Trotz der empirischen Tragfähigkeit der neoklassischen Wachstumstheorie wurde zur Erklärung des Wirtschaftswachstums in den OECD-Ländern immer wieder auf politische Variablen zurückgegriffen. Zu diesen Variablen zählen Verteilungskoalitionen, die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung, die Interaktion zwischen Regierungsparteien und Gewerkschaften, Staats- und Demokratiestrukturen sowie die Größe des öffentlichen Sektors. Insgesamt bleibt die empirische Evidenz für solch politischen Einfluss aber gering. Anders sieht es aus, wenn Schwellen- und Entwicklungsländer in den Vergleich einbezogen werden. Hier erweisen sich Regimequalität, politische Stabilität und die Qualität von Institutionen als wichtige Faktoren. (ICE2)
Die Autorin zeichnet die entscheidenden Schritte beim Aufbau einer "Vertikale der Macht" in der russischen Regierung nach und weist auf Schwachstellen und Risiken eines so geführten autoritären Systems hin, das ihrer Meinung nach den Weg für eine administrative Willkür und politische Justiz ebnet. Ihr Beitrag verfolgt vor allem zwei Ziele: Zunächst gilt es, die Prinzipien der russischen Verfassung vom Dezember 1993 mit der gängigen politischen Praxis zu konfrontieren und dabei vor allem die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien, wie z.B. das Gewaltenteilungsprinzip, zu prüfen. Zum anderen soll ein kritischer Blick hinter die Kulissen der Macht im "System Putin" geworfen und danach gefragt werden, in welche Richtung sich der politische Prozess verlagert hat und auf welche Weise informelle bürokratische Gruppen um die Durchsetzung ihrer teilweise sehr unterschiedlichen politischen Zielsetzungen ringen. Die Autorin beleuchtet ferner die Zusammenhänge zwischen den wechselnden Machtkonstellationen in der Präsidialadministration und beschreibt die Entwicklung vom "oligarchischen Kapitalismus" zum "bürokratischen Staatskapitalismus" im heutigen Russland. Sie erörtert abschließend anhand einiger Justizfälle die Stellung der dritten Gewalt in der Machtvertikale und stellt ihre Rolle als "Büttel der Exekutive" kritisch heraus. (ICI2)
Der Beitrag von Kybernetik und Systemtheorie für die Governance-Forschung wird diskutiert. Dabei werden Fragen der politischen Planung und der politischen Steuerung angesprochen. Das systemtheoretische Konzept der Kontextsteuerung von Willke wird als produktivster systemtheoretischer Beitrag zur Governance-Problematik hervorgehoben. Allerdings krankt das Konzept an einem Legitimitätsdefizit, dem sich das Tagesgeschäft des politischen Gestaltungshandelns in verflochtenen Verhandlungsarenen und komplexen Governance-Konstellationen generell ausgesetzt sieht. Policy-Netzwerke erfüllen nicht das unverzichtbare Kriterium der Inputlegitimität. (GB)
Die Autorinnen wenden sich kritisch gegen neuere öffentliche Debatten über die Notwendigkeit von Krieg zum Schutz von Frauenrechten, die ihrer Meinung nach große Ähnlichkeiten zu herkömmlichen Sichtweisen auf Gewalt gegen Frauen im Krieg aufweisen. Sie beleuchten insbesondere den Diskurs des "barbarischen" Anderen und seine Kontinuitäten mit herkömmlichen Interpretationsmustern. Die Parallele zu tradierten Diskursen über Gewalt (des Fremden/des Feindes) gegen Frauen verdeutlichen sie anhand eines Vergleichs zwischen der Gewalt deutscher Soldaten gegen Frauen in Frankreich während des Ersten Weltkriegs und der Gewalt serbischer Kämpfer während des Bürgerkrieges in Bosnien-Herzegowina. Am Beispiel der deutschen Bundestagsdebatten zum Afghanistan-Einsatz der NATO diskutieren sie ferner die Legitimierung militärischer Gewalt im Dienste des ritterlichen Schutzes von Frauen sowie die Unterscheidung zwischen barbarisch-anderer und diszipliniert-eigener Männlichkeit. In beiden Fällen wird deutlich, dass sich der Diskurs auf Gewaltpraktiken gegen Frauen konzentriert, während Männer fast ausschließlich als Täter thematisiert werden. Die Stigmatisierung "fremder" Gewalt vollzieht sich innerhalb der Rationalität der "eigenen" Perspektive und einer vergeschlechtlichten Ordnung, die auf diese Weise reproduziert und stabilisiert wird. (ICI2)
In dem Beitrag wird zuerst darauf eingegangen, was mit dem Begriff des Multilateralismus im Allgemeinen und im Hinblick auf deutsche Außenpolitik im Besonderen gemeint ist. Danach wird kurz der Forschungsstand zu Deutschlands Multilateralismus angesprochen. Die Veränderungen der deutschen Haltung zum Multilateralismus seit der Wiedervereinigung werden anhand von Begründungsmustern zur multilateralen Kooperation und zum Prinzip des Multilateralismus analysiert. Dabei wird besonders auf diskursive Verschiebungen in Deutschlands Haltung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr eingegangen. Multilateralismus ist ein für Deutschland wichtiger Referenzrahmen geblieben. Er ist jedoch kein Indiz für eine Kontinuität deutscher Außenpolitik, sondern eher ein Element außenpolitischen Wandels. (GB)
Zur politischen Elite sind all jene Personen zu zählen, die aufgrund ihrer strategischen Position in der Lage sind, den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß direkt, substantiell und regelmäßig zu beeinflussen. Der Beitrag definiert für hier drei Kreise: Im Zentrum stehen die vom Volk gewählten Amtsträger der nationalen Ebene - Mitglieder des Repräsentantenhauses und des Senats sowie der Vizepräsident. Zum engeren Kreis gehören darüber hinaus das Kabinett, die Mitarbeiterstäbe im Kongress und in der Administration, die oberste Ebene der Verwaltung sowie die Bundesrichter. Im erweiterten Kreis der politischen Elite befinden sich die Gouverneure der Einzelstaaten und die Bürgermeister der größeren Städte wie z. B. New York. Diesem erweiterten Bereich werden auch die Vertreter der einflussreichen Interessengruppen und Medien, der größeren Unternehmen und Gewerkschaften, die Mitarbeiter der verschiedenen policy planning groups und think tanks sowie hochrangige Militärs zugerechnet. Im Mittelpunkt der US-Elitenforschung steht die Frage "Wer regiert Amerika?". Während Vertreter der pluralistischen Theorien die amerikanische Elitenstruktur als weitgehend offen und fragmentiert begreifen, betont der power elite approach die Geschlossenheit und Integration der nationalen Führungsschicht. In der Realität sind jedoch innerhalb der Elitenstruktur sowohl Merkmale der Fragmentierung als auch der Integration zu beobachten. (ICA2)
Der Verfasser analysiert den Werdegang des neuen Feindbildes nach dem Ende der Systemkonfrontation. Dabei wird hervorgehoben, dass das neue Feindbild Islam den Gegebenheiten der globalisierten Welt Rechnung trägt: Frühere Feindbilder waren in ihrer Bedrohlichkeit im Wesentlichen noch territorial zu verorten. Der neue Feind kann nicht mehr an den Grenzen aufgehalten werden, er ist nicht mehr in nationalen Kategorien zu fassen, sondern mittels der 'Kultur'. Es wird argumentiert, dass 'der Westen' und vor allem seine Führungsmach USA siegreich aus der bipolaren Konfrontation hervorgegangen ist. Dies stellt eine Erklärung dafür dar, dass sich die Suche nach einem neuen Feindbild auf der Achse des nun endgültig asymmetrischen internationalen System bewegen musste. Die Instrumentalisierung der sozial- und politikwissenschaftlichen Erkenntnisse wird als die Technik der Gestaltung des neuen Feindbildes dargestellt. Dabei wird der Kontrast deutlich gemacht, der zwischen der Ausmalung des neu-alten Feindbildes und seines rassistischen Diktus einerseits und den zivilisatorischen Errungenschaften andererseits besteht, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Normen festgeschrieben worden sind. Zum Schluss plädiert der Autor für die Stärke des Rechts. Es wird hervorgehoben, dass in der globalisierten und multikulturellen Welt Frieden und Sicherheit im innerstaatlichen wie im internationalen Bereich zu gewährleisten sind, wenn im Globalen Haus Gerechtigkeit herrscht. (ICG)
Der Verfasser analysiert die rechtlichen Grundlagen der Position des Betriebsratsvorsitzenden im Unternehmen und stellt fest, dass die 'Geführten' (das Gremium, in dem jedes Mitglied gleiches Stimmrecht hat) und nicht die 'Führungskraft' (die oder der Vorsitzende) 'Souverän' der Betriebsratsarbeit sind. Gleichzeitig hat der Vorsitzende jedoch aufgrund seiner Stellung auf der Grenze des Betriebsratsgremiums eine deutlich hervorgehobene Position. Er vertritt laut Gesetz zum einen den Betriebsrat nach außen, ist Ansprechpartner und Verhandlungspartner für die Geschäftsleitung und verantwortet die Beschlüsse des Betriebsrats nach außen - und er organisiert und verantwortet zum anderen auch die Arbeit innerhalb des Gremiums. Dies stellt an die Person des Betriebsratsvorsitzenden ausgesprochen heterogene und widersprüchliche Anforderungen, deren jeweils situationsgerechte und rollenadäquate Bewältigung ein hohes Maß an triadischer Kompetenz erfordert. Es wird gezeigt, dass der Betriebsratsvorsitzende in doppelter Weise Führungskraft ist: Er ist 'Anführer' der Belegschaft und des Gremiums und zugleich Führungskraft in der betrieblichen Hierarchie. Insofern resultiert die paradoxe Rolle des Betriebsratsvorsitzenden letztlich aus dem System Mitbestimmung selbst. Mehr als den anderen Gremienmitgliedern kommt Betriebsratsvorsitzenden die Aufgabe zu, zwei unterschiedliche, ja widersprüchliche Strukturen zu verbinden und sie miteinander kommunikationsfähig zu halten: zum einen die hierarchische Struktur des Betriebs mit ihren Über- und Unterordnungen sowie ihren Top-down-Entscheidungs- und Anweisungsverhältnissen und zum anderen die demokratische Struktur der Willensbildung und Entscheidungsfindung im Inneren eines gleichberechtigten Gremiums. Durch seinen Ort auf der Grenze des Gremiums, als Schalt- und Umschlagsstelle zwischen Innen und Außen, ist der Betriebsratsvorsitzende ein Grenzgänger. Die Chance des Grenzgängers liegen darin, die Differenzen zwischen den verschiedenen betrieblichen Akteuren, Strukturen und Kulturen in sich wahrzunehmen und zu akzeptieren - auch wenn der Grenzgänger, so er verschiedene Perspektiven einzunehmen in der Lage ist und sich mit verschiedenen Interessen und Perspektiven identifizieren kann, sich mit den Begrenzungen seiner Herkunftsidentität konfrontiert sieht und ein Stück weit seinen klaren Standpunkt und damit seinen gesicherten organisatorischen Halt verliert. Aus der Grenzgängerrolle der Betriebsratsvorsitzenden zwischen den hierarchischen und funktionalen Substrukturen des Betriebs, so die These, kann dann ein organisatorischer Lernprozess erwachsen, wenn sie in der Lage sind, ihren Lernprozess den durch sie verbundenen Akteuren zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinne beinhaltet seine Position die Chance, zwischen den verschiedenen Kulturen und organisationalen Subsystemen "Übersetzungsarbeit" zu leisten und Verbindungen herzustellen, wo diese nicht oder unzureichend bestehen. Für diese ausgesprochen anspruchsvolle Aufgabe benötigen Betriebsratsvorsitzende kontinuierliche professionelle Unterstützung in Gestalt entsprechender (gewerkschaftlicher) Bildungsveranstaltungen und eines speziell auf ihre Rolle als arbeitnehmerorientierte Manager zugeschnittenen Supervisions- und Coachingsangebots. (ICF2)
Der Beitrag erörtert den sozialen Funktionsverlust der Arbeit und beschreibt dabei zunächst das Verschwinden der sozialen Formation der Lohn- bzw. Arbeitsgesellschaft. Im Anschluss gilt die Aufmerksamkeit der so genannten Generation X und ihrer Lebens- bzw. Arbeitseinstellung: Indem die Generation X es ablehnt, sich durch eine Vollzeitstelle und langfristig an eine Firma zu binden, definiert sie sich nicht mehr über ihren Arbeitsplatz. Ihre Vertreter haben einen persönlichen Entwurf, der mehr zählt als die Ziele der Organisation, für die sie arbeiten; und sie sind mehr durch die Sorge um ethische Werte oder soziale Nützlichkeit motiviert als durch Arbeitsethik. Sie hängen an ihrer Autonomie, nennen 'eine größere Freiheit ihrer Zeiteinteilung' als eine der drei wichtigsten Prioritäten - nach dem Geld und der Möglichkeit, ihre intellektuellen Fähigkeiten zu entfalten - und wünschen sich eine größere Ausgewogenheit zwischen ihrer Arbeit und anderen Interessensgebieten, vor allem den Freizeitaktivitäten und der Familie. Ferner wird der damit einher gehende Wandel der sozialen und kulturellen Werte mitsamt den entsprechenden politischen Herausforderungen beleuchtet. Abschließend befasst sich der Autor mit der Frage nach einer sinnvollen Sozialisierung der Individuen in der heutigen Gesellschaft. Demnach wird die Sozialisierung solange frustrierte, unangepasste, verstümmelte und hilflose Individuen hervorbringen, wie sie daran festhält, alles auf 'die soziale Integration durch den Arbeitsplatz' zu setzen, alles auf die Integration in eine 'Arbeitnehmergesellschaft', in der alle Tätigkeiten nur als 'Mittel, seinen Lebensunterhalt zu verdienen', geschätzt werden. Darin findet sich der Gegensatz von (immer axiomatisch orientiertem) politisch-philosophischem Denken über die gute Gesellschaft und das gute Leben einerseits und funktionalistischem Denken andererseits. (ICG2)
Die Forderung nach "kultureller Evolution" verweist darauf, dass nur eine grundlegende Veränderung im politischen Verhalten der Macht- und Bildungseliten afrikanischer Staaten die Voraussetzung für die notwendige Kehrtwende in der Bewältigung der postkolonialen Moderne schaffen kann. Kulturelle Einstellungen müssen jedoch ihre Ergänzung in geeigneten institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen finden. Der "cultural turn" in den Sozialwissenschaften hat neun Eigentümlichkeiten der postkolonialen Gesellschaften Afrikas sichtbar gemacht, darunter die Unterdrückung individueller Autonomie und Verantwortung, einen kulturell gepflegter Irrationalismus und eine fehlende Kultur des Sparens. Korruption muss abgebaut, die Verschwendung öffentlicher Ressourcen eingestellt, der Eigentumsschutz gewährleistete sein. Die Menschenrechte müssen respektiert und die Rechte der Opposition gewahrt werden. Die größte Herausforderung für die Weltgesellschaft ist der Staatszerfall in Afrika. Daneben gibt es Fassadendemokratien wie in Äthiopien, ein Beispiel für eine martialische Hybridkultur. Ein entwicklungspolitischer Vergleich zwischen Südkorea und Ghana zeigt, dass die Differenz zwischen beiden Entwicklungspfaden in der politisch gesetzten Anreizstruktur für globalisierungskonformes Wirtschaften liegt. Der Verfasser fordert von Afrikas Eliten eine Anpassung an globale Entwicklungspotenziale. (ICE2)
International audience ; Der Übergang von der feministischen Frauenforschung zur Genderforschung wurde in Frankreich und Deutschland heftig diskutiert. Dieser Artikel versucht einzelne Themenschwerpunkt zu skizzieren sowie auch nachzuvollziehen, auf welche Weise Gender und Queer als Term und als Forschungskonzepte schließlich Eingang in die Forschung fanden. Zu allererst fällt auf, dass die Gender-Debatte in Deutschland mindestens zehn Jahre vor jener in Frankreich ihren Schwerpunkt hatte. Sie hat also vor einem global wie national verschiedenen politischen und geschichtlichen Hintergrund stattgefunden. Den zweiten Aspekt stellen die verschiedenen theoretischen Traditionen dar, in denen sich die feministische Forschung des jeweiligen Landes situiert hat. Und drittens wird das Verhältnis von feministischer Forschung zur politischen Frauenbewegung betrachtet : Inwiefern hat der neue Forschungsansatz eine Rolle bei dessen Institutionalisierung gespielt ? Die verschiedenen Übersetzungsprozesse, aus denen die Debatten bestanden, eröffneten einen "dritten Raum" für eine Überwindung von Gegensätzen innerhalb der feministischen Forschung (wie etwa Differenz- vs. Gleichheitsfeminismus) aber auch eine eventuelle Repolitisierung durch die Infragestellung der Kosten der Institutionalisierung. ; Le passage des recherches féminines-féministes aux recherches sur le genre a suscité des débats engagés. Cet article tente d'esquisser quelques axes de réflexion pour comprendre comment genre et queer, en tant que concepts de recherche, ont fini par s'établir dans l'université. Il faut tout d'abord tenir compte du fait que le débat en Allemagne a commencé dix ans plus tôt qu'en France. Il s'est donc déroulé dans un contexte historique et politique très différent, tant sur le plan national qu'international. Le deuxième axe porte sur les différentes traditions théoriques dans lesquelles se situent les recherches féminines/féministes. Enfin, la relation entre la recherche féministe et le mouvement politique féministe doit être prise en ...