereits vorhandene Kinder forschungstechnisch eh nicht mehr auf internationalem Niveau mithalten könne. Äußerungen, die fast jeder Professorin irgendwann einmal begegnen. Diskriminierungen aus religiösen, kulturellen oder sprachlichen Gründen gibt es noch obenauf.
Nur wenige haben den Mut, sich dagegen aufzulehnen, solche Situationen bekannt zu machen oder auch nur, sich jemandem anzuvertrauen. Denn immer noch verhindern Abhängigkeiten in Qualifikations- oder Berufungsverfahren oder bei der Ressourcenzuteilung die ehrliche und transparente Auseinandersetzung mit diesen Themen.
Sicher: Die jüngste Initiative der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, mit einer gemeinsamen Selbstverpflichtungserklärung gegen Machtmissbrauch und übergriffiges Verhalten vorzugehen, ist löblich. Es stellt sich allerdings die Frage, was genau wo und wie umgesetzt wird – wenn doch die Strukturen für ein adäquates Meldewesen, für ein entsprechend organisiertes Beschwerdeverfahrensmanagement und die dafür nötigen Kontrollsysteme gegenwärtig weitgehend fehlen und ihre Etablierung auch dadurch behindert wird, dass solche Ämter und Tätigkeiten an Hochschulen leider oft unprofessionell begleitet werden – erst recht in einer weitgehend nach ständischen Regeln funktionierenden Organisation wie der deutschen Wissenschaft.
Das Warten auf die Entfristung oder die Berufung auf eine Lebenszeitprofessur, die Integration in bestehende Netzwerke, die Begutachtungen von Veröffentlichungen jeglicher Art oder von Projektanträgen durch (vorwiegend) männliche Kollegen, die Etablierung und Aufrechterhaltung von notwendigen Kooperationen: Das sind nur einige der wesentlichen Umstände, die über Erfolg und Status im akademischen System entscheiden und viele Frauen zum Schweigen bringen.
Sie verzichten lieber auf eine als vermeintlich konfrontativ empfundene Vorgehensweise zur Durchsetzung ihrer berechtigten Interessen, um – das ist das größte Paradox – genau diese nicht zu gefährden. Wie lange noch?
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Intel baut in Magdeburg eine Fabrik mit zehn Milliarden Steuergeld. Während Bund und Länder um eine einzige Bildungsmilliarde pro Jahr streiten. Darf man beides gegenüberstellen? Ein Essay zum Sommertreffen der Kultusministerkonferenz.
9,9 MILLIARDEN EURO staatliche Subventionen soll der US-Konzern Intel nach übereinstimmenden Medienberichten für den Bau einer Chipfabrik in Magdeburg erhalten. Eigentlich sollte es 6,8 Millliarden geben, doch Intel machte – offenbar erfolgreich – gestiegene Kosten geltend. Dafür, verspricht Intel, wolle man inklusive der Hilfen rund 30 Milliarden investieren, in vier bis fünf Jahren soll die Produktion beginnen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) haben den Deal parteiübergreifend klargemacht.
Zehn Milliarden Steuergelder für eine Fabrik, da wurde selbst manchen Wirtschaftsexperten mulmig. In jedem Fall ist das ein Statement. Eine – nur eine! – zusätzliche Bildungsmilliarde im Bundeshaushalt von 2024 an ist ebenfalls ein Statement. Auch wenn mancher eine solche Gegenüberstellung unfair und unreflektiert finden mag, von wegen unterschiedliche Töpfe, Laufzeiten, Zuständigkeiten und so weiter.
Dabei muss man gar nicht erst mit Bildungsgerechtigkeit und solchen Dingen kommen, eigentlich sollte schon der Hinweis auf die exorbitant hohen gesamtwirtschaftlichen Renditen von Bildungsinvestitionen reichen, die jene einer Chipfabrik (bei allem Respekt vor dem Potenzial von Halbleitern) in jedem Fall bei weitem übersteigen dürften.
Den Bildungsministern in Bund und Ländern muss man die Bedeutung guter Bildung nicht erklären. Doch welche Unterstützung finden sie? Warum aber werde ich, ganz unabhängig von Magdeburg, den Eindruck nicht los, dass mancher Regierungschef und Spitzenpolitiker mehr Begeisterung empfindet und mehr Energie aufbringt für die Vergoldung der Industriepolitik als für die angemessene Ausstattung der Schulen?
Das Gefühl der großen Dringlichkeit
Mindestens 89 Organisationen und Verbände – so viele Unterzeichner hat der im März veröffentliche Appell "#NeustartBildungJetzt" inzwischen – scheinen einen ähnlichen Eindruck zu haben. Ende der Woche treffen sich die Kultusminister zu ihrer Sommersitzung und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zu einem vertraulichen Kamingespräch. Im Vorfeld hat das vergrößerte Neustart-Bündnis seine Forderung an die Regierungschefs von Bund und Ländern erneuert, einen Nationalen Bildungsgipfel einzuberufen. Die Lösung der massiven Probleme im deutschen Bildungssystem duldeten keinen Aufschub mehr.
Nicht zu verwechseln ist "#NeustartBildungJetzt" mit dem nach dem IQB-Bildungstrend Anfang Juni entstandenen Papier "Bildungswende JETZT". Auch wenn sich die Unterstützerkreise und Forderungen beider Initiativen teilweise überschneiden, so gibt es doch interessante Unterschiede nicht nur in Details (die mich im Falle von "Bildungswende JETZT" zu einer Kritik veranlasst haben). Gemeinsam ist beiden Appellen das Gefühl der großen Dringlichkeit.
Letztere ist inzwischen auch bei BMBF und Kultusministerkonferenz zumindest in Hinblick auf das geplante Startchancen-Programm angekommen, weshalb die Aussichten gut stehen, dass beide Seiten diesen Freitag eine Grundsatz-Einigung bei zentralen Fragen verkünden könnten. Womit die eine zusätzliche Bildungsmilliarde ab 2024 dann bereits verfrühstückt wäre.
Was Stark-Watzinger bieten kann zurzeit
Das ist vermutlich auch ein Grund, warum besonders CDU-Bildungsminister trotz deutlicher Fortschritte zuletzt allergisch auf die Formulierung eines möglichen "Durchbruchs" in Zusammenhang mit den Startchancen-Verhandlungen reagierten: Sie fürchten angesichts des sich abzeichnenden Sparpakets auf Bundesebene um die Realisierung des aus ihrer Sicht so dringend benötigten Digitalpakts 2.0. "Ohne die Klarheit über eine Finanzierung des Digitalpakts 2.0 durch den Bund kann es keine Verständigung zum Startchancen-Paket geben", sagte etwa Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU).
Wobei die geforderte Klarheit wohl auf sich warten lassen wird: Die Digitalpakt-Finanzierung ab 2025 ist bislang nicht im Bundeshaushalt hinterlegt. Alles, was Stark-Watzinger den Ländern hier bieten kann zurzeit, ist das Versprechen, energisch für das nötige Geld zu kämpfen – und in der Zwischenzeit die "Startchancen" durchzuziehen.
Fast zeitgleich hat übrigens Israel mit Intel einen Vertrag über den Bau einer Chipfabrik unter Dach und Fach gebracht – und offenbar besser verhandelt als die Bundesrepublik: Zu den geplanten 25 Milliarden US-Dollar Investitionen steuert der israelische Staat nur 3,2 Milliarden bei.
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30.000 abgeschlossene Promotionen jedes Jahr: Wenn wir die Karrierechancen im Wissenschaftssystem verbessern wollen, müssen wir auch über die Zahl der Doktoranden reden. Ein Gastbeitrag von Johannes Freudenreich.
Johannes Freudenreich ist Geschäftsführer der Potsdam Graduate School an der Universität Potsdam. Foto: privat.
DIE DEBATTE um die Neufassung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) ist in vollem Gange. Gesucht wird eine Regelung, die eine hochwertige wissenschaftliche Ausbildung ermöglicht, Planungssicherheit für Forschende schafft und das Wissenschaftssystem insgesamt innovativ und flexibel hält. Das ist eine schwierige Aufgabe, zumal die zentrale Logik des WissZeitVG in der Diskussion meist aus dem Blick gerät: die Qualifizierung. Sie allein begründet das Sonderbefristungsrecht in der Wissenschaft und damit die Abweichung von üblichen Arbeitsvertragsregelungen.
Die Promotion ist heute häufig die letzte formale wissenschaftliche Qualifikation, da viele akademische Karrierewege ohne Habilitation auskommen. Auch aus diesem Grund hat der Wissenschaftsrat Ende April eine umfassende Würdigung der Promotion in Deutschland vorgelegt und auf drei deutsche Besonderheiten hingewiesen: Erstens wird die Promotion in Deutschland nicht primär als Qualifikationsleistung im Sinne eines dritten Zyklus der Hochschulausbildung verstanden, sondern der eigenständige Forschungsbeitrag steht im Vordergrund. Zweitens ist die Promotion in den unterschiedlichen Fachdisziplinen sehr unterschiedlich ausgestaltet. Drittens ist die Promotionsquote, also das Verhältnis von Promotionen zu promotionsberechtigten Hochschulabschlüssen, über alle Fächer hinweg etwa doppelt so hoch wie im OECD-Durchschnitt.
Jährlich schließen in Deutschland rund 30.000 Personen ihre Promotion ab, dem stehen rund 4.000 unbefristete Stellen in der Wissenschaft gegenüber, die jedes Jahr neu besetzt werden können, wie Peter-André Alt kürzlich in einem lesenswerten Artikel in der Welt darstellte. Das heißt, eine Promotion qualifiziert in aller Regel für eine langfristige Karriere außerhalb der Wissenschaft. Trotzdem bleibt das Karriereziel für viele, auch aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung ihrer Promotion, weiter die Wissenschaft.
Ein Dilemma, drei mögliche Lösungen
Grundsätzlich kann dieses Dilemma nur durch drei Maßnahmen gelöst werden: Erstens könnte die Zahl der jährlich zu besetzenden unbefristeten Stellen in der Wissenschaft langfristig deutlich erhöht werden. Zweitens könnte der Übergang zum außeruniversitären Arbeitsmarkt effizienter gestaltet und die Promovierenden besser und früher für diese Karriere vorbereitet werden. Drittens könnte die Promotionsquote gesenkt werden.
Letztere Option wird selten diskutiert, da Doktorandinnen und Doktoranden in vielen Forschergruppen einen Großteil der Forschungsarbeit leisten und befürchtet wird, dass die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands bei einem Rückgang der Promovierendenzahlen gefährdet sei. Tatsächlich ist der leichte Anstieg der jährlichen Promotionen – in den vergangenen 20 Jahren rund 15 Prozent – unter anderem auf die gestiegene Drittmittelfinanzierung zurückzuführen, die auch mit Exzellenzinitiative und -strategie zusammenhängt. Zudem ist die Zahl der Promotionen häufig ein Kriterium bei der leistungsorientierten Mittelvergabe an Universitäten. Auch aus diesem Grund stellt der Wissenschaftsrat fest: "Eine Selbstbeschränkung der Einrichtungen bei der Zulassung von Doktoranden und Doktorandinnen [ist] nicht zu erwarten."
Wie könnte eine Senkung der Promotionsquote sinnvoller Weise aussehen?
Die Promotionsquoten variieren zwischen den Fächern stark. Sie reichen laut Wissenschaftsrat von 4 Prozent in den Kunstwissenschaften über 38 Prozent in Mathematik und Naturwissenschaften bis zu 56 Prozent in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften. Auch die Betreuungsrelationen schwanken: In den Geisteswissenschaften sowie den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften werden durchschnittlich fünf Promovierende gleichzeitig von einer Professur betreut.
In den Mathematik- und Naturwissenschaften ist eine Professur für durchschnittlich sieben Promovierende zuständig. In der Medizin und den Gesundheitswissenschaften sind es etwa zehn Promovierende gleichzeitig pro Professur, wobei dort die Promotion im Gegensatz zu den anderen Fächern häufig studienbegleitend erfolgt. Zwar haben sich in den Fächern unterschiedliche Betreuungsmodelle etabliert, die eine qualitativ hochwertige Betreuung gewährleisten sollen. Der Wissenschaftsrat sieht jedoch weiter die Gefahr, dass eine angemessene Betreuung nicht mehr gewährleistet werden kann, wenn zu viele Promovierende auf eine Betreuungsperson kommen.
Die Zahl der Promotionen reglementieren
Ich plädiere daher dafür, dass wir Promotionsquoten, Betreuungsrelationen und Betreuungsmodelle viel stärker als bislang in den Vordergrund der Debatte stellen. Hier wird es auch in Zukunft Unterschiede zwischen den Fächern geben müssen, weil die Art der Forschung und die Anschlussfähigkeit an den außeruniversitären Arbeitsmarkt unterschiedlich sind. In jedem Fall aber müssen wir mehr in die Exzellenz der einzelnen Promotionsprojekte investieren, was auf weniger, dafür aber gut ausgewählte, intensiv betreute und ausreichend finanzierte Promotionsprojekte hinausläuft. Bereits bei der Zulassung zur Promotion muss es klare und transparente Qualitätskriterien für die Auswahl und Betreuung geben, und die Qualitätssicherung muss intensiviert werden.
Es könnte zum Beispiel festgelegt werden, wie viele Promotionen maximal von der Professorenschaft qualitativ hochwertig parallel betreut und wie promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offiziell in die Betreuung einbezogen werden können. Durch die reglementierte Zahl von Promotionen würden Anreize geschaffen, Promotionsvorhaben zügig und erfolgreich abzuschließen – oder bei wenig aussichtsreichen Promotionsvorhaben die Promovierenden bei einer frühzeitigen beruflichen Neuorientierung zu unterstützen.
Für die Diskussion um das WissZeitVG ist eines entscheidend: Bessere Betreuungsrelationen führen zu weniger, dafür besser qualifizierter Forschenden, denen deutlich bessere Karriereoptionen zur Verfügung stehen. Damit wird deutlich Druck aus dem deutschen Wissenschaftssystem genommen.
Viele Vorschläge, die derzeit im Rahmen der Novellierung des WissZeitVG diskutiert werden, gehen aus meiner Sicht am Kern des Problems vorbei, nämlich an der Frage der hochwertigen Qualifizierung von Forschenden. Das liegt auch daran, dass wir nicht über Betreuungsrelationen und Betreuungsmodelle in der Wissenschaft diskutieren. Wenn wir uns stattdessen auf die Vertragslaufzeiten konzentrieren, ist die Gefahr groß, dass wir entweder ein für die Wissenschaft zu starres System schaffen, dass wir die Innovationsfähigkeit des Wissenschaftssystems aus dem Blick verlieren – oder dass sich an der jetzigen Situation kaum etwas ändert. Damit wäre auch der Planungssicherheit der Forschenden nicht gedient.
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Über zwei Drittel der promovierten Forschenden spielen mit dem Gedanken, aus der Wissenschaft auszusteigen. Der Ampel-Koalitionsvertrag versprach ein Bund-Länder-Programm für besser Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Was ist daraus geworden?
Bald keiner mehr da? Foto: Brian Penny, Pixabay.
ES SIND BESORGNISERREGENDE ZAHLEN. Laut dem neuen "Barometer für die Wissenschaft", erhoben vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), haben 71 Prozent aller befristet beschäftigten Postdocs in den vergangenen zwei Jahren ernsthaft den Ausstieg aus der Wissenschaft erwogen. Und nur noch 16 Prozent der Promovierenden haben als Berufsziel die Professur. Die Ergebnisse "sollten alle Beteiligten aufhorchen lassen", kommentierte Lambert T. Koch, Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV). Politik und Hochschulen müssen ihre Hausaufgaben machen. Teil der Lösung können verlässlichere und planbarere, aber auch gegenüber außerhochschulischen Märkten attraktive Karriereperspektiven sein."
Wer wissen will, warum Deutschlands Wissenschaft im Wettstreit um die knappen Fachkräfte zu unterliegen droht, wie international, findet seine Antworten nicht nur in Umfragen, sondern mitunter auch auf dem früheren Twitter. Am Sonntag zum Beispiel berichtete die Politikwissenschaftlerin Federica Genovese unter der Überschrift "Eine kurze akademische Geschichte" über ihre Erfahrungen mit einer deutschen Wissenschaftseinrichtung.
"Deutschlands Verlust ist unser Gewinn"
"Juli 2022“, begann Genoveses "X"-Thread: "Ich werde ermutigt, mich für einen Job in Deutschland zu bewerben. Ich bewerbe mich."Damals war sie Associate Professor an der University of Essex, eine Karriereposition auf dem Weg zur Vollprofessur, die es in Deutschland bislang kaum gibt.
Im Februar 2023, schreibt Genovese weiter, habe sie dann eine "semi-kryptische E-Mail" erhalten, die sie einlud, mehr Bewerbungsunterlagen zu senden als Voraussetzung, auf die Bewerbungs-Shortlist zu kommen. Im Großen und Ganzen dieselben Unterlagen, die sie schon 2022 gesendet habe, "aber ja, okay, in Ordnung."
Im März 2023 folgte die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Als Genovese aus familiären Gründen um einen anderen Termin oder alternativ um ein Online-Interview gebeten habe, um die Kinderbetreuung zu organisieren, lautete die Antwort des Berufungskommitees, das Gespräch gehe nur persönlich und eine Nichtbestätigung des vorgeschlagenen Termins sei gleichbedeutend mit einer Absage Genoveses. "Ich sage ab."
Seitdem erhielt sie eine Vollprofessur in Essex und wechselte vor wenigen Wochen an die Universität Oxford. Jetzt, genau ein Jahr später, erreichte die Wissenschaftlerin ein weiterer Brief aus Deutschland mit der Information, dass die Ausschreibung gescheitert sei, also keiner berufen wurde – wegen Bedenken hinsichtlich der Geschlechterrepräsentation. "Der Vorhang fällt", schreibt Genovese in ihrem inzwischen hunderttausende Male gelesenen Post – woraufhin ein Wissenschaftler aus Oxford kommentierte: "Deutschlands Verlust ist unser Gewinn."
Die WissZeitVG-Novelle hängt seit Sommer 2021 in der Ressortabstimmung
Unterdessen stellt sich nicht der Eindruck ein, dass alle wissenschaftspolitisch Verantwortlichen den Ernst der Lage bereits erkannt haben. Zwar trommeln seit Jahren unter dem Hashtag "#IchbinHanna" junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für bessere Karrierebedingungen und gegen die Rekord-Befristungsquote unter Postdocs. Der Druck reichte, dass SPD, Grüne und FDP im Ampel-Koalitionsvertrag versprachen, das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das die Beschäftigungsregeln vorgibt, zu ändern.
Doch schon die Erstellung eines diesbezüglichen Gesetzentwurfs führte zu einem monatelangem Hin und Her zwischen den Koalitionspartnern und am Ende zu einem Ergebnis, das seit Mitte 2023 in der Ressortabstimmung zwischen den beteiligten Ministerien festhing. Haupt-Streitpunkt: Die FDP von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger wollte erst nach vier Jahren eine verbindliche Entfristungszusage für Postdocs, SPD und Grüne hingegen früher, um eine frühere Karriereplanbarkeit zu ermöglichen. Als sich das BMBF im Referentenentwurf vom vergangenen Juni einseitig auf die vier Jahre festlegte, zeigte sich derselbe DHV-Präsident Koch, den die jüngsten Wissenschaftsbarometer "aufhorchen" lassen, damals per Pressemitteilung "erleichtert". Und zwar, dass das BMBF die vier Jahre anstatt der drei Jahre bevorzugt hat.
Am Sonntag wurde bekannt, dass der Gesetzentwurf jetzt zeitnah, voraussichtlich bereits am 27. März, ins Kabinett soll, nachdem sich die Ressorts geeinigt haben. Wobei die Einigung im Kern nur bedeutet, dass der Streit ins Parlament verschoben wird – also wohl weitergeht. Unterdessen wächst der Frust in der "#IchbinHanna"-Community weiter.
Angesichts der Wissenschaftsbarometer-Zahlen wundert noch mehr, dass das BMBF ein weiteres im Koalitionsvertrag angekündigtes Vorhaben aussitzen könnte. Von einem "Bund-Länder-Programm" war darin die Rede, das "Best-Practice-Projekte für 1) alternative Karrieren außerhalb der Professur, 2) Diversity-Management, 3) moderne Governance-, Personal- und Organisationsstrukturen fördern" sollte. Also im Kern genau das, woran es in Deutschlands Wissenschaft hapert: attraktive Jobs und Aufstiegsmöglichkeiten, mehr Betonung von Chancengerechtigkeit und Vielfalt – und, siehe Genovese, moderne Verwaltungs- und Berufungsverfahren.
Vom geforderten Dauerstellen-Programm hat in der GWK noch keiner gehört
Verhandelt werden müsste ein solches Programm in der sogenannten "Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz" von Bund und Ländern, der GWK, doch wurde eine entsprechende Initiative vom BMBF nicht einmal angekündigt bislang. Gerade erst traf sich die GWK in Bonn, inklusive vertraulichem Kaminabend mit Stark-Watzinger. Doch von einem solchen Programm: noch immer kein Wort.
Obwohl das Ministerium inzwischen sogar unter explizitem Zeitdruck steht: Bis September, legte der einflussreiche Haushaltsausschuss des Bundestages vergangenen Herbst fest, muss Stark-Watzinger über eine mögliche Bund-Länder-Vereinbarung für ein befristetes Programm zum Ausbau wissenschaftlicher Dauerstellen neben der Professur berichten. "Da zum aktuellen Zeitpunkt noch kein Konzept zu Dauerstellen im Mittelbau vorliegt und auch keine Entwicklungen erkennbar sind, mussten nun wir Abgeordnete im Haushaltsausschuss tätig werden", begründete der grüne Haushaltspolitiker Bruno Hönel damals die Ungeduld der Koalitionsfraktionen, die durch die Verzögerungen beim WissZeitVG noch verstärkt wurde. Zugestimmt hatten bei dem sogenannten Maßgabebeschluss übrigens auch die FDP-Abgeordneten.
Vor September trifft sich die GWK-Minsterrunde jetzt nur noch einmal: im Juli. Und das BMBF? Betont, wie wichtig attraktive Karriereperspektiven für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seien, damit Deutschland an der Spitze von Forschung und Innovation bleibe. Und verweist neben dem Tenure-Track- und Professorinnenprogramm auf die – ebenfalls festhängende – WissZeitVG-Reform als Beispiel für die "wichtigen Beiträge", die das BMBF hierzu leiste. Auch eine Art von Zirkelschluss.
Und was ist mit dem geforderten Bund-Länder-Programm? Das BMBF habe "einen Beratungsprozess mit Expertinnen und Experten von Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und außeruniversitären Forschungseinrichtungen initiiert und wird dem Haushaltsausschuss auf Basis dieser Gespräche zur Umsetzung des Maßgabebeschlusses berichten." Außerdem erarbeite der Wissenschaftsrat Empfehlungen zu Personalstrukturen in der Wissenschaft, die voraussichtlich Ende 2024/Anfang 2025 veröffentlicht würden.
Ob das den Haushaltspolitikern reichen wird? Haushaltspolitiker Hönel kommentiert auf Anfrage, er begrüße es ja, wenn aktuell Gespräche mit Fachverbänden stattfänden. Doch müsse das BMBF jetzt zeitnah Gespräche mit den Ländern aufnehmen, die zentral für die Ausgestaltung dieses Programms seien. "Gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind eine Frage des Respekts und der Wertschätzung gegenüber unseren Wissenschaftler*innen, sie werden aber auch zunehmend zu einem relevanten Standortfaktor für den Wissenschafts- und Technologiestandort Deutschland."
Sonst heißt es künftig häufiger: Deutschlands Verlust ist der Gewinn für andere.
Dieser Beitrag erschien in leicht gekürzter Fassung zuerst im Tagesspiegel. Ich habe ihn außerdem vorm Erscheinen hier im Blog aktualisiert.
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Wie es sein kann, dass jeden Tag einflussreiche Wissenschaftler:innen ihre Macht missbrauchen, viele es wissen und trotzdem nichts geschieht? Ein Essay über fehlende Kontrollmechanismen und die Ohnmacht als Berichterstatter.
Foto: Pxhere, CCO.
ES GIBT AUGENBLICKE, da gerate ich als Journalist an meine Grenzen. Da recherchiere ich über Monate, werde im Laufe der Zeit immer überzeugter, dass dramatisch etwas im Argen liegt – und kann am Ende doch nicht öffentlich darüber berichten. Warum? Weil die Erfahrung für die Betroffenen so niederschmetternd war, weil sie solche Sorgen und solche Ängste haben, dass sie zwar im Vertrauen darüber berichten. Aber sich sofort zurückziehen, wenn ich sie frage, ob ich mich in einem Artikel auf ihre Vorwürfe berufen dürfte.
Ich rede, Sie ahnen es, von mutmaßlichem Machtmissbrauch. Von systematischem Fehlverhalten einer Führungspersönlichkeit, das sich, stimmt das gute Dutzend mir vorliegender Zeugenberichte, über viele Jahre zieht und an verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen stattgefunden hat. Ich werde nicht sagen, ob es sich um einen Mann oder um eine Frau handelt, auch nicht, ob die Person eine Universität oder eine Hochschule für angewandte Wissenschaften leitet. Ich kann und werde Ihnen keine Information geben, aus der sich eine Identität ableiten lässt. Sie können sich kaum vorstellen, wie mich das frustriert angesichts all dessen, was ich an Berichten gehört habe. Zumal alle Aussagen zusammengenommen ein so stimmiges Gesamtbild ergeben, dass ich wenig Zweifel habe, dass sie den Tatsachen entsprechen.
Doch in erster Linie trage ich eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die zu Opfern dieser Person geworden zu sein scheinen und sich mir gegenüber offenbart haben. Ich müsste sie in meinem Artikel zwar nicht namentlich nennen. Aber spätestens wenn ich mich, was wahrscheinlich wäre, nach Veröffentlichung mit presserechtlichen Gegenmaßnahmen der beschuldigten Person konfrontiert sähe, müsste ich meine Aussagen belegen, das heißt: Dokumente vorlegen oder meine Quellen um eine juristisch wasserdichte eidesstattliche Erklärung bitten. Da aber besagte Führungspersönlichkeit offenbar ungemein geschickt agiert, existieren keine schriftlichen Zeugnisse persönlicher Verfehlungen, die für sich stehend aussagekräftig genug wären. Also käme es auf die eidesstattlichen Erklärungen an.
Womit der Führungspersönlichkeit klar wäre, wer sich hier gegen sie auflehnt. Und genau das fürchten meine Gesprächspartner:innen mehr als alles Andere. Die einen, weil sie immer noch traumatisiert sind. Die anderen, weil sie noch irgendwo in der Wissenschaft tätig sind und den so langen wie mächtigen Arm der Person fürchten, unter der sie, wie sie sagen, so gelitten haben. Es gibt auch noch eine dritte Gruppe: diejenigen, die zwar mit mir geredet haben, aber nur widerwillig – und am liebsten das ganze Thema einfach hinter sich lassen wollen.
Was zum Wesen des Machtmissbrauchs gehört
Jetzt runzeln Sie vielleicht die Stirn und fragen: Kann das wirklich sein? So viele Leute, die alle dasselbe sagen, die angeblich so gelitten haben, und keine traut sich an die Öffentlichkeit? Meine Antwort: Ja, das kann sein. Und schon die Skepsis der so Fragenden hilft, so verständlich sie ist, den mutmaßlichen Tätern. Denn ich glaube nicht, dass meine Erfahrung ein Einzelfall ist. Ich glaube, genau das gehört zum Wesen des Machtmissbrauchs, dass die erlebte Ohnmacht mitunter noch lange weitergeht, selbst wenn man der konkreten Situation entkommen zu sein scheint.
Und womöglich eignet sich genau die Wissenschaft besonders gut für das Entstehen dieser Art von Ohnmacht: durch die Art, wie in Hochschulen und Forschungsinstituten persönliche Abhängigkeiten entstehen, materiell und emotional, ohne ausreichende Transparenz, ohne Möglichkeit der institutionellen Abhilfe. Denn je weiter oben das Problem besteht, desto kleiner ist das Vertrauen in die Wirksamkeit der vorhandenen Kontrollmechanismen. Und so kommt es, dass an vielen Institutionen der Wissenschaft viele ziemlich gut Bescheid wissen über Personen, die ihre Untergebenen schlecht behandeln, mobben, krank machen, aber aus diesem Wissen nichts folgt.
Um es klar zu sagen: Die weit überwiegende Zahl an Führungskräften verhält sich in der Wissenschaft verantwortungsbewusst und will für die Menschen um sie herum nur das Beste. Und als Journalist trage ich auch im konkreten Fall der beschuldigten Person gegenüber ebenfalls eine Verantwortung. Sie hat ein Anrecht darauf, dass die gegen sie gerichteten Vorwürfe nicht halboffen durch die Medienöffentlichkeit geraunt werden. Und obwohl ich überzeugt bin, dass all die Vorwürfe im Kern zutreffen – sie bestreitet es. Zu Recht gibt es ethische, professionelle und juristische Maßstäbe, die hohe Hürden für eine identifizierende Berichterstattung bedeuten. Nur trägt natürlich auch das wieder zum Frust der mutmaßlichen Opfer bei. Wieso kann das sein?, fragen sie. Wieso kommt diese Person damit durch?
Zumal, das darf man ebenfalls nicht vergessen, Machtmissbrauch und Fehlverhalten normalerweise nicht einfach enden. Das heißt, dass mutmaßlich noch mehr Menschen leiden werden. Auch wenn die beschuldigte Führungskraft nach Aussagen ihres nahen Umfelds zuletzt deutlich anders aufgetreten sein soll – seit ich sie von meiner Recherche informiert habe? Das wäre ja immerhin etwas. Aber wie lange hält das? Und was folgt daraus?
Was jeden Tag verborgen vor der Öffentlichkeit geschieht
Ich werde jedenfalls meine Arbeit fortsetzen und Missstände, wo ich ihnen begegne, wo immer möglich, so offen wie möglich benennen und recherchieren. So habe ich es immer gehalten. Nur, das habe ich in den vergangenen Monaten nochmal lernen müssen, es geht eben nicht immer. Zumindest nicht sofort.
Ich weiß, dass ich Sie jetzt unbefriedigt zurücklasse. Sie würden so gern mehr wissen über die Art der Vorwürfe, über konkrete Zwischenfälle, Ereignisse und Äußerungen, wo sich was zugetragen hat, ob die betroffene Person jemals Sanktionen oder Gegenwind erlebt hat, wer zu welchem Zeitpunkt was wusste oder ahnte und von welchem Zeitraum wir sprechen. Aber so Leid es mir tut: All das werde ich nicht liefern können.
Aber ich wollte Sie teilhaben lassen an meinem Frust und meinem Dilemma. Und falls Sie es noch nicht sind, wollte ich Sie noch ein Stückweit aufmerksamer machen gegenüber dem, was auch in Institutionen der Wissenschaft verborgen vom Blick der Öffentlichkeit jeden Tag geschieht.
Dabei sind es meist nicht die krassen Vergehen, die den Gegenstand einer Straftat erfüllen. Im Gegenteil: Ich bin davon überzeugt, dass viele derjenigen, die systematischen Machtmissbrauch betreiben, ihr Verhalten selbst so nie nennen würden. Es womöglich sogar für normal halten und Menschen, die damit nicht klarkommen, für zu zimperlich. Die nicht merken oder nicht merken wollen, wie sie Karrieren beeinträchtigen, was für Wunden sie reißen, und wie lange diese bei einigen bleiben.
Woran man den Durchbruch wird erkennen können
Genau deshalb ist es so wichtig und überfällig, dass die Debatte über Machtmissbrauch die deutsche Wissenschaft erreicht hat und erst wieder aufhört, wenn die Karriere- und Kontrollsysteme andere sind. Führende Wissenschaftsmanager erklären inzwischen regelmäßig, sie hätten das Problem erkannt, Hochschulen geben Erklärungen und Selbstverpflichtungen ab. Zuletzt hatte die Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) die besondere Verantwortung der Rektorate und Präsidien bekräftigt, entschieden gegen Machtmissbrauch an Hochschulen vorzugehen. Weshalb jetzt Vorschläge zur Weiterentwicklung und Verbesserung bestehender Verfahrensweisen in der HRK erarbeitet werden sollen.
Das ist respektabel und erfreulich, doch wird es reichen? Das Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft kritisiert in einem offenen Brief an die HRK, dass in der Pressemitteilung "die Ignoranz gegenüber den ermöglichenden Faktoren, der Vielfalt und der hohen Dunkelziffer von Machtmissbrauch deutlich" würde. Machtmissbrauch sei "ein systemimmanentes und strukturelles Phänomen des deutschen Hochschulsystems". Das Netzwerk fordert daher: "die Etablierung einer unabhängigen Kontroll- und Sanktionsinstanz mit entsprechenden Befugnissen und Ressourcen".
Woran man den Durchbruch erkennen wird? Daran, dass Opfer dann nicht mehr als Ausweg die Kündigung wählen, auch wenn sie dem eigenen beruflichen Erfolg schadet. Und daran, dass der Ruf nach Hilfe dann endlich nicht mehr Kraft und Mut erfordert als das stille Weiterleiden.
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Der BMBF-Haushalt soll 2024 um 1,16 Milliarden schrumpfen. Schaut man sich den Plan genauer an, entsteht trotzdem der Eindruck, die Ministerin habe sich erstaunlich gut geschlagen. Allerdings gibt es eine große Ausnahme: Vor allem beim BAföG-Titel wird gekürzt.
Foto: Pxhere.
ERST AM MITTWOCH soll der Haushaltsentwurf der Bundesregierung ins Bundeskabinett gehen. Doch mir lag das Papier bereits vor. Demnach sind für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für das kommende Jahr 20,300 Milliarden Euro vorgesehen: rund 507 Millionen Euro weniger, als in der mittelfristigen Finanzplanung vom August 2022.
Nimmt man als Referenzwert die Soll-Ausgaben des laufenden Jahres, ergibt sich zwar ein noch größerer Rückgang um 1,162 Milliarden Euro, was rund 5,4 Prozent entspräche (während der Bundeshaushalt insgesamt um 6,4 Prozent schrumpfen soll). Doch übertreibt dieser Vergleich das tatsächliche BMBF-Minus. Denn der Großteil dieser Differenz, 700 Millionen Euro, erklärt sich aus dem Wegfall der Energie-Einmalzahlung an Studierende und Fachschüler.
Mit einem blauen Auge davongekommen?
Hat Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) also gut verhandelt, hat sie die Connections zu ihrem Parteifreund Christian Lindner so erfolgreich genutzt, dass das BMBF beim Zeitenwende-Sparhaushalt entgegen der Unkenrufe mit einem blauen Auge davonkommt?
Auf den ersten Blick: ja. Ein Weniger von rund 500 Millionen Euro entspricht einem Minus von 2,4 Prozent. Das muss aus einem so großen Haushalt herauszuholen sein. Einerseits. Andererseits sind von den (ohne Einmalzahlung) 20,762 BMBF-Milliarden in diesem Jahr ein Großteil gebunden, das heißt: Sie werden durch Vereinbarungen vor allem mit den Bundesländern auch nächstes Jahr fällig, zum Teil sogar mit einem garantierten Aufwuchs.
Rechnet man zum Beispiel den Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken" (2023: 1,94 Milliarden, 2024: 2,05 Milliarden), die Zahlungen an die vier großen Forschungsorganisationen Max Planck, Helmholtz, Fraunhofer und Leibniz (2023: 5,73 Milliarden, 2024: 5,86 Milliarden) und an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (2023: 2,04 Milliarden, 2024: 2,08 Milliarden) zusammen, sind allein durch diese Posten 2023 rund 9,71 Milliarden Euro verplant, 2024 sind es sogar rund 9,99 Milliarden.
Das wird weder den Hochschulen noch den Forschungsorganisationen reichen, um die Inflation auszugleichen, und doch sind sie durch die garantierten Aufwüchse in einer privilegierten Lage. Addiert man noch die Exzellenzstrategie und das Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (400 Millionen bzw. 121 Millionen in beiden Jahren) hinzu, ist mit gut 10,51 Milliarden Euro mehr als die Hälfte des BMBF-Haushaltes im nächsten Jahr gebunden. Und der Resthaushalt des Ministeriums verringert sich (Energie-Einmalzahlung wieder rausgelassen) von 10,53 auf 9,79 Milliarden.
Das bedeutet: Die kleinere Hälfte des BMBF-Haushalts muss das komplette Minus und den Zuwachs der anderen (größer werdenden) Hälfte tragen. Wobei diese Darstellung noch simplifiziert ist, denn auch diese Spar-Hälfte enthält weitere nicht kürzbare Posten, etwa die den Akademien ebenfalls zugesagte jährliche Erhöhung um drei Prozent. Das heißt immer noch nicht, dass Stark-Watzinger schlecht verhandelt hat, es zeigt nur, unter welchen Zwängen ihr Ministerium 2024 und vor allem dann 2025 steht.
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, an wie vielen Stellen die Ministerin voraussichtlich nicht sparen wird, zumindest nicht auf der Ebene der Haushaltstitel und Titelgruppen. Bei der besonders diskutierten Förderung der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung etwa soll es eine leichte Aufstockung um 1,5 auf 107 Millionen Euro geben (was das für einzelne Förder-Schwerpunkte bedeutet, bleibt freilich abzuwarten); die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) wächst wie versprochen um 23,5 auf 81 Millionen.
Die Stiftung "Innovation in der Hochschullehre" bekommt nur scheinbar weniger (110 statt 150 Millionen), tatsächlich steuern von 2024 an die Länder vereinbarungsgemäß die übrigen 40 Millionen bei. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) springt um 43 auf 190 Millionen, sogar die immer noch nicht gegründet Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) wird um 28,8 auf 78,8 Millionen aufgestockt, wobei 35,4 Millionen davon (Vorjahr: 15 Millionen) bis zur Aufhebung durch den Haushaltsausschuss gesperrt sind.
Bei einem Posten dürften die Bildungs- und Wissenschaftsminister der Länder aufmerken: Sie hatten die Fortsetzung der Ende 2023 auslaufenden Qualitätsoffensive Lehrerbildung (QLB) gefordert, Stark-Watzinger hatte das abgelehnt. Trotzdem stehen 2024 immerhin 52,3 Millionen Euro in dem bisherigen QLB-Titel, der einen neue Bezeichnung trägt: "Professionalisierung pädagogischer Prozesse". Dahinter verbergen sich allerdings neben QLB-Ausgaberesten die aus EU-Mitteln finanzierten "Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten" (50 Millionen), die bislang im Titel der Nationalen Bildungsplattform (siehe unten) untergebracht waren. Von der Planung eines QLB-Nachfolgeprogramms also tatsächlich keine (haushalterische) Spur.
Gespart wird vor allem am Bafög-Titel
Wo aber wird denn dann – abgesehen von Posten, die ohnehin abgeschmolzen werden sollten – am kräftigsten gespart? Die eindeutige Antwort: vor allem beim BAföG. Für die Studierenden sind 1,37 Milliarden und damit 440 Millionen weniger als 2023 vorgesehen – und bei den Schülern 551 Millionen, 212 Millionen weniger. Auf den zweiten Blick muss man allerdings auch hier differenzieren: Die eingeplanten Ausgaben orientierten sich laut BMBF an wissenschaftlichen Prognosen (wohl vor allem des Fraunhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik (FIT), was Schüler und Studierende im kommenden Jahr erfolgreich beantragen werden – auf Grund der geltenden Rechtslage.
Was zwei aufschlussreiche Schlussfolgerungen zulässt. Erstens: Finanzministerium und BMBF preisen offenbar ein, dass die von Stark-Watzinger als so großzügig gepriesene BAföG-Erhöhung vom vergangenen Jahr verpufft – und die Zahl der Empfänger nach einer zwischenzeitlichen Stagnation sogar wieder zurückgehen könnte. Zweitens: Obwohl dies so ist, wird keine sichtbare Vorsorge getroffen für die dringend nötige weitere Anhebung der Bedarfs- und Fördersätze in 2024, denn dafür müsste es wie in der Vergangenheit üblich einen Puffer geben.
Sollte es nächstes Jahr bei geltender Rechtslage doch mehr BAföG-Bezieher geben und sollten diese mehr beantragen als Geld im Haushalt vorhanden, muss und wird das BMBF zwar zahlen (und zur Deckung zur Not wiederum anderswo einsparen müssen, falls das Finanzministerium nichts nachschießt). Klar ist allerdings auch: Die Erhöhung der Fördersätze und erst recht die versprochene große BAföG-Reform noch in dieser Legislaturperiode würde massiv zusätzliches Geld erfordern.
Weniger für Lebenswissenschaften
Ansonsten sind 2024 Rückgänge etwa der Förderung der Lebenswissenschaften (-151 Millionen) vorgesehen, darin ist laut BMBF neben Umschichtungen ein Konsolidierungsbeitrag von 37 Millionen Euro enthalten. Umgekehrt gibt es aber zum Beispiel einen deutlichen Zuwachs bei der Titelgruppe "Nachhaltigkeit, Klima, Energie" (+96 Millionen), was, wie das Ministerium auf Nachfrage erläutert, im Wesentlichen auf den zu finanzierenden Neubau des Forschungsschiffs Polarstern II zurückgeht.
Insgesamt sollen rund 2,69 Milliarden Euro in die sogenannte missionsorientierte Forschung fließen, im Vorjahr waren es mit 2,67 Milliarden vergleichbar viel. Die Zahlungen für die viel kritisierte Nationale Bildungsplattform sollen um fast 98 auf noch 106,5 Millionen sinken, was laut BMBF – neben der erwähnten Umbuchung der Digitalen Kompezenzzentren – auf die langsamere Projektentwicklung zurückzuführen sei und keine Auswirkungen auf die fachliche Umsetzung habe.
Bleibt die Frage: Wo ist die von Lindner für 2024 erstmals versprochene zusätzliche Bildungsmilliarde? Die Antwort: Sie kommt. Allerdings wohl erst zur Hälfte. 500 Millionen sind eingeplant, was insofern keine Überraschung ist, weil Stark-Watzinger das "Startchancen"-Programm, für das sie die Bildungsmilliarde vorgesehen hat, (trotz zwischenzeitlich heftiger Kritik aus den Ländern) erst im zweiten Halbjahr 2024 starten will. Sie sagt, ein früherer Beginn sei konzeptionell nicht zu schaffen.
Dass die Sache ganz offensichtlich auch haushälterische Gründe hat, ist freilich daran zu sehen, dass man den Rest der Bildungsmilliarde 2024 natürlich auch für Anderes ausgeben könnte, Anlässe gäbe es genug. Eingeplant sind die 500 Millionen nicht im BMBF-Haushalt, sondern sie stehen wie angekündigt "vor der Klammer" – im Einzelplan der Allgemeinen Finanzverwaltung. Und auch wenn ich die Zusatz-Bildungsmilliarde wiederholt als unzureichend kritisiert habe, vor allem im Vergleich zu all den Bildungs-Versprechungen im Ampel-Koalitionsvertrag, ist es in der Konsequenz doch ein Erfolg für Stark-Watzinger, dass zumindest der Einstieg 2024 gelingt.
Allerdings, unken viele in der Koalition, werde sich 2024 noch als vergleichsweise einfacher Haushalt herausstellen, die richtige Bewährungsprobe – auch für das BMBF – stehe 2025 an. Dann müsse Stark-Watzinger nochmal Farbe bekennen: Was wird aus der BAföG-Reform? Kommt der – bereits auf 2025 – verschobene Digitalpakt 2.0, und wieviel frisches Geld macht der Bund dafür locker?
Letzteres würde zwar wie beim Digitalpakt 1.0 nicht über Stark-Watzingers Budget abgewickelt, doch eng genug wäre das auch so: Im neuen Finanzplan der Bundesregierung, der ebenfalls am Mittwoch beschlossen werden soll, steht der BMBF-Haushalt für 2025 mit 20,56 Milliarden Euro – was 260 Millionen mehr als 2024 wären, aber satte 540 Millionen weniger als noch im August 2022 vorgesehen. Und von den 260 Millionen würden etwa 80 Prozent gleich wieder in die weitere Dynamisierung von Zukunftsvertrag, Max Planck, DFG und Co fließen. Wie soll das gehen? Vorerst aber gilt: Ihre Priorität für Bildung und Forschung hat die Ministerin in schwieriger Zeit verteidigt – wenn auch, siehe vor allem das BAföG, mit Abstrichen bei der Bildung.
Dieser Artikel erschien in etwas kürzerer Fassung zuerst im Tagesspiegel. Zuletzt habe ich ihn am 05. Juli 2023 aktualisiert.
BMBF, Studentenwerk, Bundestagsopposition Wer sagt was zum Haushaltsentwurf?
Der Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion für Bildung und Forschung, Thomas Jarzombek, kommentierte, die Ankündigung einer Bildungsmilliarde hätten viele in der Ampel wohl falsch verstanden: "Es wird nun eine Milliarde gekürzt und nicht ergänzt." Stark Watzinger habe den vielversprechenden Ankündigungen der vergangenen anderthalb Jahre keine Taten folgen lassen. "Für Bildung und Forschung fehlt es jedoch derzeit spürbar an Rückhalt im Kabinett. Anspruch und Realität klaffen weit auseinander." So seien die Kürzungen beim BAföG ein "Offenbarungseid" für die Koalition. "Auf Basis einer unabhängigen wissenschaftlichen Berechnung wird deutlich, dass sich Bundesministerin Stark-Watzinger bei der Wirkung ihrer BAföG-Reform völlig verschätzt hat." Auch um die angekündigte große Strukturreform des BAföG, die eigentlich in diesem Jahr kommen sollte, sei es seit Monaten "erstaunlich still" geworden in der Koalition.
Der parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Jens Brandenburg (FDP), sagte, trotz sehr schwieriger Ausgangslage würden Bildung und Forschung weiter gestärkt. "Wir setzen weiterhin auf wichtige Investitionen in Zukunftsthemen wie Energieforschung, Innovation und Transfer und bringen zentrale Schwerpunkte wie das Startchancenprogramm zur Realisierung." Zugleich warnte er, auf eine Konsolidierung des Haushalts müssten alle Ressorts gemeinsam hinwirken. "Das gilt auch für künftige Haushaltsjahre. Der Einzelplan 30 darf dabei nicht über Gebühr belastet werden." Bildung und Forschung seien tragende Säulen vieler zukunftsorientierter Projekte dieser Bundesregierung."
Vergleicht man die neue mittelfristige Finanzplanung mit der vom August 2022, soll das BMBF 2024 und 2025 auf insgesamt 1,04 Milliarden Euro verzichten. 2026 kehrt der Ansatz mit 21,2 Milliarden dann zur alten Planung zurück, 2027 sind (neu) 21,150 Milliarden vorgesehen.
Unterdessen kommentierte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerk, Matthias Anbuhl, angesichts der geplanten Kürzungen, die BAföG-Versprechen der Bundesregierung drohten zu implodieren. "Die groß angekündigte Strukturreform und BAföG-Sätze, die zum Leben reichen – all das wird nun womöglich Lindners Rotstift geopfert." Das sei fatal, denn mehr als ein Drittel der Studierenden lebe prekär. "Dieser Gruppe steht das Wasser finanziell bis zum Hals. Lässt die Ampel-Koalition sie im Stich?"
Anbuhl forderte eine Ministerin, die auch im Gegenwind für die Studierenden kämpfe. "Und wir brauchen ein Parlament, das seine Kompetenzen nutzt und den Finanzminister beherzt korrigiert." Studienabbrüche aus Geldmangel könne sich dieGesellschaft nicht leisten. "Diese jungen Menschen sind die künftigen Lehrkräfte, Ärzt*innen und Ingenieur*innen, die wir so händeringend brauchen."
Die bildungspolitische Sprecherin der linken Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke, sagte, die Bundesregierung schieße mit ihren Haushaltsplänen "den Vogel ab. Eine Kürzung beim BAföG wird für viele junge Menschen ein Studium unerschwinglich machen und die soziale Spaltung des Bildungssystems weiter vorantreiben." Die letzte BAföG-Erhöhung sei innerhalb kürzester Zeit von der Inflation aufgefressen aufgefressen worden. "Fast 40 Prozent der Studierenden sind armutsgefährdet. In einer solchen Situation ausgerechnet beim BAföG zu kürzen, ist fatal." Auf den KfW-Kredit, laut Gohlke "die einzige Alternative zum BAföG", fielen gerade fast acht Prozent Zinsen an, ergänzte die Linken-Politikerin. "So treibt die Bundesregierung viele Studierende in die Armutsfalle."