Mit dem neuen Band der "Einstiege" eröffnet Jürgen Ritsert einen Zugang zu der Kontroverse um Sein oder Nichtsein sozialer Klassen. Ausgehend vom klassischen Klassenbegriff der römischen Antike illustriert Ritsert an Beispielen Surplustheorien der Klassenbildung, u.a. die einflussreichen Klassenbegriffe von Marx und Weber. Daneben skizziert er die gesellschaftlichen Veränderungen, die in der Soziologie zu wechselnden Erkenntissen über den "Tod der Klassen" und ihr zähes Weiterleben geführt haben.
Der Autor erörtert die Frage, warum der Klassenbegriff heute vielfach für obsolet gehalten wird, obwohl er in den 1950er und 1960er Jahren eine zentrale Bezugsgröße für die Gesellschaftsanalyse war. Seine Anmerkungen verstehen sich als Versuch, die gegenwärtige Wandlung der Beziehungen zwischen dem Individuellen und dem Kollektiven zu begreifen und damit auch zu verstehen, weshalb mit dem Vordringen des Individualismus ein gewisser Strukturzerfall der kollektiven Kennzeichen und Interessen zu erkennen ist. Im Mittelpunkt seiner Reflexionen stehen die Fragmentierung der klassischen Auffassung der sozialen Klassen und die Fortdauer der kollektiven Zwänge. (ICI)
Vor dem Hintergrund eines Überblicks über die Wirkungen sozialer Klassen auf die Struktur zeigt der Verfasser, wie Staatsbürgerrechte und andere von ihr unabhängige Kräfte die Struktur sozialer Ungleichheit verändert haben. Sie waren ohne Zweifel sehr tiefgreifend und es mag durchaus sein, dass die vom Staatsbürgerstatus zugestandene und sogar geformte Ungleichheit nicht mehr länger Klassenunterschiede in jenem Sinn hervorbringt, in dem der Begriff für vergangene Gesellschaften gebraucht wird. Dabei werden die gemeinsamen Wirkungen dreier Faktoren untersucht. Es handelt sich erstens um die Verdichtung an den beiden Enden der Einkommensverteilung, zweitens um die breite Ausdehnung des Bereiches einer gemeinsamen Kultur und gemeinsamer Erfahrungen, und drittens um die Bereicherung des allgemeinen Staatsbürgerstatus, verbunden mit der Anerkennung und Stabilisierung bestimmter Statusunterschiede, hauptsächlich durch die Verknüpfung des Bildungswesens mit dem Beschäftigungssystem. Die beiden ersten Entwicklungen haben die dritte möglich gemacht. Statusunterschiede können hinsichtlich der demokratischen Staatsbürgerrechte den Stempel der Legitimität aufgedrückt bekommen, vorausgesetzt, sie sind nicht zu tiefgreifend und in einer Bevölkerung angesiedelt, die zu einer einzigen Kultur vereinigt ist, und vorausgesetzt, sie sind nicht Ausdruck vererbter Privilegien. Das bedeutet, dass in einer grundsätzlich egalitären Gesellschaft Ungleichheit toleriert werden kann, vorausgesetzt, sie ist nicht dynamisch, d.h. sie erzeugt keine Anreize, die aus Unzufriedenheit entstehen. Es kann sich deshalb herausstellen, dass die durch Staatsbürgerrechte zugelassene und geformte Ungleichheit im wirtschaftlichen Sinn nicht als eine Kraft wirkt, die die freie Verteilung der Arbeitskräfte beeinflusst. Oder dass soziale Schichtung weiterbesteht, soziale Ambitionen aber aufhören, ein normales Phänomen zu sein und zu einem abweichenden Verhaltensmuster werden. In diesem Kontext wird argumentiert, dass Rechte sich vervielfältigt haben, präzise sind, und jeder Einzelne genau weiß, was er beanspruchen kann. Die Pflicht, deren Einlösung am zwingendsten ist und unmittelbare Notwendigkeit für die Befriedigung des Rechts, ist die Pflicht zur Zahlung von Steuern und Versicherungsbeiträgen. Weil diese obligatorisch sind, ist keine Willenserklärung damit verbunden und kein ausgeprägtes Gefühl der Loyalität. Bildung und Militärdienst sind ebenfalls obligatorisch. Die anderen Pflichten sind unbestimmt und in die allgemeine Verpflichtung eingeschlossen, das Leben eines guten Bürgers zu führen und so viel wie möglich dazu beizutragen, die Wohlfahrt der Gemeinschaft zu fördern. Die Gemeinschaft ist aber so groß, dass die Verpflichtung abgehoben und unwirklich zu sein scheint. Von überwältigender Bedeutung ist die Pflicht zu arbeiten, aber die Wirkung der Arbeit eines einzelnen Menschen auf die Wohlfahrt der ganzen Gesellschaft ist so unendlich klein, dass es ihm sehr schwer fällt zu glauben, dass er durch die Verweigerung oder Verringerung seiner Arbeitsleistung viel Schaden anrichten könnte. (ICG2)
Der Beitrag versucht, den Einfluß zu bestimmen, den die Entwicklung der Staatsbürgerschaft auf das System der Ungleichheit in der kapitalistischen Klassengesellschaft hat. Die zentrale These lautet: Soziale Ungleichheit kann unter der Voraussetzung akzeptiert werden, dass der gleiche rechtliche Status aller Mitglieder einer Gesellschaft als "Staatsbürger" garantiert ist. Der Autor beschreibt zunächst die historische Entwicklung staatsbürgerlicher Rechte am Beispiel Englands vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Zur Lösung des problematischen Verhältnisses von kapitalistischer Ökonomie bzw. Ungleichheit und politischer Demokratie entwickelt sich das liberale Modell, das die Dynamik der kapitalistischen Ökonomie bei gleichzeitigem Bemühen um soziale Gerechtigkeit (soziale Marktwirtschaft) akzeptiert. Entscheidende Bedeutung kommt dem Bildungssystem zu, das Chancengleichheit bei der Verteilung von Lebenschancen herstellen soll. (ICA)
Der Beitrag versucht, den Einfluß zu bestimmen, den die Entwicklung der Staatsbürgerschaft auf das System der Ungleichheit in der kapitalistischen Klassengesellschaft hat. Die zentrale These lautet: Soziale Ungleichheit kann unter der Voraussetzung akzeptiert werden, dass der gleiche rechtliche Status aller Mitglieder einer Gesellschaft als "Staatsbürger" garantiert ist. Der Autor beschreibt zunächst die historische Entwicklung staatsbürgerlicher Rechte am Beispiel Englands vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Zur Lösung des problematischen Verhältnisses von kapitalistischer Ökonomie bzw. Ungleichheit und politischer Demokratie entwickelt sich das liberale Modell, das die Dynamik der kapitalistischen Ökonomie bei gleichzeitigem Bemühen um soziale Gerechtigkeit (soziale Marktwirtschaft) akzeptiert. Entscheidende Bedeutung kommt dem Bildungssystem zu, das Chancengleichheit bei der Verteilung von Lebenschancen herstellen soll. (ICA).
Der Beitrag untersucht soziale Klassen, soziale Schichten und soziale Mobilität. Er beginnt mit einer begrifflichen Einordnung dieser drei Konzepte. Soziale Klassen bezeichnen die Stellung von Menschen im ökonomischen System der Gesellschaft. Soziale Schichtung ist die vertikale Gliederung der Gesellschaft als Ausdruck von hierarchisch interpretierten sozioökonomischen Ungleichheiten und den damit legitimierten ökonomischen und sozialen Privilegien. Soziale Mobilität ist der dynamische Aspekt der Zugehörigkeit von Menschen zu Klassen oder Schichten. Vor diesem Hintergrund erläutert die Arbeit das Verhältnis von Klasse und Schicht, das Entstehen von Klassen und Schichten, sowie die Idee der sozialen Mobilität. Anschließend werden Forschungsgrundlagen und Empirie der neueren Zeit zu diesen drei Konzepten untersucht. Der Beitrag schließt mit einer Überlegung zur neueren Entwicklungen der Klassen- und Schichtungsforschung, welche sich vor allem auf die "neue Unübersichtlichkeit" bezieht. (ICG)
Der Autor untersucht den Zusammenhang von Beschäftigungsverhältnissen, ihrer vertraglichen Regelung und der Bildung gesellschaftlicher Klassen. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen der Arbeitsvertrag, die Arbeitsarten und die Dienstleistungsbeziehung. Seine Darstellung wird von der Zielvorstellung geleitet, ein möglichst allgemeines, werturteilsfreies Analyse-Instrument zur Verfügung zu stellen, das die Klassenstruktur moderner Gesellschaften auf der Grundlage der Theorie rationalen Handelns beschreiben und erklären kann. (ICG2)
Die neuen sozialen Bewegungen der letzten Jahre in Frankreich geben nach Meinung des Autors Anlass, darüber nachzudenken, wie die sozialpolitischen Kämpfe die "soziologische" Landschaft der Klassen aktiv neu gestalten können. Es gilt, sich den wiederauflebenden sozialen Konflikten zuzuwenden, um von dort aus die sozio-politischen Klassendynamiken wahrzunehmen, die in der Lage sind, eine zersplitterte Welt der Lohnabhängigkeiit wieder zusammenzuführen. Der Autor skizziert Kontinuitäten und Veränderungen in den sozialen Konflikten von 1995 bis 2003 und erörtert die Frage, was unter einer "Wiederkehr der sozialen Klassen" zu verstehen ist. Es sollte seiner Ansicht nach vor allem danach gefragt werden, wie die prekär gestellten Volksklassen in den sozialen Kämpfen wieder ins Spiel kommen und den intellektuellen Mittelklassen wie den höheren Klassen die Hegemonie in der Produktion politischer Eliten streitig machen können. (ICI2)
Auf der Basis der 3. und 4. Erhebungsrunde des Arbeitswelt-Monitors "Arbeiten in der Corona-Krise" untersucht der Beitrag, wie abhängig Beschäftigte den Umgang ihrer betrieblichen Interessenvertretung mit der Pandemie erleben. Insgesamt zeigt sich eine Mehrheit der Arbeitenden zufrieden mit dem Pandemiehandeln der Betriebs- und Personalräte. Sie machen die Erfahrung, dass die Betriebs- und Personalräte auch in der Pandemie ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte haben und ihre Interessen vertreten. Zugleich weisen die Mitbestimmungserfahrungen aber auch deutliche Klassenungleichheiten (Oesch) auf: Mit den qualifizierten Dienstleistenden, den Routine-Dienstleistenden und den Routine-Arbeiter*innen bewerten gerade jene Klassen die Responsivität und Repräsentativität der Interessenvertretungen signifikant schlechter und zeigen sich seltener zufrieden mit dem Betriebs- und Personalratshandeln, die auch von den negativen Arbeitsfolgen der Pandemie stärker betroffen sind. Die Ergebnisse sind nicht nur wissenschaftlich von Interesse, sondern auch von mitbestimmungspolitischer Relevanz, verstärken die Teilhabedefizite in der Mitbestimmungsarena doch tendenziell die arbeitsweltlichen Benachteiligungen der unteren Klassen in der Pandemie.