Interessenvermittlung und Regierbarkeit
In: Verbände und Staat: vom Pluralismus zum Korporatismus ; Analysen, Positionen, Dokumente, S. 92-114
Die gegenwärtige Diskussion um "Regierbarkeit" und "Unregierbarkeit", die in verschiedenen westeuropäischen Ländern geführt wird, ist nicht nur durch begriffliche Unklarheiten, sondern auch durch unterschiedliche Erklärungsmuster gekennzeichnet. Der Verfasser versucht zu zeigen, daß die unterschiedlichen Grade der Regierbarkeit nicht so sehr durch "objektive" Größen wie gesamtwirtschaftliche Leistung oder soziale Konflikte beeinflußt werden, sondern in erster Linie von der jeweiligen Form abhängen, in der verschiedenartige Interessen zwischen Gesellschaft und Staat vermittelt werden. Wichtige Erklärungsfaktoren für die Regierbarkeit eines Landes sind Breite der Repräsentanz, Dichte der Mitgliedschaft und die korporatistische Struktur. Der Beitrag legt im einzelnen dar, wie sich die Strukturen der Interessenvermittlung in verschiedenen politischen Systemen unterscheiden. Um die Interessenpolitik in Westeuropa zu erfassen, ist es sinnvoll, auf die Begriffe Pluralismus, Korporatismus und Syndikalismus zurückzugreifen. Bei den drei Typen der Beziehung von Staat und Interessenverbänden unterscheidet der Verfasser jeweils eine gesellschaftliche und eine staatliche Variante. So gewinnt man sechs verschiedene Typen zur adäquaten Beschreibung der strukturellen Interessenverflechtung; in einem Land können jedoch verschiedene Typen gemischt sein oder es können beispielsweise bestimmte Typen in einzelnen Sektoren oder Regionen vorherrschen. Um die Unterschiede in Westeuropa zu erläutern, skizziert der Beitrag die Hauptentwicklungsphasen der Herausbildung von Interessenverbänden und zeigt einige Bedingungen für bestimmte Typen der Interessenvermittlung. Der gesellschaftliche Korporatismus ist am ehesten in der Lage, die "Regierbarkeit" aufrechtzuerhalten. (JL)