Erinnerungslandschaft mit Brüchen: das "Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität" und die Traumata des alten Kontinents
In: Transit: europäische Revue, Issue 35, p. 23-48
ISSN: 0938-2062
Das Neue des 20. Jahrhunderts war nach Meinung des Autors nicht das Hegemonialstreben der Großmächte, sondern die zerstörerische Kraft der bolschewistischen Revolution mit ihren globalen Weiterungen und vor allem der vom nationalsozialistischen Deutschland entfachte und total geführte Zweite Weltkrieg. Anders als in früheren Jahrhunderten brachte das europäische Staatensystem jedoch die Kraft zur Abwehr des rassistischen Eroberungswahns und zur Erreichung eines selbstbestimmten europäischen Gleichgewichts nicht mehr auf. Die äußere Befreiung vom Nationalsozialismus kam aus der Sowjetunion und von jenseits des Atlantiks. Dass die Spaltung des Kontinents in Ost und West, in totalitäre/autoritäre und demokratische Systeme jedoch kein "natürliches Ergebnis" des Zweiten Weltkriegs war, davon zeugen die Projekte, welche Widerstandsgruppen quer über Europa für die Zeit nach dem erhofften Sieg über das Dritte Reich entwickelten. Nach Ernst Friedländer kann sogar von einer "Geburt des europäischen Föderalismus aus dem Geist des Widerstandes" gesprochen werden. Die Aktualität und Brisanz der geteilten europäischen Erinnerung ist dem Autor zufolge zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Zuge der Erweiterung der Europäischen Union sichtbar geworden. Er verdeutlicht die Unwägbarkeiten und Brüche innerhalb der europäischen Erinnerungslandschaft am Beispiel des Umgangs mit dem Nationalsozialismus und Kommunismus, speziell am Thema Vertreibungen und Zwangsmigrationen. (ICI2)