Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2008

Die Beziehung EU - Türkei: der Weg zu einer versuchten Zwangsheirat

In: Grenzenlose EU: die Türkei und die Aushöhlung der politischen Union, S. 9-44

Abstract

Vor dem Hintergrund der Darstellung der rechtlichen Grundlagen einer EU-Mitgliedschaft analysiert der Verfasser die Anbindung der Türkei an die USA nach 1945. Es wird die These vertreten, dass im Rahmen des Aufnahmeverfahrens im Zusammenhang mit der Türkei in großem Maße von den bisher üblichen Verfahren zugunsten der Türkei abgegangen wurde. Dabei haben die europäischen Entscheidungsträger außenpolitischen Überlegungen Vorrang vor der europäischen Politik und dem europäischem Recht eingeräumt. Wenn die Türkei ernsthaft und als gleichberechtigter Partner mit der EU verhandeln will, dann wird sie darauf verzichten müssen, den großen Bündnispartner aus Übersee um Hilfe zu bitten und intervenieren zu lassen. Es wird der Frage nachgegangen, wie lange die europäischen Staaten und ihre Regierungen die amerikanischen Einmischungen in wichtige interne EU-Angelegenheiten - z. B. die Aufnahme neuer Mitglieder - hinnehmen können. Wenn die EU wirklich ein ernstzunehmender globaler Akteur sein will, so der Verfasser, müsste sie auch in der Lage sein und die politische Stärke haben, ihre Aufnahmepolitik autonom festzulegen und nicht von Dritten mitbestimmen zu lassen. Neben den USA ist Großbritannien der wichtigste Verbündete Ankaras und ein starker Verfechter der türkischen EU-Ambitionen. Großbritannien steht dem mehrheitlich angestrebten Ziel einer dichteren politischen Integration, d. h. der Idee eines politisch geeinten Europa, ablehnend gegenüber. Offensichtliches Ziel der britischen Erweiterungspolitik ist es auch, die EU in Richtung einer großen europäischen Freihandelszone zu steuern, die der britischen Wirtschaft entgegenkommt, ohne die britische Souveränität zu beschneiden. Hier decken sich die britischen mit den türkischen Interessen. Auch von Ankara ist nicht zu erwarten, dass es zu einem Verfechter einer starken politischen Verdichtung wird. Vielmehr zielen die türkischen Bemühungen auf den Beitritt zu einer Gemeinschaft, die der Türkei vor allem wirtschaftliche Vorteile bringt, ab. Die EU hat sich jedoch spätestens seit Maastricht deutlich in Richtung einer politischen Union weiterentwickelt. Von einer Weiterführung des europäischen politischen Projekts und der Vertiefung der Integration kann wohl nach einem Beitritt der Türkei keine Rede mehr sein, zumal die integrationskritische britische Politik dann in Ankara einen gewichtigen Partner hätte. Doch auch die USA spielen in genau dieser Politik der Integrationshemmung eine wichtige Rolle. Auch in Washington ist man bemüht, das Zusammenwachsen Europas zu einem starken westlichen weltpolitischen Akteur zu verhindern, um nicht die westliche Führungsrolle teilen zu müssen. Nach dem Prinzip "Teile und herrsche" wird die integrationsfeindliche britische Position ebenso unterstützt, wie die Beitrittsbemühungen der Türkei, von der eine ebensolche Politik der Schwächung der europäischen Integration zu erwarten ist. Es wird argumentiert, dass der Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei die EU-Ambitionen zahlreicher Länder am Balkan, in Osteuropa, aber auch in Nordafrika stärkt. Sollten sich diese Bestrebungen, die von manchen EU-Staaten durchaus unterstützt werden, zu einer konkreten Erweiterungspolitik der EU entwickeln, würde dies nicht nur die Natur der Europäischen Union und ihre Identität grundlegend verändern, sondern es würde auch das Ende des europäischen Projektes bedeuten, wie es von den Gründungsvätern konzipiert wurde. (ICG2)

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