Kriminelles Verhalten verweist nicht nur auf moralisches Versagen, Kontroll- oder Abschreckungsdefizite, sondern häufig auf strukturelle Zwänge. Vor diesem Hintergrund stellt der Verfasser Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen sozialen Ungleichheiten und Delinquenz in der Schweiz vor. Dabei zeigt sich zum einen, dass die von der Polizei registrierte Delinquenz beträchtlich zwischen den Kantonen variiert. Zum anderen spricht eine multivariate Analyse dafür, dass sich ein Mehr an Ungleichheit nicht in allen Kantonen in einer höheren Kriminalitätsbelastung niederschlägt. (ICE2)
Um die Eigenart des Sozialstaats Schweiz herauszuarbeiten, nimmt der Verfasser zwei Diagnosen zum Ausgangspunkt, welche die Schweiz je unterschiedlich verorten. Der französische Ökonom Michel Albert beschreibt zwei Typen von Kapitalismus, den rheinischen Kapitalismus sowie den neoamerikanischen Kapitalismus und rechnet die Schweiz dem rheinischen Modell zu. Esping-Andersen dagegen unterscheidet anhand der beiden Dimensionen Dekommodifizierung und Destratifizierung drei Typen von Wohlfahrtsregimen, nämlich den liberalen Typus, den rheinischen Kapitalismus konservativer Prägung und den sozialdemokratischen Typ. Im Gegensatz zu Albert ordnet er die Schweiz dem liberalen Typus zu. Da sich Esping-Andersen auf Daten aus dem Jahre 1980 bezieht und Albert auf Daten jüngeren Datums, geht der Autor der Frage nach, ob die unterschiedliche Zurechnung auf eine zwischenzeitliche Veränderung des Sozialstaats Schweiz zurückgeführt werden kann. Er argumentiert, dass die Schweiz sowohl einen Sonderfall im rheinischen Kapitalismus bildete als auch einen Sonderweg in der Welt des liberalen Wohlfahrtskapitalismus beschritt. Nach einer Erörterung von Argumenten, die für die liberale bzw. rheinische Klassifikation des Landes sprechen, zieht er eine Reihe von Indikatoren für die wohlfahrtsstaatliche Entwicklung heran und führt zwei Clusteranalysen mit Daten für die frühen 1980er Jahre und aktuellen Werten durch. Er kommt zu dem Schluss, dass die Schweiz damals im europäischen Cluster tatsächlich ein (liberaler) Sonderfall war, dass sie seither in der Welt des liberalen Wohlfahrtskapitalismus aber einen Sonderweg hin zum rheinischen Modell beschritten hat und heute in Kontinentaleuropa keine Sonderstellung mehr einnimmt. (ICG2)
"Atypische Arbeitsverhältnisse sind auch in der Schweiz mit rechtlichen Unsicherheiten und Exklusionsrisiken verbunden. So sind Beschäftigte in unterschiedlichen atypischen Erwerbsformen allesamt mit einem segmentierten und schwach regulierten Arbeitsmarkt konfrontiert, der den Übergang in ein exklusionsresistentes Normalarbeitsverhältnis behindert. Interviews mit Betroffenen sprechen zudem dafür, dass die Mobilitätschancen je nach milieubedingtem Ressourcenrepertoire (Erwerbshabitus) variieren und sich mindestens sechs typische Bewältigungsstrategien identifizieren lassen" (Autorenreferat)
"Atypische Arbeitsverhältnisse sind auch in der Schweiz mit rechtlichen Unsicherheiten und Exklusionsrisiken verbunden. So sind Beschäftigte in unterschiedlichen atypischen Erwerbsformen allesamt mit einem segmentierten und schwach regulierten Arbeitsmarkt konfrontiert, der den Übergang in ein exklusionsresistentes Normalarbeitsverhältnis behindert. Interviews mit Betroffenen sprechen zudem dafür, dass die Mobilitätschancen je nach milieubedingtem Ressourcenrepertoire (Erwerbshabitus) variieren und sich mindestens sechs typische Bewältigungsstrategien identifizieren lassen" (Autorenreferat, IAB-Doku)
Der Verfasser geht der Frage nach, in wie weit der paradigmatische Anspruch des Flexicurity-Konzeptes, wie er u.a. von der Europäischen Union formuliert wird, in den Ländern der EU und darüber hinaus in die Tat umgesetzt wurde. Das Konzept Flexicurity bildet eine begriffliche Synthese von flexiblen Arbeitsmärkten und sozialer Sicherheit und lässt sich daher definieren als eine politische Strategie, die einen hohen Grad an Flexibilität des Arbeitsmarkts mit einem hohen Grad an sozialer Sicherheit zu verbinden versucht. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die numerische Flexibilität vornehmlich durch eine Deregulierung der Arbeitsmärkte bzw. Liberalisierung des Arbeitsrechts erhöhen lässt. Parallel dazu wird die soziale Sicherheit durch einen hohen Grad an Dekommodifizierung bzw. Substitutierung von Einkommenseinbußen und tiefen Anspruchsschwellen bei Arbeitslosigkeit, Alter oder Krankheit institutionell verankert. Flexicurity impliziert idealiter, dass Beschäftigte sowohl in normalen als auch atypischen Arbeitsverhältnissen einerseits über weniger arbeitsrechtlichen Schutz, andererseits aber im Falle des Verlusts des Arbeitsplatzes über eine überdurchschnittliche soziale Absicherung verfügen. Der Autor analysiert den Einfluss flexibilisierter Arbeitsmärkte auf die soziale Exklusion. Er stützt sich bei seiner Analyse auf zahlreiche gut eingeführte Indizes zum Bereich Flexicurity, Arbeitsmarkt und Exklusion und zeigt, dass neben Dänemark und der Niederlande, den Musterbeispielen für Flexicurity, auch Schweden eine konsequente Flexicurity-Politik implementiert hat. Über das Konzept der Flexicurity kann der Konflikt zwischen Flexibilisierung auf der einen Seite und Exklusion bzw. Ungleichheit auf der anderen Seite der Meinung des Autors nach entschärft werden. (ICG2)
Der Beitrag zur Arbeitsmarktpolitik in der Schweiz betrachtet das Phänomen der Solidarität unter Arbeitnehmern und Arbeitslosen. So garantiert der Sozialstaat nicht mehr die Solidarität von 'Arbeithabenden' gegenüber Arbeitslosen, sondern sorgt mittels pädagogischen und psychologischen Maßnahmen dafür, dass die passiven Konsumenten wohlfahrtsstaatlicher Leistungen nicht mehr die Sozialwerke und 'echten Bedürftigen' ausbeuten. In einem ersten Schritt werden zunächst die Charakteristika und Spezifika des schweizerischen Arbeitsmarktes dargestellt. Der zweite Schritt beschreibt sodann die Entwicklung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, die von der Einrichtung solidarischer Arbeitslosenkassen 1947 bis zur Aktivierungspolitik für den Arbeitsmarkt seit den 1990er Jahren reicht. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Vermittlungsbereitschaft und -fähigkeit von Langzeitarbeitslosen. Der dritte Schritt umfasst einen Ausblick auf arbeitsmarktspezifische Problemfelder, mit denen die Schweiz mittel- und langfristig konfrontiert wird. Dabei drängt sich das Fazit auf, dass die aktuelle Arbeitsmarktpolitik seit den 1990er Jahren wieder verstärkt der Logik der Lohnarbeitszentrierung folgt und die Arbeitnehmer-Solidarität unterminiert. (ICG2)
In general, corporations are not isolated actors in an economic "war of all against all" but members of corporate networks of global reach. Although the literature on globalization emphasizes the increasing economic power of these networks and postulates the formation of a transnational capitalist class, there is still a lack of empirical findings. The article starts with a review of theoretical perspectives (resource dependence, social capital, coordination of markets, financial hegemony, class hegemony, inner circle, and transnational capitalist class) which focuses on the functions and structures of corporate interlocks at the national and the transnational level. The subsequent section offers an outline of empirical studies concerning transnational corporate networks. These analyses of corporate ties (interlocking directorates, financial participations and policy group affiliations) suggest the emergence of transnational economic elites whose members, however, have not lost their national identity. In the final section, the theoretical perspectives will be assessed and some prospects are sketched out. Finally, it will be argued that the disintegration of the world society, which is considerably driven by rent-seeking corporate networks, can only be restrained if a potential global regulatory agency will be anchored in a post-Washington consensus.
Der von der Mont Pélerin Gesellschaft (MPS) initiierten neoliberalen Bewegung geht es darum, den Triumph der "liberalen Utopie" eines von "staatlichen Fesseln befreiten" Kapitalismus mit Hilfe eines Netzwerkes von Think Tanks, Hochschulinstituten und Publikationsorganen zu bewerkstelligen. Die Analyse der Entwicklung und Expansion dieses Diskursnetzwerkes bildet die Kernaufgabe dieses Beitrags, wobei Wert darauf gelegt wird, dass unter "Neoliberalismus" eine Variante des Liberalismus verstanden wird, die im Unterschied etwa zum Ordoliberalismus den alten Laissez-Faire-Liberalismus nicht revidiert, sondern in neuen terminologischen Schläuchen revitalisiert. Nach einer Skizze des Gründungskontexts und der Marginalisierung des Ordoliberalismus in der MPS stehen Hayeks Vorschlag, die "neoliberale Utopie" mittels Sympathisanten in Hochschulen und Massenmedien (sogenannte "second-hand dealers in ideas"), zu diffundieren, sowie die gegenwärtige Struktur des globalen neoliberalen Advocacy Tank-Netzwerks im Vordergrund. Der letzte Abschnitt befasst sich schließlich mit den zentralen Akteuren, d. h. Personen und Organisationen, im schweizerischen Subnetzwerk. Aus soziologischer Sicht sind die Strukturen des neoliberalen Netzwerks deshalb von Interesse, weil Macht in erster Linie der menschlichen Fähigkeit entspringt, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln. Sollte sich folglich die Arbeitshypothese bewähren, wonach der Neoliberalismus von einem gut strukturierten und dichten Netzwerk getragen wird, würde dies ein erhebliches politisches Mobilisierungs- und Einflusspotential implizieren. (ICB2)
"Während Hermann Schwengel (in diesem Band) die Entwicklung globaler Elitekonstellationen 'im großen Ganzen' (wenngleich verankert im Elementaren) zu konturieren versucht, greift Michael Nollert sich konkret eine der neuen transnationalen Wirtschaftseliten heraus, den Elitezirkel des European Roundtable of Industrialists (ERT), und gibt sowohl Einblick in dessen Struktur und innere personelle Organisation als auch einen Aufriss seiner Wirkungsgeschichte. Nollert überträgt Useems Inner-Circle-These auf transnationale Elite-Netzwerke und überprüft sie am Beispiel des ERT. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich auf globaler Ebene eine intern vernetzte, kosmopolitisch orientierte Wirtschaftselite ("world class") mit hohem Kohäsionsgrad gebildet habe. An der Entwicklung des ERT zeigt Michael Nollert Vernetzungstendenzen auf, die - jenseits von immer wieder akut aufflackernder Konkurrenz zwischen den Mitgliedern - vor dem Hintergrund einer gemeinsamen wirtschaftsstrategischen Position außerordentliche politische Wirkung zeigten. Das politische Einflusspotential solcher globaler Eliten sowie ihre Strukturen und Funktionsweisen seien noch weitgehend unerforscht. In diese Lücke stößt Michael Nollert, nachdem er in seinem Beitrag die wenigen vorhandenen Untersuchungen transnationaler personeller Unternehmensverflechtungen gesichtet hat, mit einer eigenen explorativen Studie (Netzwerkanalyse). Darin legt Nollert die hintergründigen Beziehungen zwischen den großen europäischen Unternehmen offen, deren oberste Führungspersönlichkeiten nur zum Teil auch Mitglieder des Roundtable sind, und spezifiziert seine Analyse nach Unternehmens- und personellen Kontakten, über die sich zwei zu unterscheidende Netzwerktypen konstituierten: Unternehmens- und Linkers-Netzwerke. Michael Nollert rekonstruiert deren Entwicklung über einen Zehnjahreszeitraum anhand von verschiedenen Maßzahlen: Transnationalisierungs- und Zentralisationsgrad sowie Ausmaß der Relationsverdichtungen. Mit Hilfe der resultierenden Kennwerte lässt sich das transnationale europäische Unternehmensnetzwerk, so Nollerts Resümee, pointiert als politisch engagierter, einflussreicher sozialer Elitezirkel beschreiben." (Autorenreferat)
Gegenstand der Untersuchung sind Möglichkeiten der Einflußnahme seitens europäischer Dachorganisationen nationaler Verbände (Euroverbände) auf die Politikformulierung der EU. Lobbying und Klientelismus stellen Besonderheiten der Interessenvertretung in der EU dar. Auf der Basis von Expertengesprächen arbeitet der Verfasser Dimensionen des Einflußpotentials von Verbänden heraus. Dieses Potential wird dann optimiert, wenn der Euroverband zugleich organisations- und konfliktfähig ist, ein High-Tech-Produktmarktinteresse verfolgt, bei Entscheidungen nicht auf die Zustimmung aller Mitglieder angewiesen ist, in einem vergemeinschafteten Politikfeld aktiv ist und seine Intervention auf wenige Generaldirektionen konzentrieren kann, lange besteht, nur wenige, vornehmlich aus EU-Staaten stammende Mitgliedsverbände umfaßt und sein Generalsekretariat in Brüssel hat. Eine Evaluation des Einflusses von Euroverbänden macht faktische Einflußunterschiede entlang dieser Dimensionen deutlich. (ICE2)
The hypothesis that neocorporatism reduces social protest by decreasing the gap between societal demands & state capacities is tested through cross-national analysis of data for the 18 member countries of the Organization for Economic Cooperation & Development, 1948-1982. A pluralist depiction of social protest attributes increasing levels of social disruption to the growth of powerful special interest groups, increased societal demands, & the inability of government to address these demands effectively. In contrast, neocorporatist states reduce social protest through the development of an institutionalized bargaining system that mediates social demands & government capacities. However, this classical neocorporatist theory is supplemented by the hypothesis that neocorporatist states reduce social protest through increased economic performance & decreased economic inequality, which facilitate the resolution of societal demands with government capacities. Analysis suggests that neocorporatist states also lessen protest through the direct suppression of militant protest groups. The reduction of social protest was most notable in fully developed neocorporatist states, & strong Left parties & economic globalization strongly correlated with neocorporatism. 6 Tables, 6 Figures, 1 Appendix. T. Sevier