Vom Sinnganzen zum Konsens: "Verstaatlichung" und "Vergesellschaftung" der Verfassungsinterpretation in der Bundesrepublik Deutschland
In: Ordnungsmacht?: über das Verhältnis von Legalität, Konsens und Herrschaft, S. 112-129
Abstract
In dem Beitrag wird die These aufgestellt, daß das Ende der Ära Adenauer in der Verfassungsideologie im allgemeinen und in den herrschenden Interpretationsansätzen im besonderen seinen Niederschlag gefunden hat: Mit dem Ende des starken Adenauer-Staates hat eine Pluralisierung des Verfassungsrechts eingesetzt, die den denkbar werdenden - und 1969 schließlich realisierten - Regierungswechsel durch stärkere Einbindung der Opposition in den Verfassungskonsens juristisch vorbereitet, zugleich aber auch sein Veränderungspotential begrenzt hat. Am Beispiel des Methodenwechsels in der Verfassungsinterpretation der BRD wird praktisch erprobt, die Interpretationsmethoden und die von ihnen angedienten Lesarten der Verfassung in eine Beziehung zu setzen zu der politischen Machtstruktur, in die sie investiert werden, d.h. es wird ihre strategische Funktion in einem politischen Kräftefeld analysiert. Mit dem Aufzeigen des Wandels der Interpretationsmethoden wird belegt, daß und in welchem Maße sich politische Macht in die Rechtssprache einschreibt: Die reale gesellschaftliche und politische Macht konservativer Gruppen, die sich seit dem Regierungswechsel von 1969 aus der institutionalisierten Staatlichkeit zum Teil zurückziehen mußten, haben einen Teil der Macht sozusagen als Bargaining-Positionen mitgenommen und so eine für die BRD spezifische Vergesellschaftung der Verfassungsinterpretation herbeigeführt. (RW)
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