Aufsatz(gedruckt)2008

Stiftungsstaat: zur Governance durch Stiftungen

In: Vorgänge: Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, Band 47, Heft 2, S. 113-124

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Abstract

Der Verfasser argumentiert, dass die Trennung von Staat und Zivilgesellschaft, wie sie die staatstheoretischen Debatten heute noch bestimmt, künstlich ist. Sie verkennt die enge Verzahnung und wechselseitige Angewiesenheit von ziviler und politischer Gesellschaft in modernen kapitalistischen Gesellschaften. Die Tatsache, dass zivilgesellschaftlichen Akteuren bei diesen Aushandlungsprozessen eine immer größere Bedeutung zukommt, ist zwiespältig einzuschätzen. Einerseits birgt diese Entwicklung durchaus das Potential wachsender demokratischer Partizipationsmöglichkeiten, die über die traditionellen Verfahren politischer Beteiligung hinausreichen. Andererseits wächst in dem Maße, wie zivilgesellschaftliche Akteure sich zunehmend am gesellschaftspolitischen Agenda Setting beteiligen, die Gefahr der Vereinnahmung von gesellschaftlichen Reformprozessen durch mächtige private Akteure, die ihre jeweiligen Partikularinteressen verfolgen. Am Beispiel der bildungspolitischen Aktivitäten der Bertelsmann-Stiftung wird dieser ambivalente Charakter der Zivilgesellschaft verdeutlicht. Die Unternehmensstiftung verfolgt mit ihrer Strategie einer Ökonomisierung des Bildungssystems, als ein zivilgesellschaftlicher Akteur unter anderen. Problematisch wird es in dem Moment, wo die Stiftung, die auf die ökonomischen und medialen Ressourcen eines der weltweit größten Medienunternehmen zurückgreifen kann, mit Hilfe der daraus resultierenden Machtvollkommenheit den bildungspolitischen Diskurs mit ihrem Agenda Setting einseitig dominiert. Indem es ihr gelingt andere zivilgesellschaftliche Akteure von ihrer an wirtschaftlichen Effizienzkriterien orientierten Reformstrategie zu überzeugen, wirkt sie gleichsam als Transmissionsriemen einer Ökonomisierung des Bildungssystems. Das Beispiel der Governance durch Stiftungen macht deutlich, dass von dem Staat, im Sinne eines selbstbewusst agierenden Souveräns, nicht gesprochen werden kann. Vielmehr konstituieren staatliche Aktivitäten, wie immer sie auch formell und institutionell organisiert sind, ein Herrschaftsgefüge, in dem eine spezifische Figuration sozialer Machtverhältnisse zum Ausdruck kommt. Gesellschaftliche Reformen können daher nicht vom Staat ausgedacht werden, sondern sind das Ergebnis gesellschaftlicher Machtkämpfe. Die Aufklärung über die jeweiligen gesellschaftlichen Machtverhältnisse ist mithin die Voraussetzung für die Möglichkeit demokratischer Partizipation. (ICF2)

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