Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2011

Der Triumph des Liberalismus: ein Nachruf

In: Der Staat: wie viel Herrschaft braucht der Mensch?, S. 154-171

Abstract

In der postbürgerlichen Massendemokratie, die auf ihre moralische Permissivität sich so viel zugute hält, ist die Tendenz zur Normierung und Disziplinierung nicht verschwunden, sondern sie ist im Gegenteil bis in die Kapillaren des sozialen Lebens eingedrungen und erfasst selbst die Sprache und die Gedanken der Individuen selber. Anders als im Hochliberalismus geht es aber nicht mehr um öffentliche Tugenden, denen ein privater Raum staatlich respektierter Freiheit gegenübersteht, sondern es geht um private Vorlieben und Laster, Ideen, Meinungen und Idiosynkrasien der in der Masse vereinzelten Individuen selber, denen in der massenmedial durchdrungenen und elektronisch ausgeleuchteten Lebenswelt kein Arkanbereich mehr bleibt. Dabei ist es gerade die Erosion dessen, was Hegel einmal "substanzielle Sittlichkeit" nannte, das heißt die Erosion tradierter Formen des Benehmens im öffentlichen Raum und des respektvollen Umgangs mit sich selber, welche die explizite, sanktionsbewährte Mikronormierung des Alltagslebens hervortreibt, die dann nach ihrer eigenen Logik in immer feinere Kanäle sich verzweigt: Die libertären Swingerhelden des Konsums, die heute das kulturelle Leitbild und das medial vermittelte moralische Rollenmodell abgeben, tanzen nach einer sorgfältig inszenierten Choreografie und werden dabei von einem immer ausgefeilteren Beobachtungs- und Datenspeicherungsapparat kontrolliert. Schließlich muss gerade der moralisch permissive und als egalitär propagierte Hedonismus einer auf political correctness getrimmten Spaßgesellschaft aufs penibelste reglementiert sein, soll sie nicht ganz anomisch werden. (ICF2)

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