Sammelwerksbeitrag(gedruckt)1989

Der verallgemeinerte und der konkrete Andere: Ansätze zu einer feministischen Moraltheorie

In: Denkverhältnisse: Feminismus und Kritik, S. 454-487

Abstract

In dem Beitrag wird diskutiert, ob der Feminismus einen Beitrag zur Moralphilosophie leisten kann: Können die Männer und Frauen, die die Geschlechterordnung der Gesellschaft als repressiv und die Emanzipation der Frau als wesentlich für die menschliche Befreiung erachten, die traditionellen Kategorien der Moralphilosophie in einer für die Emanzipation der Frau wie die menschliche Befreiung förderlichen Weise kritisieren und analysieren? Unter besonderer Berücksichtigung der Arbeiten Caral Gilligans wird in diesem Sinn ein feministischer Beitrag zur Moralphilosophie entwickelt. Es wird gezeigt, daß die kontextgebundene und narrative Struktur der moralischen Urteile von Frauen kein Zeichen der kognitiven Schwäche und des Mangels ist, sondern Ausdruck einer Sichtweise moralischer Reife, die das Selbst als ein in einem Netz von Beziehungen mit anderen eingebettete Wesen begreift. Gemäß dieser Auffassung wird die moralische Reifung und Entwicklung von der Achtung der gegenseitigen Bedürfnisse und der gemeinsamen Anstrengungen, diese zu befriedigen, getragen. Am Beispiel der Kohlberg-Gilligan-Kontroverse wird gezeigt, wie die Befürworter des alten Forschungsparadigmas auf diese Herausforderung reagieren. Es wird die These erläutert, daß die zeitgenössische universalistische Moraltheorie den Dualismus zwischen Autonomie und Fürsorge, Unabhängigkeit und Bindung der Sphäre der Gerechtigkeit und dem häuslichen, persönlichen Bereich übernommen hat. Dies wird besonders offensichtlich in dem Versuch, den moralischen Standpunkt auf die Perspektive des "verallgemeinerten Anderen" einzuschränken. Die Frauenbewegung macht deutlich, daß es notwendig ist, jene psychosexuellen Beziehungen in der häuslichen und privaten Sphäre zu problematisieren, innerhalb derer sich das Leben von Frauen entfaltet und durch die Geschlechtsidentität reproduziert wird. (ICA)

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