Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2008

Die Kosten einer Türkei-Mitgliedschaft für die EU und ihre Finanzierung

In: Grenzenlose EU: die Türkei und die Aushöhlung der politischen Union, S. 169-180

Abstract

Die Verfasser zeigen, dass es eine sehr lange Zeit - mehrere Jahrzehnte - dauern wird, bis die wirtschaftlich schwächeren Mitglieder annähernd das Niveau der EU-15 erreicht haben werden. Somit wird der EU-Haushalt in der Zukunft laufend vor neuen Herausforderungen stehen. Da die Haushaltssituation der EU schon heute äußerst angespannt ist, wird es vor allem im Agrar- und Strukturbereich zu Umverteilungen kommen müssen. Die Umverteilungen im Bereich der EU-Regionalhilfe sind bereits im Zusammenhang mit der großen EU-Erweiterung erheblich, da die Erweiterung das Wohlstandsgefälle und damit die Zahl der unter der 75%-Schwelle liegenden Regionen erheblich erhöht hat. Durch die Aufnahme der Türkei in die EU würden zahlreiche Regionen, die derzeit Strukturhilfe erhalten, infolge des starken Absinkens des durchschnittlichen BIP in der EU die Förderfähigkeit verlieren. Dies gilt nicht nur für Ostdeutschland, Spanien, Süditalien und Portugal, sondern auch für viele Regionen in den neuen EU -Staaten. Gleichzeitig mit einer Beschränkung des Agrarbudgets wird man immer mehr Mitglieder bedienen müssen. Die Nettozahlerstaaten der EU, die zunehmend mit ihrer eigenen Haushaltssituation erhebliche Schwierigkeiten haben, werden sich in Zukunft verstärkt für eine Beschränkung ihrer Zahlungen einsetzen und keine weiteren Erhöhungen hinnehmen wollen und können. Die Einführung einer Europasteuer werden sich auch die in vieler Hinsicht enttäuschten EU-Bürger nicht gerne gefallen lassen. Ihre Unterstützung für das Projekt der europäischen Integration ist jedoch sehr wichtig. Ebenso ist es notwendig, den Wirtschaftsstandort Europa zu fördern und nicht durch zusätzliche Steuern zu belasten. Eine andere Möglichkeit zur Finanzierung weiterer Beitrittsländer wird darin gesehen, den bisherigen und zukünftigen Nettoempfängern die Transferzahlungen zu kürzen, also umzuverteilen. Hierbei erscheint es fraglich, ob dies im Sinne der Kohäsionspolitik zielführend ist beziehungsweise überhaupt politisch durchgesetzt werden kann. Es wird argumentiert, dass eine erfolgreiche Integration der Türkei in die EU unkalkulierbar hohe Finanzmittel für den Zeitraum mehrerer Generationen erfordert. Zur Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung der Türkei werden früher oder später erhebliche Transferzahlungen notwendig sein, denn aus eigener Kraft wird die Türkei einen Anschluss an Europa kaum schaffen können. Die Türkei wird aufgrund ihrer Größe und wirtschaftlichen Rückständigkeit über Jahrzehnte hinweg den wichtigsten Nettoempfänger der EU darstellen und einen erheblichen Teil der Finanzmittel, die der EU zur Umsetzung ihrer Politiken zur Verfügung stehen, in Anspruch nehmen. Die Schwierigkeiten bezüglich der Verteilung der EU-Haushaltsmittel ist nur ein Aspekt von vielen. Die Risiken und möglichen negativen Auswirkungen für die EU überwiegen bei weitem die (keineswegs gesicherten) Vorteile einer Türkei-Mitgliedschaft. Der Beitritt der Türkei zur EU hat weitreichende Konsequenzen für die Zukunft der Europäischen Gemeinschaft und muss im Interesse nachkommender Generationen gut überlegt sein. Unvorsichtige Fehlentscheidungen der Vergangenheit dürfen nicht wiederholt werden. Der gesamte Integrationsprozess in Europa wäre sonst ernsthaft gefährdet. (ICG2)

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