Aufsatz(elektronisch)2008

Doping: der entfesselte Leistungssport

In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Heft 29/30, S. 24-31

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Abstract

In einer soziologischen Perspektive, so die Verfasser, steht fest: Doping ist nicht das Resultat isolierter individueller Entscheidungen, die etwa auf Grundlage eines schlechten Charakters oder fehlgeleiteter Siegesambitionen getroffen würden. Doping ist vielmehr als ein "normaler Unfall" anzusehen, der sich im heutigen Spitzensport aufgrund genau benennbarer sozialer Bedingungen immer wieder neu ereignet. Die starke Dopingneigung, die in vielen Disziplinen zu beobachten ist, wird strukturell erzeugt. Sie ist das unbeabsichtigte Ergebnis des Zusammenwirkens unterschiedlichster Interessen aus Leistungssport, Wirtschaft, Politik, Massenmedien und Publikum. Das paradoxe Ziel leistungssportlichen Handelns besteht darin, niemals ein Endziel der Leistungsentwicklung festzuschreiben. Die einzige Freiheit, die individuelle Akteure in einer derart rigide vordefinierten Situation haben, besteht darin, sich dem Code nicht zu unterwerfen, den Spitzensport zu meiden oder nach einschlägigen Erfahrungen schnell wieder zu verlassen. Wer hingegen an organisierten Wettkämpfen Spaß hat, weil er sich dort vor den Augen eines zuschauenden Publikums mit Konkurrenten messen möchte, hat sich mit der Sieg/Niederlage-Orientierung zu arrangieren. Es wird verdeutlicht, dass eine personenfixierte und lediglich auf Kontrolle, Bestrafung und ethische Aufrüstung setzende Auseinandersetzung mit der Dopingproblematik vollkommen an der Sache vorbeigeht. Die Ursachen und Dynamiken der Abweichung sind auf der überpersonellen Ebene komplexer gesellschaftlicher Konstellationen angesiedelt. Entscheidend ist, dass auch diejenigen Akteure, von denen der Erfolgsdruck ausgeht, diesen nicht einfach abstellen können. Auch sie handeln nicht aus freien Stücken und regen nicht mutwillig zu Normverstößen an, sondern unterliegen ihrerseits strukturellen Zwängen. Letztlich handelt jeder Akteur aus seiner Sicht völlig rational: Wirtschaftsunternehmen wollen mit dem Spitzensport werben und Produkte verkaufen; staatliche Instanzen wollen Nähe zum Sportpublikum herstellen, und Politiker sind darauf aus, die eigene Wählbarkeit zu steigern; Medien wollen ihre Einschaltquoten und Auflagen erhöhen und das Publikum will an spannenden Sportereignissen teilhaben. Ein Resultat des Zusammenwirkens all dieser nachvollziehbaren und legitimen Interessen ist Doping. (ICF2)

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