Aufsatz(gedruckt)1973

Organisationsinterne Prozesse in kooperativen Gewerkschaften

In: Leviathan: Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Band 1, Heft 2, S. 242-253

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Abstract

Im Spätkapitalismus übernehmen die kooperativen Gewerkschaften die Funktion von Vermittlungsorganen zwischen den Interessen der Lohnabhängigen und den Erfordernissen des Kapitalwertungsprozesses. Bei der Analyse organisationsinterner Abläufe dieser Gewerkschaften soll die Frage nach der Rolle der Mitglieder und der Mitgliederinteressen im Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß beantwortet werden. Bleiben in den Theorien von M. Weber, R. Michels oder S. M. Lipsets die Mitgliederinteressen weitgehend berücksichtigt, so können auch die linken Analysen (Eschenbach, Lotta Continua), die die Gewerkschaftsbürokratie als reinen Disziplinierungsapparat der Arbeiterinteressen ausweisen, nicht befriedigen. Empirische Daten aus der Analyse von vier deutschen (BRD) Gewerkschaften zeigen, daß zwar der überwiegende Teil der organisierten wie auch der nichtorganisierten Arbeitnehmer in der Gewerkschaft die unbedingt notwendige Interessenvertretung sieht, aber nur ein verschwindender Prozentsatz beteiligt sich direkt an einem organisationsinternen Willensbildungsprozeß. Ein offensichtlicher Widerspruch, der im folgenden analysiert werden soll: Eine kooperative Gewerkschaft sieht sich mit zwei innerorganisatorischen Hauptproblemen konfrontiert: Die Vorstandsentscheidungen müssen durch demokratische Organe und Willensbildungsprozesse legitimiert werden, um vor den Mitgliedern den Schein einer demokratischen Vertretung ihrer Interessen zu wahren. Weiter muß die kooperative Gewerkschaft die ökonomischen Bedingungen des kapitalistischen Systems und die tarifpolitischen Spielregeln der Arbeitgeberorganisationen im Auge behalten. Um nicht an dieser Widersprüchlichkeit zu zerbrechen, sind die organisationsinternen Prozesse einer kooperativen Gewerkschaft durch eine Reihe restriktiver Maßnahmen gekennzeichnet, die verhindern sollen, daß Proteste oder unliebsame Basisaktivitäten die Legitimationspolitik der Gewerkschaftsführung stören könnten. Die Legitimität solcher Restriktionen bzw. letztendlich die Richtigkeit von Vorstandsentscheidungen werden in Konfliktsituationen dadurch erbracht, daß Gewerkschaftsmitglieder weder offen gegen die Führung rebellieren, noch die Organisation verlassen, denn es bietet sich für sie keine Alternative. (MM)

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