Sammelwerksbeitrag(elektronisch)2007

Hält die Doppelstruktur des Wohlfahrtsstaates noch?: Anmerkungen zum historischen und gegenwärtigen Verhältnis von Sozialpolitik und Sozialpädagogik

In: Soziale Arbeit zwischen Ökonomisierung und Selbstbestimmung, S. 207-230

Abstract

Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit der historischen Arbeitsteilung zwischen Sozialer Politik und Sozialer Pädagogik zeigt der Verfasser, dass in der sozialreformerischen Tradition Deutschlands sich die Aufgabe sozialer Kontrolle in eine spezifische arbeitsteilige Doppelstruktur ausdifferenziert hat: einerseits sanfte Kontrolle durch Soziale Arbeit, die auf pädagogische und therapeutische Mittel setzt und andererseits ein gesetzlich verankertes Hilfesystem von sozialpolitischen Leistungen, das auf den Gedanken von gesellschaftlicher Solidarität und verbrieften Leistungsansprüchen beruht. Diese Doppelstruktur ist aber keineswegs ohne Widersprüche. Sie wird vielmehr durch die Geschichte hindurch immer wieder problematisiert und in Frage gestellt. In diesem Kontext wird der Frage nachgegangen, ob die prominent gewordene, viel benutzte Formel vom 'aktivierenden Staat' und seinem Leitprinzip des 'Fördern und Fordern' das Verhältnis von Sozialer Politik und Sozialer Pädagogik mit weit reichenden Folgen verändert oder ob sie 'nur' eine neue Seite des Widerspruchs von Politik und Pädagogik hervorkehrt und dramatisiert. Es wird argumentiert, dass die gegenwärtige, auf Etatkürzungen im Sozialbereich einerseits, auf die Verlagerung der Verantwortung auf die zivilgesellschaftliche oder individuelle Ebene andererseits ausgerichtete Politik nicht nur die aktuellen Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit auf der Personal-, Einrichtungs- und Maßnahmenebene bedroht. Sie verstärkt vielmehr die Gefahr, die Legitimationsgrundlagen moderner Sozialarbeit zu zerstören, die auf einer historischen Arbeitsteilung und einem Funktionsgleichgewicht zwischen Sozialer Politik und Sozialer Pädagogik beruhen. Das pädagogisch-sozialpädagogische Handeln der Sozialarbeit lässt sich rechtfertigen nur in der Arbeitsteilung und Kooperation mit einer Sozialpolitik, die die strukturellen und materiellen Hilfen für die in 'Not' Geratenen bereithält, so dass Sozialarbeit sich auf 'Psychosoziale Hilfen' konzentrieren kann. Dieser gleichsam moralische Schaden wiegt letztlich sogar schwerer als die fiskalischen Probleme. Er betrifft eine historisch gewachsene Struktur, die sich, wenn sie einmal zerstört ist, bei Bedarf nicht beliebig reproduzieren lässt. (ICG2)

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