Der Aufsatz enthält eine Darstellung der Gründungsgeschichte der Association of Jewisch Refugees in London. Im Kontext der jüdischen Gesamtemigration nach Großbritannien nach 1933 werden die Bedingungen für ihre Gründung 1941 sowie ihre Bedeutung als Selbstorganisation der jüdischen Flüchtlinge beschrieben. Die Association of Jewisch Refugees entstand in Abgrenzung von der anglo-jüdischen Minderheit und der britischen Mehrheitsgesellschaft als gleichzeitiger Partizipation in der britischen Gesellschaft. Sie war nicht nur für die internen Probleme der Emigranten zuständig, sondern auch Ausdruck des Entschlusses der meisten Refugees, nach 1945 in Großbritannien zu bleiben. Sie verkörperte dadurch den Grad der Akkulturation der deutschsprachigen jüdischen Emigration in Großbritannien sowie deren Ablehnung der deutschen Kultur und Gesellschaft. (KIL)
Die Autorin gibt einen Überblick über die Entstehung und Ziele des "Arab Human Development Report" (AHDR), welcher im Frühjahr 2002 als fünfbändige Reihe unter der Schirmherrschaft des "United Nations Development Programme" (UNDP) angelegt wurde. Sie konfrontiert den AHDR als endogenen Ansatz einer arabischen Erneuerung mit den diesbezüglichen politischen Strategien der zentralen externen Akteure gegenüber der Region, insbesondere der USA und der EU, und zieht eine erste Zwischenbilanz der arabischen Reformagenda. Um die Frage zu beantworten, warum die arabischen Entwicklungsprobleme gegenwärtig auf der internationalen politischen Agenda stehen und in das Zentrum US-amerikanischer und europäischer Außenpolitik rücken, nachdem sie über Jahrzehnte hinweg einfach nur hingenommen worden sind, geht die Autorin einerseits auf den seit den 1990er Jahren qualitativ beschleunigten kapitalistischen Globalisierungsprozess und andererseits auf die Krise der postkolonialen arabischen Entwicklungsmodelle ein. Ihr Beitrag schließt mit einigen zukünftigen Perspektiven für die arabische Welt. (ICI)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, p. 3632-3642
"Das Ziel dieses Kurzvortrags besteht darin, exemplarisch aufzuzeigen, wie Auslandsentsandte deutscher Unternehmen in arabischen Ländern ihre einheimischen Partner und die jeweilige Gastlandkultur wahrnehmen, welche Handlungsfreiheit sie in arbeitsrelevanten Interaktionssituationen erfahren und wie sie versuchen, ihre Handlungsfreiheit zurück zu gewinnen, aufrechtzuerhalten bzw. zu steigern. Hierfür werden Ergebnisse aus aufgearbeiteten 64 Tiefeninterviews vorgestellt, die im Rahmen eines durch das BMBF geförderten Forschungsprojektes mit deutschen Fachund Führungskräften in Jordanien, Marokko und Ägypten durchgeführt wurden. Die darzustellenden arbeitsrelevanten Interaktionssituationen, an denen die Handlungsfreiheit analysiert wird, beziehen sich auf die Themenbereiche: Vertrauen (Schwerpunktthema), Qualitätsbewusstsein, Direktheit, Verlässlichkeit, Zeitverständnis und Selbständigkeit. Je nach Situation, verfolgen Auslandsentsandte vier unterschiedliche Strategien, die auch in bestimmten Kontexten in Kombinationen auftreten: Vermeidung (aus dem Weg gehen), Konfrontation (demonstratives Entgegentreten mit dem Bestreben, eigene Verhaltensweisen, Überzeugungen etc. zur Geltung zu bringen), Adaption (einseitige Verhaltensanpassung an die Gastlandkultur) und Aushandlung (Prozesse der Kompromissfindung: Eine Art 'Dritter Raum' wird geschaffen!). Dominant bleibt allerdings die Adaptionsstrategie, gekoppelt mit eher negativen Einstellungen zur Gastlandkultur. Die Aushandlungsstrategie hingegen kommt äußerst selten zur Anwendung." (Autorenreferat)
In den westlichen Medien zum ägyptischen Regimewechsel im Jahr 2011 wurde erstaunlich häufig über Frauen und ihre Aktivitäten und Probleme berichtet. Die ägyptische Frauen wurden durchaus als Demonstrantinnen anerkannt und nahmen ihren Platz sowohl in der Revolution als auch in den Medienberichten über den politischen Aufstand ein. Viele Frauen haben bewiesen, dass sie sich gesellschaftliche Veränderungen wünschen und bereit sind, sich für Frauenrechte zu organisieren und etwas zu riskieren. Ob sich die gesellschaftliche Stellung der ägyptischen Frauen nach der Revolution maßgeblich ändern bzw. verbessern wird, ist jedoch eine offene Frage. Dies wird nicht zuletzt davon abhängen, welche Kräfte das entstandene politische Vakuum für sich vereinnahmen können. In der vorliegenden Studie werden Medienberichte über ägyptische Frauen in der Revolution analysiert. Es wird untersucht, wie ägyptische Frauen dargestellt werden und welche Frames dafür verwendet werden. Die Medienberichte sind nach Meinung der Autorinnen vorsichtig zu interpretieren, da sie von einem mehrfachen Bias geprägt sind - einerseits von den patriarchalen Strukturen in Ägypten selbst, andererseits von sexistischen und rassistischen Haltungen in den Ländern, in denen die Medien angesiedelt sind. Vor einer ausführlichen Betrachtung der unterschiedlichen Frames, welche feministische und Mainstream-Onlinemedien anwenden, wird der theoretische Hintergrund zu muslimischen Frauen und westlichen Medien kurz dargestellt. (ICI2)
Flucht und Migration aus den Ländern der Dritten Welt haben in den letzten Jahrzehnten ein bisher nie dagewesenes Ausmaß angenommen. Sie werden voraussichtlich alles überschreiten, was zuvor geschehen ist. Afrika ist besonders von diesen Migrationsbewegungen betroffen. Obwohl der Zustrom von Afrikanern nach Europa in den frühen 1990er Jahren beträchtlich zugenommen hat, tragen die benachbarten afrikanischen, nicht die europäischen Länder die Hauptlast dieser Flüchtlingsbewegungen. Sowohl Ursachen als auch Auswirkungen von Flucht und Migration unterscheiden sich in Abhängigkeit von der sozialen Gruppe und sozialen Schicht, zu der die Migranten jeweils gehören. Die Armen und Benachteiligten, d.h. die Alten, die Frauen und die Kinder leiden am meisten. Afrikanische Flüchtlinge sind in Europa aus verschiedenen Gründen besonders benachteiligt gegenüber ihren Mitmenschen aus anderen Regionen der Dritten Welt. In dem Maße, wie Flucht und Migration soziale und wirtschaftliche Probleme in Afrika und in Übersee verursachen, nimmt das Interesse der Politiker zu, diese Probleme auch für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Beides, die Taktik einiger afrikanischer Staatsmänner, den Migrationsdruck afrikanischer Flüchtlinge und Migranten auf Europa als Faustpfand in Verhandlungen für mehr Entwicklungshilfe zu nutzen, ebenso wie das Bestreben der deutschen Innen- und Entwicklungspolitik, der Einwanderung durch vorbeugende "Vermeidung von Fluchtursachen" mittels Entwicklungshilfe zu begegnen, sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Beide Argumente halten einer empirischen Überprüfung nicht stand. Mittelfristig wird die Entwicklungshilfe so die Bereitschaft junger und agiler Afrikaner auszuwandern eher erhöhen als vermindern. Die gegenwärtigen politischen Probleme Deutschlands in Bezug auf den Zustrom von Flüchtlingen können so nicht gelöst werden. Das Asylrecht, das in erster Linie dem Schutz von politisch Verfolgten dient, wird offensichtlich durch die Massenimmigration von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen aus der Dritten Welt umgangen. Es sollte durch ein soziales wie auch wirtschaftlich ausgewogenes Einwanderungsrecht ergänzt werden.
Die hohe Zahl von Flüchtlingen und Asylbegehrenden, die seit einigen Jahren nach Deutschland kommen, stellt die Kommunen vor große Herausforderungen bei der Erst- und Folgeunterbringung und Versorgung, beispielsweise in Hinblick auf die Standortsuche für Gemeinschaftsunterkünfte. Der Gesetzgeber reagierte darauf mit bauplanungsrechtlichen Erleichterungen, die unterschiedliche Gebietskulissen betreffen. Sie sind seit 2014 bzw. 2015 im BauGB verankert. Im Beitrag wird diskutiert, welche Implikationen sich aus den Änderungen für das Verständnis von gesunden Wohnverhältnissen und die planungsrechtliche Begrenzung gesundheitlicher Risiken ergeben könnten. Hingewiesen wird hier unter anderem auf die Notwendigkeit langfristiger Perspektiven für den (planungsbezogenen) Umgang mit Fluchtmigration, das mögliche Auftreten gesundheitsbezogener Nutzungskonflikte und die Verhinderung städtebaulicher Fehlentwicklungen.
Inzivilität in Nutzerkommentaren kann sich negativ auf die Einstellungen von Rezipierenden auswirken. Inwieweit solche Kommentare auch das reale Verhalten der Lesenden beeinflussen, ist bislang weitgehend ungeklärt. Die vorliegende Studie untersucht deshalb die Auswirkungen von Hasskommentaren unter journalistischen Artikeln über Geflüchtete auf das prosoziale Verhalten von Rezipierenden. Basierend auf der Theory of Planned Behavior und auf Forschung zu sozialen Gruppenidentitäten wird mit einem Online-Experiment gezeigt, dass Hasskommentare gegen Geflüchtete – vermittelt über die Einstellungen der Rezipierenden – den tatsächlich gespendeten Betrag für eine Flüchtlingshilfsorganisation reduzieren. Gleichzeitig erhöhen Hasskommentare die Spende an eine Hilfsorganisation für Obdachlose. Für negative, aber zivil formulierte Kommentare finden sich keine vergleichbaren Effekte. Diese Befunde implizieren eine identitätsbasierte Polarisierung des prosozialen Verhaltens durch Hasskommentare.
Die Flüchtlingswelle aus dem Nahen Osten, aus Afghanistan und verschiedenen afrikanischen Staaten und ihre Steuerung haben die Bundesrepublik Deutschland und Bayern 2015/2016 in hohem Maße gefordert. Besonders betroffen waren aufgrund ihrer Lage am Ende der 'Balkanroute' die südostbayerischen Grenzräume. Dieser Beitrag gibt zunächst einen Überblick über wesentliche Elemente der deutschen und bayerischen Flüchtlings- und Asylpolitik. Danach werden die besonderen Herausforderungen für die südostbayerischen Grenzräume analysiert. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit den durch die Flüchtlingswelle ausgelösten räumlichen Wirkungen in diesen Grenzgebieten. Da die Bewältigung der Integrationsaufgabe zunehmend wichtig wird, wird eine besondere Chance für handlungsorientierte, von unten getragene Regionalinitiativen gesehen.
Der palästinensisch-israelische Konflikt, der von 1920 über die Jahre 1936, 1948, 1967 bis ins Jahr 2000 schrittweise eskalierte, führte nach Einschätzung des Autors dazu, dass sich Araber aus dem Arsenal des Antisemitismus im Dienste des Antizionismus bzw. der antiisraelischen Propaganda oder auch des Antiamerikanismus bedienen. Dieses Arsenal hat seine Fundamente in Europa bzw. in der christlich-westlichen Welt und wird seit geraumer Zeit mit zynischen Absichten interessierten Arabern zur Verfügung gestellt. Der Autor untersucht diese Instrumentalisierung des Nahostkonflikts für den Antisemitismus und des Antisemitismus für den Nahostkonflikt in ihrer Gegenseitigkeit. Seine These lautet zugespitzt: "Antisemiten instrumentalisieren Araber und Araber instrumentalisieren den Antisemitismus - jeder für seine Zwecke. Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Der Autor rückt dabei weniger die diplomatischen Kontakte und politischen Beziehungen in den Mittelpunkt, sondern die Bilder und Images: Araber als Werkzeug des NS-Antisemitismus und Antisemitismus als Instrument des arabischen Antizionismus. (ICI2)
Der Beitrag gibt einen Überblick über die Menschenrechtsarbeit in der arabischen Welt. Er behandelt die Bedeutung der Arab Organization for Human Rights sowie neue Organisationen wie das Ibn Khaldun Centre for Development Studies, das Cairo Institute for Human Rights Studies, das Arab Program for Human Rights Activists sowie das Arab Centre for the Independence of the Judiciary and the Legal Profession. Zentrale Themen in der Arbeit dieser Organisationen sind (1) die Menschenrechtssituation in den arabischen Staaten und in den palästinensischen Gebieten, (2) das Verhältnis von Islam, Demokratie und Menschenrechten sowie (3) die Rechte "verwundbarer Gruppen" wie Frauen, ethnischer und religiöser Minderheiten und sexueller Minderheiten. Auswirkungen der Menschenrechtsarbeit auf gesellschaftlichen Mainstream und Politik in der arabischen Welt sind ungewiss. Die Rolle des Westens in der Menschenrechtsarbeit in den arabischen Ländern wird vielfach kritisch eingeschätzt. (ICE2)
"Christoph Liell rekonstruiert in seinem Beitrag die Praktiken und Orientierungen von Jugendlichen türkischer und arabischer Herkunft. Der Autor zeigt, dass gewaltförmiges Handeln eine eigene 'Rationalität' und Handlungslogik aufweist, die auf die 'Erprobung und Bewährung von Härte' abzielt und durch komplexe, inszenierte 'Rituale der Anmache' gekennzeichnet ist. Die Stilisierung von Härte wird als Ressource zur Konstruktion spezifischer Formen von Männlichkeit und Erwachsensein sowie als Mittel zur individuellen Selbstbehauptung in der Gleichaltrigengruppe genutzt. Die jungen Immigranten nutzen mediale Angebote stereotypisierter Identitätsmerkmale bei der 'Suche und Erprobung von Selbst- und Weltbezügen oder Identitäten'. Das Gewalthandeln hat für diese Jugendlichen aber oft nur einen episodalen Charakter und wird von anderen nichtgewaltförmigen Aktivitäten (vor allem Rap und Breakdance) abgelöst. Die 'Ausbildung von Deeskalationsstrategien in alltäglichen Interaktionen' und die 'Professionalisierungsbestrebungen im Rahmen der Kommerzialisierung popkultureller Stile' sind Liell zufolge Kennzeichen der Produktivität jugendkultureller Milieubildungsprozesse. Die Vergemeinschaftung in stilistisch orientierten Gleichaltrigengruppen bietet den Jugendlichen 'Auswege aus der Verstrickung in Gewalthandeln' und Ressourcen für die Bearbeitung von migrationsbedingten Diskontinuitätserfahrungen." (Autorenreferat).
Der Palästina-Konflikt wird im Beitrag als ein territorialisierter Nationalitätenkonflikt behandelt, der auf Landnahme und demografischer Verdrängung beruht. Sein Ursprung und Kern ist die Konkurrenz zwischen zwei Nationen, Juden und palästinensischen Arabern, um denselben geografischen Raum. Die Verwandlung arabischen Bodens in jüdisches Territorium erfolgte seitens der jüdischen Kolonisatoren mit dem Ziel, die ansässige Bevölkerung zu majorisieren, um an die Stelle des arabischen Gemeinwesens einen eigenen Staat zu setzen. Dessen Daseinsgrund sollte darin bestehen, Zuflucht und Heimat für die bedrängten und verfolgten Juden in aller Welt zu sein. Das für diesen Staat konstitutive Volk wurde darum ethnisch-religiös definiert. Die Idee eines homogenen jüdischen Nationalstaats verlieh dem Prozess der Verdrängung von Anbeginn an die Perspektive der Vertreibung bzw. Unterwerfung der palästinensischen Araber, zumindest aber der unaufhebbaren Ungleichheit zwischen ihnen und den Juden. Ein realistisches Szenario für die sich weiter entfaltende Dynamik des Nahost-Konflikts hat von folgenden Prämissen auszugehen: Erstens werden die arabischen Staaten gegen Israel keinen Krieg für die Durchsetzung des palästinensischen Selbstbestimmungsrechts führen. Zweitens werden sich die Palästinenser einer anhaltenden Besatzung nicht unterwerfen und an ihrer nationalen Selbstbestimmung festhalten. Drittens ist die erneute massenhafte Vertreibung von Palästinensern, von israelischen Rechtsradikalen unter dem Stichwort "Transfer" propagiert, nicht durchsetzbar. Viertens werden die Palästinenser auf Grund ihres höheren Bevölkerungswachstums in wenigen Jahren die Mehrheit zwischen Jordan und Mittelmeerküste darstellen. Ausgehend von diesen Prämissen werden drei Entwicklungslinien des Konflikts skizziert. (ICF2)
Der Autor befaßt sich mit der Frage, woher die Faszination kommt, die Europa auf den Nichteuropärer (in diesem Fall Araber) ausübt. Dabei macht er zunächst zwei Vorurteile über Europa aus: Erstens ist in Europa alles öffentlich. Zweitens scheint das demokratische Europa nach dem einfachsten Prinzip organisiert zu sein, dem der Leistung. In einer knappen Skizze wird am Schicksal des linken Intellektuellen gezeigt, was passiert, wenn diese Vorurteilsstrukturen mit der Wirklichkeit konfrontiert werden. (TW)
In dem Beitrag werden Bedeutung und Wirkung des arabisch-israelischen Konflikts auf die internationale Politik untersucht. Die Ursprünge des Konflikts seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden nachgezeichnet, die zur Gründung des Staates Israels führten und bei den Arabern zu dem Ziel, das Entstehen dieses Staates rückgängig zu machen. Die Entwicklung vom Nahost- zum Palästina-Konflikt wird analysiert. Dazu wird chronologisch die Entwicklung der politischen Situation seit 1949 betrachtet. Der Konflikt wird eingeordnet in den Ost-West-Konflikt der Supermächte. Die Bedeutung dieser außerregionalen Einflußfaktoren wird untersucht. Vor dem Hintergrund der Analyse werden Prinzipien erarbeitet, die eine notwendige Voraussetzung für eine mögliche Lösung des Konflikts sind. (KW)