Der Verfasser gibt einen Überblick über direktdemokratische Möglichkeiten der Einflussnahme des Volkes auf den politischen Prozess in den USA. Hier stehen Fälle im Vordergrund, bei denen das Volk korrigierend in Entscheidungen eingreift, die die politischen Klasse in eigener Sache trifft. Fünf Themenbereiche werden anhand von Beispielen erläutert: (1) subjektives Wahlrecht (Frauenwahlrecht, Wahlsteuern); (2) Wähl- und Abwählbarkeit (Recall, Amtszeitbeschränkungen); (3) Wahlverfahren (Vorwahlen, Direktwahlen, Wahlkreiseinteilung; (4) Regulierung von Wahl- und Abstimmungskämpfen; (5) Abgeordnetendiäten und -versorgung. Insgesamt zieht der Verfasser ein positives Fazit der in den USA im Wege der Volksgesetzgebung initiierten Demokratiereformen. (ICE)
Die Autorin thematisiert die Folgen von Krisen und Konflikten für die Geschlechterverhältnisse in der Gesellschaft am Beispiel Israels. Sie weist darauf hin, dass der israelisch-palästinensische Konflikt eine männliche Dominanz und Gewaltorientierung befördert hat, die sich katastrophal auf beide Gesellschaften auswirkt. Die Militarisierung der Gesellschaft und eine alle Bereiche durchdringende Ideologie der "Wehrhaftigkeit" wirkt sich nachhaltig auch auf die Geschlechterverhältnisse aus, denn trotz der im internationalen Vergleich einzigartigen Wehrpflicht beider Geschlechter wird der Soldat weiterhin männlich konstruiert. Die vormilitärische Sozialisation und der Wehrdienst stellen einen Übergangsritus zur Männlichkeit dar, Frauen werden in der Regel zu typisch weiblichen Aufgaben eingeteilt und haben bei den Streitkräften deutlich weniger Aufstiegschancen als Männer. Da eine Laufbahn im Militär in Israel eine wichtige Voraussetzung für eine politische Karriere ist, bleiben Frauen deshalb aus der politischen Arena weitgehend ausgeschlossen. Die Autorin schließt ihren Beitrag mit einem Ausblick auf die mögliche Rolle von Frauenorganisationen, Wehrdienstverweigerern und anderen Gruppen einer zivilen politischen Kultur bei der Dekonstruktion des männlichen Heldenbildes. (ICI2)
"In den EU-Mitgliedstaaten unterliegen nur noch wenige Politikfelder ausschließlich nationalen Befugnissen. Dazu gehört auch die Sozialpolitik. Am Beispiel der Alterssicherung zeigt der Beitrag von Martina Eckardt, wie die Europäische Union durch ihre Vertragsgrundlagen, Gesetzgebung und Rechtsetzung in die nationalen Systeme der Alterssicherung eingreift. Ein Vergleich der verschiedenen Formen der Alterssicherung in den EU-Mitgliedstaaten zeigt zunächst, dass die Mitgliedstaaten vor ähnlichen Probleme stehen und Reformen angezeigt sind. Die zukünftige Alterspolitik der Mitgliedsländer wird jedoch von der Schaffung einer funktionierenden Wirtschafts- und Währungsunion beeinflusst. Die Durchsetzung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten und die Realisierung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen wirken sich auf die verschiedenen Säulen der Alterssicherung aus. So unterliegt beispielsweise die private Alterssicherung bereits jetzt weitgehend dem europäischen Gemeinschaftsrecht. Wenn auch nicht mit einer Vereinheitlichung der Rentensysteme oder gar Zentralisierung der Alterssicherungspolitik zu rechnen ist, bleibt die Frage virulent, ob die zunehmende Belastung der öffentlichen Haushalte und die damit zusammenhängende Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion nicht zu einer Verschiebung der Kompetenzen führen kann." (Autorenreferat)
In dem Beitrag wird davon ausgegangen, daß die größeren Städte West- und Mitteleuropas Anfang der siebziger Jahre an die Grenzen ihres Wachstums gestoßen sind. Wie diese Grenzen den komunalpolitischen Handlungsspielraum einschränken wird in dem Beitrag am Beispiel der Stadt Wien untersucht. Dazu werden zunächst die zurückliegende demographische und wirtschaftliche Entwicklung beschrieben und Vergleiche mit den Niederlanden, Frankreich, Norwegen und der BRD angestellt. Neben dieser Krise des Unterbaus ist auch der Überbau, soweit es die Einstellungen und Werthaltungen der meist jungen, neueren Mittelschicht betrifft, von einer Krise betroffen, die auf die Handlungsspielräume der Kommunalpolitik Auswirkungen hat. Diese Vertrauenskrise wird im dritten Abschnitt thematisiert. Vor diesem Hintergrund wird untersucht, inwieweit bei der Bewältigung der Krise der Kommunalpolitik Anleihen bei den kommunalpolitischen Maßnahmen des Roten Wiens der Zwischenkriegszeit genommen werden können. Diese Überlegungen erweisen sich aber nicht als eine mögliche Alternative. Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob die Städte überhaupt noch eine Zukunft haben, ob wir nicht vielmehr in einer Nach-Stadt-Ära leben. Dabei werden die spezifischen Möglichkeiten herausgearbeitet, die eine Stadt auch unter postmateriellen Werten hat. (KW)
Gegenstand der Untersuchung sind Urbanisierungs- und Segregationsprozesse am Beispiel der Entwicklung der französischen Stadt Rouen im 18. Jahrhundert. Der Verfasser gibt einen kurzen Einblick in bearbeitete Quellen und Untersuchungsansatz ("Analyse der sozialen Gruppen", "maschinelle Kartierung"). (WZ)
Insbesondere für die Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion wird die Aussagekraft der offiziellen Statistiken hinsichtlich des Rückgangs des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) seit Anfang der 90er Jahre bezweifelt. Die Statistiken der GUS-Länder geben ein BIP Pro-Kopf im Jahr 1995 in Höhe von nur 200-2400 US-Dollar an. (Sogar bei Benutzung von Kaufkraftparitäten steigt dieses Einkommen nur bis höchstens ungefähr 4000 US-Dollar wie in den Ländern Estland und Litauen). Der offiziell ausgewiesene Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität scheint in vielen Fällen nicht kompatibel zu sein mit der häufig viel geringeren Abnahme des Verbrauchs von Elektrizität. Außerdem wird in den offiziellen Statistiken seit 1993-1994, trotz des in vielen GUS-Staaten weiter gesunkenen realen BIPs, ein starker Anstieg der realen Exporte und Importe registriert. Eine Erklärung für diese Inkompatibilitäten kann inoffizielle wirtschaftliche Aktivität sein. Ist jedoch das inoffizielle Einkommen beträchtlich, so ist zu fragen, welche Konsequenzen hieraus für die Wirtschaftspolitik entstehen. Am Beispiel der Ukraine werden Schätzungen des inoffiziellen Einkommens erläutert und Schlußfolgerungen für die Wirtschaftspolitik gezogen.
Der Artikel zeichnet am Beispiel des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des DGB (WSI) die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Gewerkschaften seit dem 2. Weltkrieg nach. Gemäß den politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen werden drei Etappen gesehen: Während der Phase der CDU/CSU-Regierung verlief die Arbeit in Gewerkschaften und gewerkschaftlichem Forschungsinstitut mit Ausnahme der Vermögenspolitik und Mitbestimmung ohne Berührungspunkte. Erst bei Antritt der sozialliberalen Koalition wurden wissenschaftliche Begründungen für gewerkschaftliche Reformvorstellungen benötigt, das WSI entsprechend der neuen Aufgabenzuweisung reorganisiert. Seit sich mit dem Einbruch ökonomischer Krisen in den 70er Jahren zeigte, wie schwierig die Umsetzung gewerkschaftlicher Reformpolitik geworden ist, ist neben dem Staat als primären Adressaten die Rückbestimmung auf die autonome Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen mit den eignen Machtmitteln getreten. Gleichzeitig sind die inhaltlichen Schwerpunkte des WSI um die Themen Rationalisierung, Beschäftigung, Qualifikation, Arbeitsbedingungen und neuerdings Technologieentwicklung erweitert worden. Zunehmend zeichnen sich praxis- und umsetzungsbezogene Arbeitsformen ab. Ziel der vertieften Kooperation ist die Entwicklung eines arbeitnehmerorientierten Wissenschaftsverständnisses. (KHS)
Das Zentralinstitut für Jugendforschung (ZIJ) war durch den 1968 erfolgenden Aufbau einer eigenen Forschungsabteilung in der bis dahin eher verwaisten Studentenforschung der DDR von prägender Gestalt. Der Autor illustriert anhand der Beispiele der STUDENT- und der Studenten-Intervall-Studien (SIS) die empirische Forschungsmethodik und den theoretischen Denkansatz dieser Forschungsrichtung. Die Konzeption rückt verknüpfend die Studentenschaft als Teil der Jugend und die Sozialisation der studierenden Jugendlichen, also deren Persönlichkeitsentwicklung, in den Fokus. Anschließend thematisiert der Beitrag exemplarisch mit Hilfe von Statistiken und vergleichender Analysen der Sozialstruktur und Persönlichkeitsstruktur in Ost- und Westdeutschland Kontinuitäten und Diskontinuitäten nach 1990. Die Weiterentwicklung der Forschungsarbeit des ZIJ lässt den Autor trotz der Auflösung des Instituts von einer "ZIJ-Schule" sprechen. (DIPF/ts).
Landschaft, bislang ein den Raumwissenschaften vorbehaltenes Thema, stößt in der soziologischen Forschung auf wachsendes Interesse. Der Begriff ist in hohem Grad diffus: Landschaft ist - im sozialwissenschaftlichen Sinne - in erster Linie kein Teil eines physischen Raumes, sondern vielmehr ein bewusstseinsinternes Konstrukt als eine synthetisierende Zusammenschau physischer Objekte und in der Sozialisation erworbener Interpretationsschemata. Olaf Kühne zeigt, dass im Zuge der gesellschaftlichen Postmodernisierung auch die Wahrnehmungen und Interpretationen von Landschaft pluralisiert werden. In diesem Zusammenhang untersucht er am Beispiel des Saarlandes die Möglichkeiten und Grenzen künftiger Landschaftsentwicklungen.
Anhand eines abgeschlossenen historischen Beispiels (Entwicklung der Nationalsprache in Japan) zeigt diese Studie, wie Nationalwerdung, Sprachreform und Modernisierung in sozio-linguistischer Sicht zusammenhängen. Die Entwicklung des japanischen Nationalbewußtseins und der Nationalphilologie. Dem Autor nach ging der Aufschwung des japanischen Nationalbewußtseins und Nationalismus Hand in Hand mit nationalsprachlichen Bestrebungen. (DÜI-Sen)
Am Beispiel der Behindertenpolitik wird gezeigt, wie Regulierung und Steuerung im Wohlfahrtsstaat ablaufen und zu welchen Ergebnissen sie führen können. Dabei wird an der verbreiteten These angesetzt, Recht könne angesichts der Krise des Wohlfahrtsstaates und der staatlichen Lenkung bzw. Finanzierung als "endlos vermehrbare Handlungsressource" eingesetzt werden, um die Probleme der sozialen Sicherung zu lösen. Die allgemeinen Ebenen der staatlichen Steuerung werden untersucht. Die Ableitung idealtypischer Formen und Voraussetzungen effektiver Regulierung mündet in der Feststellung, daß die vorhandene regulative Ineffizienz nicht inhaltlich, sondern eher durch Entscheidungsstrukturen bedingt ist, die die Umsetzung der Ziele in der Sozialpolitik behindern. Nach Ansicht des Verfassers könnte z. B. die Etablierung oder Unterstützung selbstregulierender, dezentraler Verhandlungssysteme die Kooperationsmechanismen zwischen Gesellschaft und Staat fördern, man darf aber diese Steuerungsressource nicht überschätzen: "Erforderlich ist ein neues Gleichgewicht zwischen zentralistischen Regulierungsformen, Selbstregulierung und öffentlichen Transferleistungen". (HA)
"In diesem Aufsatz wird versucht, einen Aspekt der Modernisierung Japans am Beispiel eines Handwerkers, Hiroyasu Yonezawa, zu analysieren, der in Kanazawa, einer traditionell geprägten Stadt, lebte. Es wird ein mit der Modernisierung unvermeidlich auftretender kulturbedingter Konflikt behandelt. Als Schlüsselkonzept zur Erklärung des kulturspezifischen Prozesses der Modernisierung in Japan dient das 'Berufsethos'. Mit diesem Konzept wird die Geisteshaltung beschrieben, die Yonezawa dazu veranlaßte, sich respektvoll dem Familienverband, der Ehre der Familie (ie) verpflichtet zu fühlen und sich ganz den Familiengeschäften (kagio) zu widmen. Entsprechend wird die Auflösung von Wertekonflikten durch deren Integration in seine Berufswelt beschrieben. Die Daten sind einem Teil seines Tagebuchs entnommen, das in der ersten Hälfte der Taisho-Zeit (1913-1920) entstand. Tagebücher werden als geeignete Quellen verstanden, um die kulturellen Strömungen und die Lebensgeschichte und Mentalität einer Person zu erfassen. Darüber hinaus wurde das qualitative Datenmaterial zur Erhöhung der Objektivität durch weitere Informationen ergänzt." (Autorenreferat)
Evaluationen stellen auf die kausalen Wirkungen einer Maßnahme ab. Das Lehrbuch führt in die entsprechenden theoretischen und methodischen Grundlagen der Wirkungsevaluation ein und illustriert diese anhand ausgewählter Beispiele. Ziel des Buches ist es dabei, einen praktischen Bezug zum Ablauf einer Evaluation und den einzelnen Entscheidungsschritten herzustellen, aber auch mögliche Fallstricke unterschiedlicher Evaluationsverfahren aufzuzeigen. Die Lektüre ist daher sowohl für Evaluationsforscher/innen als auch Nutzer/innen, Auftraggebende und Betroffene einer Evaluation ertragreich.
Der Autor berichtet über Erfahrungen aus einem Forschungsprojekt, das im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung von 1978 bis 1980 im Deutschen Institut für Urbanistik bearbeitet worden ist. Die Wirkungsanalyse von Sanierungsmaßnahmen sollte als "externe Evaluierung" die Wirkungen der bisher betriebenen Stadterneuerung nachweisen und zugleich die bereits eingeleiteten Kursänderungen der Berliner Sanierungspolitik wissenschaftlich stützen. Der Erfahrungsbericht konzentriert sich auf den methodischen Ansatz der Untersuchung und berichtet über einige Aspekte der politischen Verwertung ihrer Ergebnisse. Das Ziel des Auftraggebers war es, empirisch gesicherte Informationen über die längerfristigen Auswirkungen von Sanierungsmaßnahmen auf die soziale und städtebauliche Struktur der Gebiete und die soziale Lage der Bewohner zu gewinnen, um die Entscheidungsgrundlagen für weitere Erneuerungsvorhaben zu verbessern. Der methodische Ansatz, der diesen Anforderungen sowie den Problemen der Wirkungsforschung (Kausalitätsproblem, Relevanzproblem) Rechnung tragen sollte, verknüpfte vergleichende Fallstudien mit einer Bewohnerbefragung. Es wurden zwei Sanierungsgebiete ausgewählt, die bereits soweit erneuert waren, daß eine Bilanzierung möglich war. Die beiden Gebiete waren dabei Extrempunkte der Sanierung. Das eine ein Beispiel flächenhafter Sanierung (Kahlschlag), das andere ein Modell erhaltender Modernisierung. Die Bewohnerbefragung war so angelegt, daß Bewohnergruppen aus unterschiedlichen Phasen des Sanierungsprozesses im Sample vertreten waren. Im Vergleich der Ergebnisse beider Fallstudien schneidet der Typ der erhaltenden Modernisierung bei jeder Teilbilanz ebenso wie in der summativen Ergebniskontrolle aus Bewohnersicht besser ab als die Flächensanierung. (UH)
In der Erklärung der Hunger- und Dürrekatastrophen in Afrika wird ein Aspekt immer übergangen: die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der afrikanischen Gesellschaftsstruktur, also die Frau als Überlebensgarantin für die Familie. Am Beispiel Kenias werden Prozesse, die während der Kolonialzeit begonnen und deren Auswirkungen die heutige Krise mitbestimmen, expliziert. Die Hauptthese lautet: Das strukturelle Hungerproblem Afrikas wurde im wesentlichen durch die Verdrängung der Frauen als Bäuerinnen in eine sich verschlechternde Subsistenzökonomie verursacht. Ihre soziale Stellung sank reziprok zur Mehrbelastung ab. Mit der Landkonsolidierung Ende der 50er Jahre verloren Frauen einen Teil ihrer Subsistenzfelder zum Anbau von Nahrungsmitteln, da ihr Mann diese Felder zum Anbau von Marktfrüchten beanspruchte. Ebenso nahm er ihr die Weidefläche für Ziegen. Wesentlich war die Individualisierung der Landtitel, die nach patriarchalischem Verständnis auf die Namen der Männer eingetragen wurden, die Frau wurde zur "mithelfenden Familienangehörigen" degradiert. Da heute noch 88 v. H. Frauen auf dem Land leben, garantieren sie real weiterhin die Nahrungsmittelproduktion; die zunehmenden Strukturprobleme (u. a. Bodenerosion) werden offiziell ignoriert. Frauenverbände organisieren sich, um in Selbsthilfe aktiv zu werden. Kollektivierung schützt vor dem Zugriff einzelner (Ehe-)Männer. Behinderungen bestehen darin, daß Frauen keine Kredite gegeben werden, daß sie keine Beratung erhalten und oft genug ihre Einkünfte für die Bedürfnisse der Männer abliefern müssen: Alkohol, Fahrrad oder Radio. Die Mechanismen des kenianischen Patriarchats halten die Frauen abhängig, obwohl sie Überlebensarbeit leisten. (IF)