Religion und Gewalt
In: Der Islam - Religion und Politik, S. 23-36
Im Zentrum des Aufsatzes steht das Thema Religion und Gewalt, das nach den Anschlägen vom 11. September 2001 stark diskutiert wird. Zunächst geht der Autor auf Täter, Motive und Hintergründe des Terroranschlags ein. Ist dieser militante Islam ein Sonderfall oder kommen in der "Djihadisierung" des Islam Kräfte zum Zug, die auch in anderen Religionen wirksam sind? Handelt es sich speziell um ein Problem monotheistischer Religionen? In der Diskussion kommt der Autor zu dem vorsichtigen Schluss, dass Religion und Gewalt nicht in einem systematischen Zusammenhang stehen, aber miteinander historisch-kontingente Verhältnisse eingehen. Für Judentum, Islam und Christentum gilt: alle drei entfalten sich in einer archaischen Welt, in der Gewalt als Machterweis des Göttlichen eine Rolle spielen; alle drei gehen aber auch über diese Phase hinaus und weisen Elemente der Gewaltkritik und Gewaltbegrenzung auf; Rückfälle in der Anwendung religiös motivierter Gewalt gibt es sowohl beim Christentum als auch beim Islam (Das Judentum des Exils ist durch die geschichtlichen Umstände von dieser Versuchung frei). Um der Frage nachzugehen, wie die monotheistischen Religionen zu gemeinsamen Einsichten bezüglich der Gewaltbegrenzung gelangen können, müssen die Begriffe Opfer und Martyrium näher untersucht werden. Im Djihadismus ist die Grenze zwischen Martyrium und Selbstmord, Blutzeugnis und mörderischem Kampf verwischt und bisher war keine maßgebliche geistliche Autorität bereit, sie neu zu fixieren und zu festigen. Dies zeigt sich daran, dass in den islamischen Ländern der Begriff des "Selbstmordattentäters" bis heute nicht in die eigene Berichterstattung übernommen wurde, stattdessen ist von "Glaubenskämpfern", "Gotteskämpfern" oder "Martyrern" die Rede. Ein interreligiöser Dialog müsste hier zu gemeinsamen Werten und Überzeugungen kommen. (Fr2)